Tichys Einblick
Immer mehr Haftstrafen

Wie die Letzte Generation die Polizei instrumentalisieren will

Die Letzte Generation sucht Unterstützung von Polizisten für einen Brief an den Bundeskanzler. Es liest sich wie eine apokalyptische Vision der Zukunft – aber auch anders versucht die Letzte Generation die Polizei für sich zu gewinnen.

IMAGO

Die Letzte Generation will sich die Polizei zu eigen machen. Anders als bisherige politische Bewegungen sucht sie nicht etwa den Konflikt mit der Staatsmacht: sondern diese für sich zu nutzen. Nun veröffentlichte die Letzte Generation einen Aufruf, dem sich ausdrücklich Polizisten anschließen sollen. Dieser Aufruf in Form eines Briefes behauptet, die Polizei sei ganz besonders von den Folgen des Klimawandels betroffen.

Denn die Polizei sei es, die von „zunehmender sozialer Eskalation infolge der Klimakatastrophe“ und einer folgenden „Instrumentalisierung der Polizei“ betroffen sei. Außerdem befürchten die Unterzeichner, „dass wir an den Außen- und Binnengrenzen in Zukunft Situationen ausgesetzt sein werden, die unsere Erinnerungen an die Flüchtendenkrise von 2015 um ein Vielfaches übersteigen könnten. Bereits damals wurden menschenunwürdige Verfahren, gesetzeswidrige Pushbacks und zweifelhaftes Vorgehen von polizeilichen Institutionen durch Menschenrechtsorganisationen wie dem UN-Flüchtlingshilfswerk stark kritisiert.“

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Und weiter: „… in Folge von Trinkwasser- und Nahrungsmittelrationierungen zwischen Menschen vermitteln zu müssen, die sich um Wasser und Nahrung streiten. Konflikte, welche uns und unsere Familien nach dem Dienst selbst betreffen können.“

Schlussendlich fordern die Polizisten, der Klimakrise „in jeder Hinsicht angemessen zu begegnen“. Was ein „angemessenes Begegnen“ ausmacht, lassen sie offen. Polizisten sollen diesen Aufruf unterschreiben, damit er im September an Olaf Scholz überreicht werden kann. Gleichzeitig verspricht die Letzte Generation, dass die Unterzeichner nicht namentlich genannt werden. Wie sichergestellt wird, dass es sich tatsächlich um Polizisten handelt, die den Aufruf unterschreiben, lässt die Letzte Generation in ihrem Aufruf auf der Website offen. Der Brief liest sich wie eine apokalyptische Verkündung: Ändert euer Leben, sonst droht uns allen der Untergang. Und die Leidtragenden sind vor allem diejenigen, die die Letzte Generation gerade umwirbt, also in diesem Fall die Polizei.

Arbeitsgruppe "Polizeivernetzung"
Rund 100 Polizisten unterstützen die „Letzte Generation“ – und es sollen noch mehr werden
Die Letzte Generation arbeitet gezielt daran, sich in die Polizei hinein zu vernetzen. Mehrere Polizisten sind schon öffentlich als Mitglieder in Erscheinung getreten. So zum Beispiel Chiara Malz, die von t-online interviewt wurde. Diese Polizisten beteiligen sich auch an den Protesten: Malz zum Beispiel hat sich nicht an eine Straße geklebt oder protestiert – das würde möglicherweise ihre Stelle gefährden. Stattdessen koordiniert sie die „Vernetzung mit der Polizei“, unterstützt die Proteste in Berlin, indem sie für angereiste Klimakleber Essen kocht.

Vertreter der Letzten Generation halten auch an Polizeihochschulen Vorträge. „Die Dialogveranstaltung zwischen Vertreter:innen der Letzten Generation und Masterstudierenden der Deutschen Hochschule der Polizei im Rahmen einer Wahlpflichtveranstaltung im Studiengang war geprägt von gegenseitigem Austausch und Rollenverständnis. Wenngleich die LG-Unterstützenden ausdrücklich als Privatpersonen für den Vernetzungsbereich der Letzten Generation mit der Polizei referierten, wurde positiv und wertschätzend aufgenommen, dass es sich bei einigen von ihnen um Polizist:innen handelte“, schreibt die Letzte Generation zu einem Vortrag in Münster auf ihrer Website.

Doch ganz ohne Konflikte mit der Staatsmacht geht es nicht. Während in Ländern wie Berlin die Polizei oft die Klimakleber zu schützen scheint, ist es in Bayern anders. Hier gehen Polizei und Gerichte härter vor. Im berühmten Gefängnis Stadelheim sitzen zurzeit 14 Mitglieder der Gruppe ein. Sie wurden in Präventivhaft genommen. Diese kann in Bayern bis zu 30 Tage andauern. Die Letzte Generation veröffentlichte eine Liste dieser Personen:

Bis zum 30.9.2023 in Haft:

Bis zum 12.9.2023 in Haft:

Bis zum 10.9.2023 in Haft:

In Heilbronn wurden Ende Juli vier Klimakleber zu Haftstrafen zwischen drei und fünf Monaten verurteilt. Nur in einem Fall wurde die Haft auf Bewährung ausgesetzt. Die Strafen waren wohl vergleichsweise hart, weil die Verurteilten vom selben Gericht zu Geldstrafen verurteilt wurden – nur um sich unmittelbar nach der Haft noch einmal auf die Straße zu kleben. Das Gericht Heilbronn verurteilte bereits im März aus ähnlichen Gründen zwei Extremisten zu mehreren Monaten Haft.

Die transsexuelle Penelope Frank muss in Berlin in Haft, da sie die Schadensersatzforderungen infolge einer Blockade des Berliner Flughafens nicht begleichen kann. Um sie entzündete sich eine Kontroverse, als sie verlangte, in ein Frauengefängnis eingewiesen zu werden. Die Berliner Verwaltung gab dem nach. Tichys Einblick berichtete. Eine weitere Person, Maria W., wurde in Berlin für Straßenblockaden und das Festkleben am Rahmen eines Kunstwerks schon im März zu Haft verurteilt.

Die wohl bekanntesten Mitglieder der Gruppe sind Aimée van Baalen und Carla Hinrichs. Van Baalen wurde 2022 mehrfach in Gewahrsam genommen, in einem Fall für 13 Tage. Nach Kenntnis der Redaktion wurde sie aber nie zu einer Haftstrafe verurteilt. Carla Hinrichs wurde im März zu zwei Monaten Haft verurteilt, diese wurde aber auf Bewährung ausgesetzt. Im Mai klebte sie dann wieder auf der Straße. Die Bewährung könnte daher widerrufen werden. Bisher ist das aber noch nicht geschehen.

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