Wer gerade Sommerurlaub am Meer oder an einem See macht, könnte dieses Problem bekommen: Wenn das geliebte Schlauchboot Löcher hat, macht es keinen Sinn, eines davon zuzuhalten, während an anderer Stelle die Luft weiter entweicht: der Untergang ist vorprogrammiert, wenn nicht viele fleißige Hände helfen oder eben das Wasser unter dem Boot abgelassen wird, was deutlich schwerer sein dürfte.
Achtung, Ihr Kapitän heißt Armin Laschet
Armin Laschet ist der Kapitän in Nordrhein-Westfalen. Und seine Taktik ist eine andere: Alle Hände zum Himmel und dem strahlenden Sonnenschein ein Liedchen singen – a capella auf der Luvseite der Titanic.
Der Streit zwischen Seehofer und Merkel über Grenzkontrollen in Bayern ist in letzter Minute beigelegt bzw. vertagt, allerdings ohne offizielle Zustimmung eines der Getreusten der Bundeskanzlerin in der Massenzuwanderung. Ministerpräsident Armin Laschet erklärte schon vor der Einigung sein Nordrhein-Westfalen zum neuen Bayern, aber nach den alten Regeln der offenen Grenzen. Laschet sagte gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger: „Wir haben einen großen gemeinsamen Wirtschafts-, Lebens- und Arbeitsraum mit den Niederlanden, Belgien und Luxemburg. Jetzt wieder Kontrollen einzuführen, durch die wir zwei bis drei Stunden an der Grenze stehen würden, kommt überhaupt nicht in Frage.“
Es gibt hier zwei Lesarten: Entweder Laschet geht in den vorauseilenden Gehorsam oder er funkt sich mit Angela Merkel zusammen und gemeinsam wurde beratscht, wie man dem vermeintlich erfolgreichen bayrischem Seehofer nun den nächsten Torpedo ins Boot jagen kann.
Bayern ist nicht Deutschland
Aber halt, dem „bayrischen“? Horst Seehofer ist Innenminister der Bundesrepublik Deutschland. Sein „Masterplan Asyl“ ist keiner für Bayern, sondern für das ganze Land. Bleibt Laschet stur, dann platzt die Luftblase der „Einigung“ zwischen Seehofer und Merkel: Die Konzentration des Blicks der letzten Tage auf die bayrisch-österreichische Grenze hat der versammelten Medienlandschaft und Politik offensichtlich den Blick vernebelt. Nun ist der Himmel wieder blau und Katerstimmung kommt auf.
Stellen wir fest: Die Bundespolizei untersteht dem Innenministerium und hieß früher Bundesgrenzschutz. So einfach ist es und so kompliziert, wenn die Aufgaben der Bundespolizei aufgrund des Föderalismus und der Polizeihoheit der Länder begrenzt ist. Diverse EU-Regelungen und Vereinbarungen als weitere Deckel sind dabei noch nicht einmal mitgedacht.
Allerdings ist im Abschnitt 1 des Bundspolizeigesetzes grundsätzlich geregelt, was in die Zuständigkeit der Bundespolizei fällt:
„Grenzpolizeilicher Schutz des Bundesgebietes (Grenzschutz): polizeiliche Überwachung der Grenzen, polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs einschließlich der Überprüfung der Grenzübertrittspapiere und der Berechtigung zum Grenzübertritt sowie der Grenzfahndung; die Abwehr von Gefahren, die die Sicherheit der Grenzen beeinträchtigen, im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 km und von der seewärtigen Begrenzung an bis zu einer Tiefe von 50 km.“
Bayern kontrolliert seine Grenzen selbst
In Bayern soll nun die neue bayrische Grenzpolizei nach dem Willen von CSU-Bundesinnenminister Horst Seehofer eigenständig Grenzkontrollen durchführen dürfen und zwar im Rahmen der Befugnisse, die auch die Bundespolizei hat. Armin Laschet war das bisher allerdings weitestgehend wurscht. Heißt im Klartext: Der Bundesinnenminister müsste jetzt jede Menge bilateraler Verhandlungen führen mit jenen Bundesländern, die eine Außengrenze haben, will er das bayrische Modell importieren, also seinen Masterplan auf Bundesebene durchsetzen.
Die erste Absage flatterte im schon am 23.Juni 2018, also im Vorfeld der „Einigung“ mit Merkel auf seinen Tisch. Laschet sagt: „Nein“. Der Ministerpräsident machte in Düsseldorf fleißig Europa-Politik, wenn er vor Alleingängen in Europa warnte und erklärte: „Wer jetzt in einem nationalen Alleingang Grenzkontrollen verschärft und bereits anderswo registrierte Asylbewerber unabgestimmt abweist, riskiert ähnlich unkluge, unabgestimmte Alleingänge anderswo in Europa, bei denen dann im Süden Europas nicht mehr registriert wird.“ Das schaffe Chaos und „könnte am Ende dazu führen, dass die Flüchtlingszahlen bei uns wieder ansteigen“.
„Einigung“ hin oder her: Die Welt fasste es noch am gestrigen D-Day so zusammen: „An der deutschen Grenze zählt für Armin Laschet nur eins: Offen muss sie sein. Im Kampf für das vereinte Europa, das der Ministerpräsident so gern beschwört, gilt ihm die Durchlässigkeit nationaler Grenzen als entscheidend. Je offener die EU-Binnengrenzen, umso besser, davon ist er überzeugt.“
Im Westen viele Neue
Wenn sich Laschet also nicht in den innenministerialen Wind dreht, dann bleibt die deutsche Westgrenze zu Belgien und den Niederlanden weiterhin bedeutendes Einfallstor für illegale Migration. Laschets Innenminister Herbert Reul bleibt überzeugt, man könne zwar einzelne Straßen sichern, nicht aber „die grüne Grenze mit ihren zahlreichen Übergängen“. Deren Kontrolle würde „eine immense personelle Belastung bedeuten“. Die personelle und finanzielle Belastung der Massenzuwanderung hingegen scheint in Nordrhein-Westfalen weiterhin eine zu vernachlässigende unbedeutende Größe zu sein.
Auch erscheint das Argument nicht kontrollierbarer Grenzen ad absurdum geführt, wenn 2014 im Rahmen einer ausnahmsweise anberaumten Grenzkontrolle binnen zwei Tagen, tausende Kriminelle entlang der deutschen Westgrenze in NRW dingfest gemacht werden konnten. Von 11.972 Kontrollierten wurden unfassbare 45 Prozent wegen rechtswidrigen Verhaltens vorübergehend festgenommen. Die Welt befand dazu, dass bisher weder Bund noch Land eingeräumt hätten, dass das Dreiländereck (NRW, Belgien, Niederlande) Brennpunkt illegaler Einwanderung sei. „Dabei sind die Belege erdrückend.“ Weiter die Welt: „Zu denken gibt auch, dass laut Bundesamt für Migration mittlerweile fast jeder vierte Asylantrag in NRW gestellt wird, obwohl der Weg der meisten Asylbewerber seit 2015 doch über Bayern führte.“
Was also hat Seehofer erreicht? Was hat Merkel ihm durchgehen lassen? Und hat sie es dem Innenminister durchgehen lassen oder lediglich dem Bayern um ihre eigene Haut zu retten? Eines scheint auf jeden Fall deutlich geworden: Wer wie Laschet in Deutschland behauptet, wir Europäer säßen alle in einem Boot und wer gleichzeitig mit Nagelschuhen ins heimische Schlauchboot steigt und die Ode an die Freude singt, der ist in Sachen anhaltender Zuwanderung nicht Teil der Lösung, sondern das Problem. Oder: ein Problem von vielen. Armin Laschets „Nein“ würde so zur Fortführung der harten Linie einer Richtlinienkompetenz der Kanzlerin gegenüber Horst Seehofer. Wenn Laschet weiter in Zungen spricht, dann haben seine Stimmenbänder ihre Wurzeln im Kanzleramt. Und wenn die Asylwende von Merkel und Seehofer nicht für Deutschland gilt – sondern nur für Bayern: Die großmäulig verkündete Einigung schrumpft dann beim Hinschauen und macht deutlich, wie ein Land zur Bananenrepublik kaputtregiert wird. Oder ist das der neue Trick, wie der große Seehofer zum Asylzwerg geschrumpft wird zwischen Berlin und Düsseldorf?