Der Filmklassiker „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ kennt viele spektakuläre Szenen. In einer solchen werden die beiden Titelhelden Robert Redford und Paul Newman von einer Elite aus Spurenlesern in die Berge getrieben. Sie haben keine Wahl mehr: Um ihre Freiheit zu retten, müssen sie springen. Aus 40 Metern, an Steilfelsen vorbei in einen schmalen Fluß. Sie tun es und retten sich damit erfolgreich.
Soweit Hollywood. Berlin hat Christian Lindner und der springt nicht. Obwohl seine Partei Wahlniederlagen in Serie einfährt und mittlerweile nicht mal mehr ein Prozent der Wähler hinter sich vereint, hält der FDP-Chef an der Ampel fest. Ganz egal, wie sehr die seine Partei ruiniert. Gespannt warten die Journalisten auf Lindners Worte. Doch der legt los: Die besondere Situation im Osten. Es habe immer ein „Auf und Ab“ gegeben. Die „Volatilität“ sei dort größer als im Westen. Eben noch scharf arbeitende Gehirne sind nach zwei Minuten dieses Kaugummi-Sprechs eingeklebt und dösen träge vor sich hin.
So geht es auch der ganzen Partei. „Ein Stück weit Apathie“ habe sich über die FDP gelegt, erzählt ein Mitglied aus den lokalen Veranstaltungen. Manche ließen ihre Wut an den Vertretern vor Ort raus, kotzten sich mal kräftig ab, wüssten dann aber auch nicht mehr weiter. Denn mit der Ampel geht die FDP den Bach runter. Das weiß jeder. Doch es glaubt auch keiner dran, dass sie in Neuwahlen den Trend umkehren könnte. Deswegen rebelliert keiner gegen Lindner, weil dieser an der Ampel festhalten will.
Es gibt Stimmen, die sich gegen den Verbleib in der Bundesregierung ansprechen. Wolfgang Kubicki sagt, er glaube nicht, dass es die Ampel zu Weihnachten noch gebe. Aber der Vizepräsident des Bundestags hat nun schon so oft nach rechts geblinkt, um dann links abzubiegen, dass ihn kaum noch wer ernst nimmt. Oder Martin Hagen. Der bayerische Parteichef – und Wahlverlierer – probt auf X ein bisschen Sturm im Wasserglas: „Wir müssen heute im FDP-Bundesvorstand Tacheles reden… Wenn’s nicht geht, muss man irgendwann auch bereit sein, den Stecker zu ziehen.“ Vielleicht was tun, aber ganz sicher erstmal für die Öffentlichkeit ein wenig palavern. So spricht ein Mann, der nach seinem Scheitern in der Politik Öffentlichkeit braucht, um seinen Broterwerb abzusichern. Aber Hagen spielt in der FDP eine Rolle, die noch weniger Einfluss hat, als die Kubickis.
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Lindner spielt auf Zeit. Er rettet die Ampel und seine Pensionsansprüche über die Tage nach den Wahlen hinweg, in denen die Anhänger Konsequenzen aus der Niederlage fordern. Lindner erklärt: „Mut ist, eine neue Dynamik zu entfachen.“ Der FDP-Chef will also Punkte für seine Partei gewinnen, indem er härter gegen die Koalitionspartner SPD und Grüne auftritt – aber er ist noch zu weich, um dies wenigstens deutlich auszudrücken.
Der FDP-Chef setzt auf drei Punkte: die „Weiterentwicklung der Migrationspolitik“. Lindner verspricht, wie konsequent diese künftig sein soll, während die Grünen und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) vorleben, wie sich solche Ankündigungen durch faktisches Handeln aushebeln lassen. Zudem will Lindner „wirtschaftlich wieder Kurs aufnehmen“. Während in der Realität Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Stromversorgung so umstellt, dass Firmen nur noch produzieren können, wenn Wind weht oder Sonne scheint. Oder die SPD das Klima retten will, indem die Supermarkt-Kassiererin mit ihren Steuern der Frau des Supermarkt-Besitzers ein E-Auto finanziert.
Lindners dritter Punkt ist der Haushalt. Der soll mehr Investitionen ermöglichen und trotzdem den Bürger entlasten. Schön. Wäre gut. Doch in der Realität konnte sich die Ampel bisher nur auf einen Entwurf einigen, der zwölf Milliarden Euro gar nicht finanziert. Und der überhaupt nur den Schein erweckt, der Verfassung zu entsprechen, indem Lindner Ausgaben klein und Einnahmen hochgerechnet hat. Wer daran glaubt, dass ein solcher Haushalt zum Happyend für die FDP führt, der wäre als Drehbuchautor in Hollywood besser aufgehoben.
Wie wenig Lindner tatsächlich zu Änderungen bereit ist, zeigt der Umgang mit dem FDP-Landesverband Brandenburg. Der ist unbedeutender als jeder Kaninchenzuchtverein in Schwedt oder Potsdam. Doch er lohnt einer Erwähnung. Denn er zeigt die Apathie auf, die tatsächlich über der FDP liegt: Lindner betont, dass für die Niederlage in Brandenburg „ausdrücklich nicht der Spitzenkandidat“ Zyon Braun verantwortlich sei. Der macht danach eine Kampfansage an seine innerparteiliche Konkurrenten.
Lindner kündigt in seinem Kaugummi-Sprech einen „Herbst der Entscheidungen“ an. Bis Weihnachten wolle die FDP unter ihm dramatisch viel ändern. 0,83 Prozent hat die Partei in Brandenburg erreicht. Trotzdem ist die Partei so phlegmatisch, dass sie noch nicht einmal nach solch einer brutalen Niederlage Änderungen vornimmt. Wenn Lindner also vom „Herbst der Entscheidungen schwurbelt“, dann ist also klar, dass nichts besser wird – außer den Pensionsansprüchen Christian Lindners.