Drei Stunden plätschert der CSU-Parteitag dahin. Die Delegierten beschäftigen sich mit zahllosen Anträgen. Dann, um 17 Uhr kommt Leben in den Saal: Auftritt Angela Merkel. Der Beifall ist freundlich, viel freundlicher als vor zwei Jahren in München, als die CSU-Basis der Kanzlerin ob der Flüchtlingspolitik zürnte und Horst Seehofer die CDU-Kollegin auf offener Bühne ziemlich rüde abkanzelte.
Vergessen und vergeben? Nicht ganz. Anders als in der Zeit vor der Flüchtlingskrise wird das Kommen der Kanzlerin nicht bejubelt. Es ist also, positiv ausgedrückt, ein ehrlicher Empfang. Aber auch ein seltsamer. Merkel erklimmt die Bühne allein, wartet am Rednerpult höflich, bis Seehofer seinen Platz in der ersten Reihe im Saal gefunden hat, und beginnt dann ihre Rede. Keine förmliche Begrüßung ist auch eine Begrüßung.
Merkel geht unbeeindruckt gleich in die Offensive: „Ob Sie‘s glauben oder nicht – ich freue mich, wieder bei Ihnen zu sein.“ Das gefällt den Delegierten, ebenso ihr Hinweis, es sei gut gewesen, dass beide Parteien um ein Regelwerk zur Begrenzung der Zuwanderung gerungen hätten. Das war‘s dann mit der Vergangenheitsbewältigung. Der Parteitag scheint irgendwie erfreut – und erleichtert.
Dann schwenkt Merkel geschickt in den modifizierten Wahlkampfmodus und bekommt Beifall, wenn sie gegen die von der SPD geforderte Einheitskasse alias Bürgerversicherung zu Felde zieht, sich für eine Ankurbelung des Wohnungsbaus ausspricht, den Mittelstand stärken will, eine deutliche Verbesserung der Pflege einschließlich Hilfe für die Pflegenden in Aussicht stellt oder die Politik der CSU auf dem Gebiet der inneren Sicherheit in höchsten Tönen lobt. Bewährtes Unions-Terrain also – mit Beifall-Garantie.
Merkel ist gut in Form und witzig, zeichnet ihr Idealbild von der CSU: Teil der Union, aber prägend Kraft in Bayern. Ihr Verhältnis zu Horst Seehofer charakterisiert sie auf ironische Weise – ungeachtet vergangener und künftiger Reibereien – unter dem Jubel des CSU-Volks so: „Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht.“ Nach 25 Minuten hofft sie zum Schluss auf „weitere gute Zusammenarbeit“. Dafür gibt‘s knapp fünf Minuten Beifall – von einem Teil der Delegierten sogar im Stehen.
Dann geht’s weiter wie vor zwei Jahren in München: Seehofer doziert und Merkel muss im Stehen zuhören. Nur dieses Mal ist es doch anders: Der CSU-Vorsitzende preist die Union („geschlossen, erfolgreich, einzigartig“) und dankt der lieben Angela. Die nimmt’s erfreut zur Kenntnis. Zumal Seehofer sie – anders als bei seiner Philippika vor zwei Jahren – nicht 13 Minuten stehen läßt sondern nur etwa 6 Minuten.
Nach Merkels Kurz-Auftritt arbeitet der Parteitag pflichtschuldig, aber eher lustlos das dicke Antragsbuch ab. Der spektakulärste Beschluss: CDU-Mitglieder außerhalb Bayerns dürfen gleichzeitig bei der CSU Mitglied werden. Mag die CSU auch gegen den Doppelpass sein: Doppelmitgliedschaft in den Unionsparteien ist künftig möglich und willkommen. Die CSU-Spitze hatte das nicht gewollt, aus Sorge, jetzt könnten Doppel-Mitglieder nördlich des Mains CSU-Freundeskreise gründen. Aber die CSU- Basis wollte genau das. Man weiß ja nie, wie lange die neu aufgeflammte Liebe zwischen München und Berlin vielleicht doch wieder mal bricht.