Lothar H. Wieler verabschiedet sich als Präsident vom Robert Koch-Institut (RKI), „um sich neuen Aufgaben in Forschung und Lehre zu widmen“. Das klingt ein bisschen nach einem Führungszeugnis, in dem die Bewertung die Wahrheit nie so ganz beim Namen nennen darf. Darauf lassen bei Wieler die Indizien schließen: Er legt sein Präsidenten-Amt nieder, dafür gibt es außer „neuen Aufgaben“ keine triftigen Gründe und trotzdem findet der Wechsel so rasch statt, dass sein Stellvertreter Professor Lars Schaade den Präsidenten für den Übergang vertreten muss.
Wieler übernahm die Spitze des RKI im März 2015. Der heute 61-Jährige lieferte die wissenschaftliche Grundlage für die Entscheidungen der Bundesregierung. Dabei folgte er dem marxistischen Motto: Die Linientreue zeigt sich in der Kurve. Als zum Beispiel keine Masken in der Pandemie verfügbar waren, warnte das RKI vor der trügerischen Sicherheit, die Masken vermitteln würden. Als dann Masken da waren, betonte das Institut deren lebensrettende Wirkung. Beide Empfehlungen erfolgten jeweils streng auf wissenschaftlicher Basis.
Dass Wieler Deutschland gut durch die Pandemie gebracht habe, ist eine politische Einschätzung. Viele Entscheidungen, bei denen er als Ratgeber auftrat, haben sich mittlerweile als falsch erwiesen. Teilweise als fatal. So hat die ehemalige Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eingeräumt, dass es ein Fehler war, die Heime im Winter 2020/2021 nicht mit gezielten Teststrategien zu schützen. Gerade in der Zeit starben dort Tausende Menschen mit Corona. Lauterbach selbst hat zugegeben, dass die Schließungen von Kitas und Schulen ein Fehler war.
Ob diese Fehler die Schuld Wielers waren? Oder ob er einfach nur zu schwach und opportunistisch war, sie zu verhindern, ist letztlich egal. An der Spitze des RKI war Wieler eher ein sichtbares Wetterfähnchen auf dem Turm als ein Grenzstein. Damit ist sein Verbleib im Amt höchst verzichtbar.