„Die Coronakrise wurde durch den Kapitalismus mitverursacht. Dieses Wirtschaftssystem hat nun endgültig ausgedient.“ Die wirre Parole stammt nicht etwa von einem Aktivisten der Querfront-Demonstrationen, auf denen sich neuerdings rechts- und linksradikale Verschwörungstheorien mischen. Sondern von Zaklin Nastic, Bundestagsabgeordneten der Linkspartei.
Die Frage, inwieweit „der Kapitalismus“ das SARS-CoV-2-Virus mitverursacht hat, äußerte sich Nastic nicht. Die Linken-Parlamentarierin ist keine Einzelstimme. Eine ganze Riege linker Politiker benutzt das Thema Corona, um dem alten Herzensanliegen vom „Systemwechsel“ Nachdruck zu verleihen. Der Versuch sollte ernst genommen werden. In der vergangenen Woche schrieb der SPD-Politiker Karl Lauterbach auf Facebook:
„Die Kosten von Weltwirtschaftskrisen werden von der Politik in und nach der Krise verteilt. Die Spielräume sind groß. Daher bestimmt die Politik, wer die Gewinner und Verlierer sein werden. … Eine Krise bietet daher auch Chancen.“
Zu den ersten Kraftproben gehört die Forderung der SPD, der Staat müsse, wenn er Steuergeld zur Rettung der vor Corona profitablen Lufthansa einsetze, das Unternehmen in Zukunft auch mitlenken. Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock forderte – wie auch andere Parteimitglieder – nach Ende des Shutdowns müssten ganz grundsätzlich Branchen und Arbeitsplätze mit staatlichen Hilfen erhalten werden, die dem grünen Nachhaltigkeitsziel entsprechen:
„Natürlich müssen wir gemeinsam daran arbeiten, dass Arbeitsplätze erhalten werden, aber diese Arbeitsplätze, diese Zulieferer, diese Industriezweige werden nicht nachhaltig sein, wenn sie nicht auch für die Klimakrise gewappnet sind. Und deswegen gilt umso mehr, die Milliarden, die jetzt investiert werden, die müssen auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sein.“
Co-Vorsitzender Robert Habeck sagte in einem ZEIT-Interview:
„Wir stehen an einer Wegscheide: Sind wir bereit, zu lernen, um insgesamt krisenfester zu werden? Oder schreiben wir eine Politik fort, die die anderen Krisen verschärft hat: die Klimakrise, die Finanz- und Euro-Krise, die Krise der Demokratie?“
Nach Vorstellung des Parteichefs Bernd Riexinger soll das oberste Prozent der wohlhabendsten Privatpersonen zehn Prozent ihres Vermögens abliefern. Auch SPD-Chefin Saskia Esken möchte ein Corona-Sonderopfer für „Reiche“ durchsetzen. Dass ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages eine solche Abgabe für verfassungswidrig hält, ficht sie nicht an: „Zwei Juristen, drei Meinungen.“ Unterstützung gibt es aus dem regierungsnahen Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): Steuerexperte Stefan Bach schlägt eine Extrabelastung der reichsten fünf Prozent vor – und geht damit sogar weiter als die Linkspartei. Dass es sich bei den Wohlhabenden meist um Mittelständler handelt, die jetzt investieren und ihre Betriebe erhalten müssten, sieht er offenbar nicht als Argument.
Nach heftigen Protesten löschte er den Tweet und beteuerte, er habe ja nur eine „Diskussion“ anregen wollen.
Bisher gibt es nur wenige Gegenstimmen aus dem Lager der Union. Auch hier halten viele offenbar die Teilung zwischen ‚Gesellschaft’ und ‚Wirtschaft’ für plausibel. Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) meinte vor kurzem, das oberste Ziel der Regierungsmaßnahmen bestehe darin, die Zahl der Corona-Infizierten zu senken: „Dahinter steht die Wirtschaft erst mal einen großen Schritt zurück.“
Die Position bestimmt offenbar auch Regierungslinie beim Lufthansa-Staatseinstieg. Bisher sprach sich auch Kanzlerin Angela Merkel nicht dafür aus, der Lufthansa ihre unternehmerische Freiheit zu lassen.
Deutliche Kritik kam bisher von FDP-Fraktionsvize Michael Theurer: „Eine Direktbeteiligung mit Stimmrechten wäre ein ordnungspolitischer Sündenfall und könnte der Auftakt für eine Verstaatlichungsorgie geben.“