Leistung lohnt sich in Deutschland nicht. Ob eine Familie 3500 oder 5500 Euro im Monat brutto verdient, macht eigentlich keinen Unterschied im verfügbaren Geld. Netto bleiben den Familien bestenfalls 200 Euro mehr übrig. In manchen Fällen erhält sogar weniger ausgezahlt, wer mehr verdient. Das hat das Ifo-Institut jüngst errechnet. Für Fachkräfte ist Deutschland daher ein Standort zum Davonlaufen.
In der Pflege wirbt Deutschland gezielt Arbeitnehmer im Ausland an. Etwa in Südamerika. Doch dort hat die Pflegeausbildung ein hohes Niveau und wird entsprechend bezahlt. Nach Deutschland zu gehen – mit seinen niedrigen Nettolöhnen – ist für Fachkräfte daher uninteressant. Sie können bei ihren Familien und Freunden bleiben und dabei gut verdienen. Wer nach solchen Werbeaktionen nach Deutschland wechselt, das sind oft die schlecht ausgebildeten, die in ihrer Heimat keine Perspektive auf ein gutes Einkommen hätten. Weder netto noch brutto.
Um die gut ausgebildeten Fachkräfte anzulocken, will Finanzminister Christian Lindner (FDP) daher „Rabatte“ einführen. Das Konzept hat er vor der Hayek-Stiftung in Berlin vorgestellt. Wobei Rabatte wie schon zuvor „Sondervermögen“ oder „Zivilgesellschaft“ wieder mal nur eine Mogelpackung sind. Es geht um eine Steuersenkung. Lindner will für ausländische Fachkräfte die Steuern senken, weil sich Arbeiten in Deutschland sonst nicht lohnt.
Darin gibt ihm das Ifo-Institut grundsätzlich recht. Die hohen Steuern nehmen den Arbeitnehmern die Anreize, sich ins Zeug zu legen. Das führt dazu, dass trotz Fachkräftemangel immer mehr Deutsche immer kürzere Arbeitszeiten wollen. Was selbst „Wirtschaftsminister“ Robert Habeck (Grüne) bereits als Problem anerkannt hat. Die Logik dahinter ist klar: Wenn ich das Geld für den fünften Tag in der Woche eh nicht behalten kann, bleibe ich an diesem fünften Tag lieber zuhause und mache es mir nett.
Lindner hat recht, wenn er sagt, dass Deutschland dringend niedrigere Steuern braucht. Nur eins hat der Finanzminister dabei vergessen: Das gilt für alle. Auch für deutsche Arbeitnehmer. Mit oder ohne Migrationshintergrund. Mit oder ohne deutschen Pass. Wie stellt sich das Lindner sonst in der Realität vor? Will er zu Kollegen X gehen und sagen: Für so wenig Geld netto ist deine Arbeit unzumutbar, deswegen lassen wir deinem Kollegen Y demnächst mehr Geld übrig. Du machst aber die gleiche Arbeit für das gleiche Geld weiter. Wobei nein: Seit dem Sommer zahlst du mehr für die Pflegeversicherung, zum Jahreswechsel mehr für die Krankenkasse und in zwei Jahren mehr für die Rente. Aber sei schön fleißig, wir brauchen dein Steuergeld. Es ist schon verplant für Radwege in Peru, grüne NGOs und mein Dienstwagen fährt auch nicht mit Luft und Liebe. Schöne Ansprache. Es gibt Gründe, warum der FDP der Rauswurf aus dem Bundestag droht.
Selten hat ein Finanzminister Arbeitnehmer mit seiner Botschaft derart demotiviert wie Christian Lindner: Eure Arbeitsbedingungen sind unzumutbar, macht weiter so – sorgen tun wir uns nur um Zugezogene. Der Arbeitgeberverband Pflege hält den Vorschlag des FDP-Chefs für wenig zielführend: „Wie erklären wir dem Fachpersonal aus Magdeburg, dass sie effektiv weniger verdienen sollen als der Kollege aus Tunesien?“ Der Arbeitgeberverband fordert niedrigere Steuern für die gesamte Pflegebranche. Allerdings wären auch niedrigere Steuern für alle Arbeitnehmer eine Idee. Wenn sich Leistung für sie wieder lohnt, könnten sie mutmaßlich damit leben, auf Radwege in Peru und noch mehr grüne NGOs verzichten zu müssen.