Die gefürchtete Triage in deutschen Krankenhäusern ist bis heute ausgeblieben – zumindest was Corona-Patienten auf Intensivstationen betrifft. In Österreich schlug allerdings bereits Ende Januar das erste Krankenhaus Alarm, dass die Triage auf den Stationen der Kinder- und Jugendpsychiatrie traurige Realität ist. Nun melden deutsche Kinderärzte offiziell, was schon länger zu befürchten stand: Die Kinder- und Jugendpsychiatrien sind auch bei uns völlig überfüllt. Es findet eine Triage statt, das heißt „wer nicht suizidgefährdet ist und ’nur‘ eine Depression hat, wird gar nicht mehr aufgenommen“. Die Pädiater fordern deshalb schnelle Schul- und Kitaöffnungen, um das Ruder wieder herumzureißen.
Trotzdem sind die Schulen in Deutschland bis heute nicht vollständig zum Präsenzunterricht zurückgekehrt. Es gibt zum Teil Online-Beschulung und zum Teil Wechselunterricht und alles hängt am seidenen Faden des gefürchteten Inzidenzwertes. Wo morgen Präsenzunterricht eingeführt wird, könnte er übermorgen schon wieder ausfallen – dank unserem neuen Bundesinfektionsschutzgesetz ist das für alle Länder einheitlich geregelt: Ab einer Inzidenz von 100 gibt es Wechselunterricht, ab 165 müssen Schulen komplett schließen. Und das alles, obwohl es laut Maske „psychiatrische Erkrankungen in einem Ausmaß [gibt], wie wir es noch nie erlebt haben“. Dass der Ausfall des normalen Lebens und damit auch explizit die Schulschließungen aufgrund der Corona-Maßnahmen für diesen enormen Anstieg an psychischen Krankheiten verantwortlich sind, ist anhand von Studien (siehe u. a. COPSY-Studie), verschiedener Sonderauswertungen der Krankenkassen, Schülerumfragen (TE berichtete) und der Aussagen zahlreicher Mediziner inzwischen ziemlich eindeutig.
Eben diese teilweise sehr schweren Krankheiten, wie Essstörungen, Depressionen, Schlafstörungen und Substanzabhängigkeiten können jetzt nicht mehr ausreichend behandelt werden, weil die Kapazitäten auf den Kinder- und Jugendpsychiatrien nur noch für akut suizidale Patienten ausreichen. Das kann für die kleinen Patienten schlimme Folgen haben. Unbehandelte Depressionen etwa bringen die Gefahr einer Chronifizierung, gravierender psychosozialer Beeinträchtigungen und der Entwicklung weiterer psychischer Störungen im Erwachsenenalter mit sich. Unbehandelte Essstörungen können Stoffwechselstörungen und Organschäden zur Folge haben. Beide Störungen können wiederum zu aktiven Selbstverletzungen und im schlimmsten Fall zur akuten Suizidgefährdung führen.
Unsere Politiker sollten sich den Appell der Kinder- und Jugendmediziner also dringend zu Herzen nehmen.