Tichys Einblick
Nicht zu Ende gedacht

Lindners Vorstoß in der Zuwanderung

Im Sinne der Gleichbehandlung aller Arbeitsmigranten sollte auch Kriegsflüchtlingen ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland nicht vom deutschen Staat bezuschusst werden. Insofern ist Lindners Vorschlag noch nicht zu Ende gedacht.

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„Alle Flüchtlinge müssen zurück“ – so lautet der Titel eines Interviews mit Christian Lindner zur Zuwanderung, das in BILD erschien. Lindner führt darin aus, dass er anerkannte Kriegsflüchtlinge wieder in ihre Heimat zurückschicken möchte, „sobald die Lage es dort zulässt.“ Er verweist dabei auf die Kriegsflüchtlinge, die zu Beginn der 90er Jahre aufgrund des Balkankrieges nach Deutschland flohen und nach Kriegsende zu ca. 90 % wieder in ihre Heimat zurückkehrten. Wörtlich führt er mit Blick auf die syrischen Flüchtlinge aus: „Sie werden gefördert, bekommen Sprachkurse und Zugang zum Arbeitsmarkt, die Kinder gehen zur Schule. Aber am Ende, wenn Syrien wieder sicher ist, muss der Flüchtlingsschutz in Deutschland erlöschen. Dann sollte man sich um legalen Daueraufenthalt bewerben können. Aber wenn man unsere Kriterien nicht erfüllt, muss man gehen.“

Wiederholt sich 2015 doch?
Zuwanderung: Verkehrte Risikowahrnehmung
Das widerspricht diametral dem Mantra zur Zuwanderung aller derzeit im Bundestag vertretenen Parteien wie aber auch der Arbeitgeberverbände, der Industrie- und Handelskammern und der Gewerkschaften. Seit der faktischen Außerkraftsetzung der Dublin-III-Regeln, wird von ihnen lauthals verkündet, alle Kriegsflüchtlinge, die nach der Genfer Flüchtlingskonvention ein befristetes Bleiberecht erhalten, dürften dauerhaft in Deutschland bleiben und würden im Laufe der Zeit in sozialversicherungspflichtige Arbeit gebracht. Die Große Koalition betreibt auf diese Weise zusammen mit der Opposition und den für den Arbeitsmarkt zuständigen Verbänden Einwanderungspolitik mit Hilfe des Asylrechts.

Bislang stellte sich dem lediglich die AfD entgegen. Sie fordert eine „Minuszuwanderung“, die sich aus der konsequenten Abschiebung der mehr als 200.000 Asylbewerber ergeben soll, die kein Bleiberecht erhielten und sich trotzdem weiter im Land aufhalten. Von einer Rückführung der bleiberechtigten Kriegsflüchtlinge aus Syrien war bislang selbst bei der AfD aber keine Rede, vermutlich, weil sie dies für eine Selbstverständlichkeit hält, sobald die Fluchtgründe entfallen sollten. Die syrischen Kriegsflüchtlinge hätten nach geltender Rechtslage dann ja kein Bleiberecht mehr und müssten das Land verlassen.

FOLGEN DER ZUWANDERUNG
Der Wunschtraum von der Integration
Ist Lindners Vorstoß zur Zuwanderung nun lediglich dem Umstand geschuldet, dass er bestrebt ist, der AfD im Kampf um Platz 3 im Bundestag Wind aus den Segeln zu nehmen? Wäre dies der Fall, dann wäre der Vorstoß nicht ernst zu nehmen und würde nach der Wahl seitens der FDP vermutlich wieder in der Ablage verschwinden. Oder verbirgt sich hinter Lindners Vorstoß ein ernstzunehmender Versuch, die Flüchtlings- und Integrationsdebatte wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen? Zu wünschen wäre dies aus mehreren Gründen.

Zum einen sollte die Verletzung geltenden Rechts nicht nur bei Dublin III, sondern auch in Hinblick auf das deutsche Aufenthaltsgesetz umgehend beendet werden. Dieses sieht in der Tat nicht vor, dass Kriegsflüchtlingen pauschal in Aussicht gestellt wird, sie dürften dauerhaft in Deutschland bleiben, auch wenn ihre Fluchtgründe wieder entfallen. Dies verletzt nicht nur die Interessen der Einheimischen, sondern gaukelt auch den Zugewanderten Bleibeperspektiven vor, die keine rechtliche Basis haben und deswegen jederzeit, ja nach Lage der Dinge, widerrufen werden können.

Zum anderen ist die Frage zu klären, wie mit denjenigen bleibeberechtigten Kriegsflüchtlingen auf Dauer verfahren werden soll, die im Zeitraum ihrer Bleibeberechtigung in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vermittelt werden konnten und deswegen kein Arbeitslosengeld II (Hartz IV) mehr erhalten. Sollen auch Sie, sobald ihre Fluchtgründe entfallen, wieder in ihre Heimat zurückkehren müssen, auch wenn sie in Deutschland bleiben wollen und ihre Arbeitgeber sie nicht wieder verlieren möchten ?

Hinter dem Buch gelesen
Einwanderung oder Wanderarbeiter?
Christian Lindner plädiert dafür, diesen Immigranten Möglichkeiten eines dauerhaften Aufenthalts in Deutschland zu verschaffen, sofern sie die folgenden Kriterien erfüllen: „Sie müssen die deutsche Sprache sprechen, dürfen sich nichts zuschulden kommen lassen und müssen die Verantwortung für den Lebensunterhalt für die Familie übernehmen. Man arbeitet also und bezieht keinerlei Leistungen vom Sozialstaat.“ Er will diesen Immigranten mit Hilfe eines Einwanderungsgesetztes nach kanadischem Modell eine „legale Bleibemöglichkeit“ verschaffen. Das würden gewiß nicht nur die betroffenen Kriegsflüchtlinge, sondern auch deren deutsche Arbeitgeber begrüßen.

Einwanderer erhalten allerdings weder in Kanada noch in irgendeinem anderen Einwanderungsland eine vollumfängliche finanzielle Versorgung inclusive Krankenversicherung, wie sie Kriegsflüchtlinge in Deutschland erhalten. Deren „Spurwechsel“ in Richtung Einwanderung müsste deswegen, als weiteres Kriterium, mit einer Verpflichtung zur Rückzahlung erhaltener Sozialleistungen einhergehen. Im Sinne der Gleichbehandlung aller Arbeitsmigranten sollte auch Kriegsflüchtlingen ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland nicht vom deutschen Staat bezuschusst werden. Insofern ist Lindners Vorschlag zur Zuwanderung noch nicht zu Ende gedacht.


Roland Springer arbeitete als Führungskraft in der Autoindustrie. Er gründete im Jahr 2000 das von ihm geleitete Institut für Innovation und Management. Sein Buch Spurwechsel – Wie Flüchtlingspolitik wirklich gelingt erhalten Sie in unserem Shop www.tichyseinblick.shop

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