In einem Newsletter des „Hamburger Abendblattes“ vor zwei Tagen geriet der stellvertretende Chefredakteur Matthias Iken fast ein wenig ins Schwärmen, als er über den „dritten Anlauf“ Bernd Luckes berichtete, seine Pflichtvorlesung „Makroökonomik II“ für Volkswirtschafts-Studenten an der Hamburger Universität – trotz massiver Störungen durch militante Protest-Aktivisten – zu halten.
Iken räumte zwar zunächst ein, dass der „Lehrbetrieb“ nur durch eine „Hundertschaft der Polizei in voller Schutzmontur“ gesichert werden konnte. Dann aber folgen große Worte: „Auch wenn mancher den Kopf schütteln mag über so viel Aufwand, manchmal muss es sein.“ Freiheit bedürfe eben „der Offenheit, der Toleranz und des Mutes“.
Die eigentliche Meldung des Tages wird von allen Medien, wenn überhaupt, nur beiläufig erwähnt
So weit, so gut. Die wichtigste Meldung des Tages war aber, und das schreibt Iken an dieser Stelle leider nicht, eine ganz andere. Der Präsident der Universität, Dieter Lenzen, und seine Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) treten zumindest einen – getarnten – Rückzug an, und zwar auf Kosten Luckes. Schon ab kommender Woche soll es plötzlich eine zusätzliche – alternative – Vorlesung zur Veranstaltung Luckes geben, zu der bisher rund 300 VWL-Studenten angemeldet sind. Die Parallel-Veranstaltung soll ein anderer Dozent durchführen. Dadurch wird den Studenten die Möglichkeit geboten, künftig die VWL-Pflichtvorlesung völlig losgelöst von Lucke zu absolvieren.
Damit wird die Position des Professors Lucke stark geschwächt, denn viele Studenten werden schon aus Gründen der Bequemlichkeit nun nicht mehr die Veranstaltung Luckes besuchen, um so den massiven Störaktionen linksextremistischer Gruppen aus dem Wege zu gehen.
Anders formuliert: Zumindest zu einem beträchtlichen Teil ist Bernd Lucke damit indirekt als Hochschullehrer „ersetzt“. Die Forderungen der selbst ernannten „antifaschistischen Kämpfer“ sind damit teilerfüllt. Eine bittere Niederlage für den Wirtschaftsprofessor.
Zugefügt durch den Universitätspräsidenten Lenzen und die politisch zuständige Wissenschaftsbehörde unter der Führung der Grünen-Politikern Katharina Fegebank. Beide fallen immer wieder dadurch auf, dass sie trotz vielen schönen Worte eines dem Hochschulprofessor Bernd Lucke nicht angedeihen lassen wollen: ihre „kollegiale Loyalität“. Die rechtlich vorgeschriebene „Fürsorgepflicht“ wird dadurch von oberster Stelle krass verletzt.
Meinungsfreiheit an der Universität HH: Fenster und Türen schließen – und nicht im Freien aufhalten
Doch der Reihe nach. In den Wochen zuvor hatten zweimal Vorlesungen von AfD-Mitbegründer Bernd Lucke in Hamburg abgebrochen werden müssen. „Tichys Einblick“ hat ausführlich darüber berichtet. Am vergangenen Mittwoch wurde der dritte Versuch durch eine ganze Hundertschaft der Hamburger Bereitschaftspolizei – unterstützt durch Polizei-Spezialgruppen und durch einen privaten Sicherheitsdienst – geschützt.
Die Vorlesung war auf historisches Veranstaltungs-Areal verlegt worden: in ein Gebäude des Fachbereiches Physik, gegenüber der bekannten privaten Bucerius-Law-School gelegen. Auf dem Universitätsgelände hat einst schon der jüdische Physik-Nobelpreisträger Otto Stern gearbeitet und gelehrt, der 1933 dem NS-Terror weichen musste und damit endgültig zum Nazi-Verfolgten wurde.
Am Vormittag des 30. Oktober 2019 bauten Polizisten auf dem geschichtlichen Gelände Absperrgitter auf. Die Häuser penibel gesichert. Interne Ansagen im Fachbereich Physik warnten die Beschäftigen davor, Fremde in die Räume zu lassen. Ein Kollege sagte wortwörtlich: „Wir sollen Fenster geschlossen halten und uns nicht unnötig im Freien aufhalten. Das ist gelebte Meinungsfreiheit.“ Für nicht wenige Studenten und Mitarbeiter entstand somit durch die „linken Chaoten“ eine geradezu gespenstische Kulisse.
Die neuen Faschisten im Tarnanzug von „Antifaschisten“?
Die selbsternannte „Antifaschistische Aktion“ („Antifa“) verunsicherte so selbst Universitätsangehörige, die mit Luckes Volkswirtschaftslehre gar nichts zu tun haben. Dass die Vorlesung Bernd Luckes ausgerechnet in dem großen Hörsaal stattfinden sollte, der den Namen „Otto-Stern“ trägt, verwunderte so manchen Hochschulangehörigen. Hatte diese Entscheidung eine symbolische Bedeutung?
Einige Professoren fragten sich, wie es kommen kann, dass heutzutage wieder Hochschullehrer an Universitäten verfolgt werden. Heute von linksextremistischen Aktionisten, die sich „Antifaschisten“ nennen. Ein Bediensteter am Fachbereich fragte sich, ob der neue Faschismus heute im Tarnanzug eines angeblichen „Antifaschismus“ Angst und Schrecken verbreitet.
Schon am Vormittag hatten Polizisten Absperrgitter aufgebaut, später sicherten rund 100 Beamte in voller Kampfmontur die Gebäude. In einer benachbarten Straße standen weitere Einsatzzüge in Bereitschaft. Mehrere Hundertschaftsführer hielten sich vor dem Hörsaal auf – ein sicheres Zeichen dafür, dass noch weitere Polizei-Hundertschaften in der Stadt für den Notfall in Reserve gehalten wurden.
Scharfe Kontrollen
Um 12 Uhr sollte die Vorlesung Luckes beginnen. Ein privater Sicherheitsdienst überprüfte die Personalien der Personen, die die Eingangs-Schranken zum Terrain des Fachbereiches Physik passieren wollten. Nur wer angemeldet oder Mitarbeiter des Fachbereiches war, kam hinein. An einer zweiten Kontrollstelle zum Hörsaalgebäude fanden noch einmal Überprüfungen statt.
Vor dem Veranstaltungsgebäude versammelten sich bereits vor 12 Uhr rund 50 junge Leute, „die nicht zur Vorlesung wollten“ („Die Welt“) Einige von hielten ein Transparent mit markig-verwirrten Worten in die Höhe. Es wurden auch Flyer verteilt. Den Störgruppen war offensichtlich aber alsbald klar, dass die Staatsmacht zumindest dieses Mal mit allen Mitteln den ordnungsgemäßen Ablauf dieser Lucke-Vorlesung sichern wollte.
Wäre die Veranstaltung auch im historischen „Otto-Stern-Hörsaal“ gesprengt worden, hätte das schnell zu medialen Reaktionen selbst im Ausland führen können. Eine solche Schmach wollten sich die Leitungen von Universität und Wissenschaftsbehörde offenbar nicht antun. Das hätte auch die eigene Stellung Lenzens und Fegebanks schnell gefährden können.
Die eingesetzten Polizeikräfte „mit Helmen und Schienbeinschutz“ („Bild-Zeitung“) vermittelten den Eindruck, dass an diesem Tag nicht mit ihnen zu spaßen war. Auch wohl deswegen hat es dieses Mal nicht mal viele Protest-Sprechchöre gegeben. Gegen 13 Uhr hatte sich die Zahl der Aktivisten, die am Mittwoch für „Antifa-Verhältnisse“ ausgesprochen zahm auftraten, sogar schon etwas reduziert. Klar, an diesem Tag war nichts auszurichten gegen Bernd Lucke.
Später ist nach Informationen des „Hamburger Abendblattes“ bekannt geworden, dass man etwa ab 12 Uhr über rund 15 Minuten von außen versucht hat, die Technik im Hörsaalgebäude per Funk zu stören. Auch dies ist jedoch nicht gelungen.
Windelweiche Erklärungen von Universität und Landesregierung
Nach der Vorlesung erklärte die stellvertretende Senatssprecherin Julia Offen, die gesamte Veranstaltung sei störungsfrei verlaufen. Dass das nur durch den entschlossenen Einsatz einer vollen Hundertschaft der Bereitschaftspolizei ermöglicht wurde, schien der Pressesprecherin schon nicht mehr erwähnenswert.
Universitätspräsident Dieter Lenzen äußerte sich ebenfalls. Im schönsten Bürokraten-Deutsch erklärte er: Die Universitätsleitung habe „zur Kenntnis genommen, dass der Senat sich für eine Differenzierung der professionellen Rollen entschieden hat: Für die im wissenschaftlichen Raum zu treffenden Entscheidungen (Bereitstellung eines weiteren gleichlautenden Lehrangebots durch eine weitere Lehrperson, Bereitstellung einer digitalen Version der Vorlesung) hat die Universität die Verantwortung übernommen, für die Veranlassung der erforderlichen Rahmenbedingungen (Sicherheitskonzept der Polizei) die zuständigen Behörden“.
Dann kam ein vieldeutiger Satz – wieder in der typischen Sprache des Präsidenten: Falls auch fürderhin „Präsenzlehre“ gewünscht werde, erwarte das Hochschul-Präsidium, „dass die bewährte funktionale Differenzierung des heutigen Tages auch im weiteren Verlauf des Wintersemesters beibehalten werde“ („Die Welt“). Die Verantwortung für die Polizeieinsätze schiebt er also der Innenbehörde zu, obwohl Lenzen ja der Hausherr ist. Der Präsident will sich offensichtlich nicht die „Hände schmutzig machen“, wenn es darum geht, die Sicherheit Luckes zu gewährleisten.
Rückzug: Ein zweiter Dozent soll Lucke zumindest teilweise ersetzen
Lenzen hatte schon Tage zuvor VWL-Professor Lucke angeboten, er könne doch in Zukunft seine Standardvorlesung digital durchführen. Lucke hat dieses scheinheilige Angebot, nur noch vor einer Videokamera aufzutreten, sofort abgelehnt. Nun haben die Führungen von Universität und Wissenschaftsbehörde eine neue, listige (man könnte auch sagen: hinterhältige) Entscheidung getroffen.
Denn die Universität hat angekündigt, dass es ab der kommenden Woche eine zusätzliche Lehrveranstaltung Makroökonomik II – also zum gleichen Thema wie die Vorlesung von Bernd Lucke – geben soll. Aber mit einem zusätzlichen Dozenten. Salbungsvoll und scheinbar selbstlos hieß es: Der Fachbereich wolle damit einerseits zur Deeskalation betragen. Andererseits sei man bestrebt, den „zahlreichen verängstigten Studierenden ein Lernen unter unbehelligten Umständen ermöglichen“.
Es wurde sogar auf die Tränendrüse gedrückt, um zu verschleiern, dass die Universitätsführung längst einen schmählichen Rückzug angetreten hat: Als Reaktion auf Schreiben von angeblich „verängstigten Studierenden sowie Bitten von Mitarbeitern, die gebeten hatten, sicherzustellen, ihre Arbeit frei von Angst tun zu können, bietet die Psychotherapeutische Hochschulambulanz der Universität Hamburg Ad-hoc-Therapien zur Bewältigung von Posttraumatischen Belastungsstörungen an“.
Fazit: Damit ist Bernd Lucke ab nächster Woche massiv geschwächt. Man entzieht ihm teils schon mal den Boden, auf dem er lehrt. Indirekt wird damit die Forderung der „antifaschistischen Kreise“ teilerfüllt, Lucke die Rolle des Hochschullehrers zu nehmen. Es ist eine „Teil-Kaltstellung“ Luckes, die man freilich anders nennt.
Wie reagieren Medien und Politik?
Interessant ist, dass auf dieses illoyale Verhalten von Lenzen und Fegebank, die im nächsten Jahr Bürgermeisterkandidatin der Grünen in Hamburg werden will, die Medien in der Metropolregion lediglich beiläufig oder gar nicht eingehen. Wenn man heute opportunistisch zurückweicht vor dem massiven, militanten Druck „antifaschistischer Gruppierungen“, so ist das offensichtlich in großen Teilen der Gesellschaft längst hoffähig geworden – in der politischen Kultur nicht nur des Stadtstaates Hamburg, sondern auch in ganz Deutschland.
Einige wenige Politiker haben sich freilich mit wirklich unmissverständlichen Worten zu den Angriffen auf den Universitätsprofessor Lucke geäußert. So sagte der Landesvorsitzende der Jungen Union (JU) in Hamburg, Philipp Heißner, es könne nicht angehen, dass radikale Gruppierungen wie der AStA bestimmen, wer an der Hochschule lehren darf. „Das ist eine zutiefst totalitäre Einstellung des AStA an der Uni Hamburg. Wenn ein Professor unter Polizeischutz vom Campus fliehen muss, sind das unhaltbare Zustände. Freiheit von Forschung und Lehre muss für alle gelten!“.
Die Hamburger AfD meint, wenn „linke Gruppierungen Gesinnungsterror ausüben“, werfe „das nicht nur ein schlechtes Licht auf den guten Ruf Hamburgs, sondern es vergiftet auch das Meinungsklima und gefährdet die Wissenschaftsfreiheit, die es grundrechtlich zu schützen gilt“. Und Philipp Bürkle, Landesvorsitzender der JU in Baden-Württemberg, erklärte: „Wer durch Lautstärke oder andere Gewaltanwendungen eine Universitätsvorlesung verhindern will, ist ein Radikaler, ein Extremist und in den Methoden ein Nazi.“
Wohlfeile Worte nur? Was sind sie in der politischen Praxis noch wert? Die neuen Entscheidungen Lenzens und Fegebanks zeigen jedenfalls, dass die rotgrüne Regierung in Hamburg – allen schönen Absichtserklärungen zum Trotz – nichts davon hält, der „Antifa“ dauerhaft Einhalt zu gebieten. Wo bleibt da die Wissenschaftsfreiheit? Wo ist die Meinungsfreiheit hierzulande noch gewährleistet?
Für den 13. November ist eine Sondersitzung des Wissenschaftsausschuss der Hamburger Bürgerschaft anberaumt worden. Diese Sitzung wurde von allen Parlamentsfraktionen beantragt – auch von den Regierungs-Fraktionen der SPD und den Grünen.