Verfassung und Verfassungswirklichkeit sind natürlich auseinander zu halten. Es schadet aber auch nicht, sie einmal direkt nebeneinander zu stellen. Das Grundgesetz stellt seit 1993 klar, dass keiner in Deutschland Asyl beantragen kann, der die Grenze über einen sicheren Drittstaat erreicht. Das ermöglicht Asylanträge eigentlich nur noch in Häfen und Flughäfen. Die Dublin-Verordnungen der EU haben diesen Rechtsbestand bestätigt. Letztlich führten aber andere Dynamiken in der EU und vor allem in der deutschen Politik dazu, dass beide Regelwerke (GG und Dublin) nun schon seit Jahren nicht mehr eingehalten werden.
Die Wirklichkeit des Jahres 2024 unterscheidet sich dabei kaum von der im Jahr 2023: Die illegalen Einreisen haben bereits wieder das Vorjahresniveau erreicht. Schon seit dem März verzeichnet die Bundespolizei steigende Zahlen, wie Bild und die Junge Freiheit berichten. Bis Ende April wurden insgesamt 27.495 illegale Einreisen festgestellt. Im letzten Jahr gab es von Januar bis April nur 27.345 illegale Einreisen. Es wurden also genau 150 illegale Einreisen mehr in diesem Jahr festgestellt. Die Asylanträge könnten diesem Trend bald folgen.
Im April stieg auch die monatliche Zahl der Asylanträge wieder an. Von Januar bis April dieses Jahres gab es bereits 92.545 Asylanträge. Rechnet man die gewöhnliche Sommer-Herbst-Rallye mit ein, dann kommt man auch dieses Jahr auf über 300.000 Asylanträge. Schon jetzt ist die Dynamik erkennbar, deren Grundlagen lange gelegt sind und von Nancy Faeser und Olaf Scholz nicht entschieden genug angegangen werden. Im Gegenteil: Ein paar Pflaster, nachlässig und verspätet verteilt, sollen helfen, stellen aber keine Verminderung der Migrationsdynamik an deutschen Grenzen her.
Zu den notdürftigen Pflastern gehören die zusätzlichen Grenzkontrollen zu Polen, Tschechien und der Schweiz, die die Innenministerin nach langer Weigerung vor nunmehr sieben Monaten eingeführt hat. Wie Manuel Ostermann, Vizechef der Deutschen Polizeigewerkschaft, der Bild sagte, führte die Bundespolizei dadurch wirklich mehr Zurückweisungen an der deutschen Grenze durch, nämlich im vergangenen Jahr 35.392 an der Zahl (2022 waren es noch 25.338, 2021 nur 12.950 Zurückweisungen gewesen).
Dennoch gelangen auch 2023 noch sehr viele illegale Einreisen. Insgesamt 127.549 wurden von der Bundespolizei festgestellt. Die Asylanträge lagen 2023 noch einmal deutlich höher, etwa dreimal so hoch bei 351.915.
CDU „mit Bauchschmerzen“ für Zurückweisungen
In den letzten drei Jahren waren September, Oktober und sogar noch der November die Monate mit den höchsten illegalen Einreisen. Die wenigsten Einreisen gab es dagegen von Januar bis April. Der Mai ist der Start in den Sommer. Bis zum Ende des Herbstes ist dann mit Steigerungen zu rechnen. Im Mai 2023 wurde die Achttausender-Grenze bei den illegalen Einreisen überschritten. Das könnte auch dieses Jahr kommen.
Übrigens: Im April hat die CDU mit laut Bild großen Bauchschmerzen des Generalsekretärs Carsten Linnemann eine Klausel beschlossen, gemäß der Asylbewerber, die aus Ländern einreisen, in denen sie genauso gut einen Asylantrag stellen können, an der Grenze abgewiesen werden sollen. Das wären alle Nachbarländer Deutschlands.
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm, erneuerte die Forderung nun aus Anlass der Zahlen: „Bis es einen funktionieren (sic) Außengrenzschutz gibt, müssen Grenzkontrollen an den Binnengrenzen möglich bleiben. Diese müssen prinzipiell mit der Zurückweisung von Personen verbunden werden, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder des Schengen-Raums bereits Aufnahme gefunden haben oder die einen Asylantrag auch in einem Staat, aus dem sie einreisen wollen, stellen können.“ Noch sind es nur Worte. Realität wird die Programmklausel damit noch lange nicht – auch nicht bei einer Regierungsübernahme der Union.