Tichys Einblick
Wahlwiederholung in Berlin

Luthe: Letztes Wort zur Berlin-Wahl noch nicht gesprochen

Der ehemalige Berliner Abgeordnete Marcel Luthe sieht ein Problem darin, dass ausgerechnet der Bundestag über die Wahlwiederholung bestimmt. Grund: Viele Abgeordnete könnten ihr Mandat verlieren. Der Bundesverfassungsrichter Peter Müller spricht von einer Situation wie in einem „diktatorischen Entwicklungsland“.

IMAGO / Dirk Sattler

Die Wiederholung der Berliner Wahlen im Herbst 2021 ist immer noch kein abgeschlossenes Kapitel. Kaum hatte Berlin selbst klargemacht, dass eine Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl im Frühjahr sehr wahrscheinlich ist, versuchte man im Bundestag entgegenzusteuern: nämlich, indem man nur die Zweitstimmen in 300 der 2256 Wahlbezirke nachwählen wolle. Das – zu Recht – hat zu neuerlichen Verstimmungen geführt.

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Bundestagswahl in Berlin soll wiederholt werden – aber nur bei der Zweitstimme
Das letzte Wort zur Anfechtung der Berliner Wahlen – inklusive der Bundestagswahl – sei daher noch nicht gesprochen, so Luthe. „Wenn die Bundestagswahl – wie es richtig wäre – auch im Wahlkreis Lichtenberg wiederholt würde, könnte die Linke das dritte Direktmandat verlieren und fiele unter die 5-Prozent-Klausel.“ Das hätte laut dem ehemaligen Berliner Abgeordneten nicht nur zur Folge, dass 37 der 39 Abgeordneten der „umbenannten SED“ ausschieden, sondern auch etliche weitere Abgeordnete aus den anderen Bundestagsfraktionen. Luthe geht von rund 90 Abgeordneten aus, die davon betroffen sein könnten.

„Glauben Sie, dass die über 120 Abgeordneten, die ihr Mandat verlieren könnten, für eine Wahlwiederholung in Lichtenberg stimmen werden? Ich nicht“, erklärte Luthe gegenüber TE. Der Bundestag sei daher „sicher nicht das richtige Gremium, um über meine Anfechtung der Bundestagswahl zu entscheiden“. Luthe werde im Zweifelsfall das Bundesverfassungsgericht anrufen. Er kündigte an, in einer Sondersendung auf TV Berlin, die am 6. Oktober um 20:15 ausgestrahlt wird, mehr zu seinem Vorgehen zu erläutern.

Explizit nannte der Business Insider die Abgeordneten Ottilie Klein, Johannes Stüwe, den parlamentarischen AfD-Geschäftsführer Götz Frömming, Lars Lindemann, Pascal Meiser und die frühere Berliner Grünen-Chefin Nina Stahr als bekannte Fälle von Abgeordneten, die bei einer Wahlwiederholung aus dem Bundestag ausscheiden könnten. Bei niedriger Wahlbeteiligung könnten auch der Grüne Andreas Audretsch und der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU, Jürgen Hardt, ihre Posten verlieren.

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Der Parteienstaat entblößt sich selbst
Dennoch melden sich auch in der Union kritische Stimmen über die anberaumte Teil-Wiederholung der Bundestagswahl. „Wir als Union tendieren dazu, die gesamte Bundestagswahl in Berlin wiederholen zu lassen“, erklärte die Vorsitzende des Wahlprüfungsausschusses, Daniela Ludwig, gegenüber der Mediengruppe Bayern. Die Begrenzung der Wahlwiederholung auf rund 300 Wahllokale nannte sie „unverständlich“.

In der FAZ hat indes Peter Müller, Richter am Bundesverfassungsgericht, die Wahl und den Umgang mit der Wahlwiederholung erheblich kritisiert. Eine Situation wie in Berlin „hätte man sich vor einigen Jahrzehnten in einem diktatorischen Entwicklungsland vorstellen können, aber nicht mitten in Europa, mitten in Deutschland“.


Warum in Berlin neu gewählt werden muss

In Berlin entscheidet das Landesverfassungsgericht über Neuwahlen zum Abgeordnetenhaus und Bezirksvertretungen. Wir dokumentieren anbei die Wahlanfechtungsklage von Marcel Luthe, ebenso wie die Argumente der Antragsführer und, was die einzelnen Parteien einwenden:

Neuer Schriftsatz VerfG Terminsverlegung – Schriftsatz VerfG Beteiligter am Verfahren – Innensenator – Landeswahlleiter – Lindemann – Die PARTEI – AfD


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