Eilmeldung. Pressekonferenz mit Karl Lauterbach (SPD) heute um 11.45 Uhr. Ohne Angaben von Themen. Das muss wichtig sein. Ohne Not würde ein Bundesminister nicht so ad hoc eine Pressekonferenz einberufen. Also kommen alle hin, Phoenix berichtet live – unterbricht dafür eine lange vorher angemeldete Pressekonferenz mit Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Der Nachrichtensender weiß auch nicht, um was es geht. Vermutlich Corona, heißt es in der Anmoderation.
Anders als die „Revolution im Krankenhaus“ hat die „absolute Killervariante“ Lauterbach noch Schlagzeilen gebracht. Gar nicht so lange her. Ostern war es, als der Minister angstgestörten Menschen ein Geschenk für die Feiertage mitgab. Doch das Corona-Thema verblasst: Nur noch 18 Prozent der Deutschen fürchten eine Covid-19-Erkrankung. Das hat eine repräsentative Langzeit-Studie ergeben, die Forsa im Auftrag der DAK-Gesundheit durchgeführt hat. Vor einer Erkrankung mit Krebs fürchten sich nach der gleichen Studie 72 Prozent der Deutschen.
Karl Lauterbach ist in diesen Tagen wie ein Rockstar, der weiß, dass er dringend ein neues Erfolgsalbum braucht. Aber wenn ihn überhaupt einer hören will, dann mit seinen alten Liedern. Im Morgenmagazin des ZDF darf er noch mal eine Winterwelle ankündigen. In der Pressekonferenz spricht Lauterbach von sich aus Corona nicht an. Doch in den Nachfragen will eine Journalistin wissen, ob der Minister dafür sei, Maßnahmen zu streichen. Das ist er erwartbar nicht. Aber er führt einen zunehmend aussichtsloseren Abwehrkampf. Letztlich bleibt ihm bei einstigen Erfolgen nur, auf das Datum zu pochen, an dem sie von sich aus ablaufen. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht zum Jahreswechsel, das Infektionsschutzgesetz im April. Dann wird es ein Jahr her sein, dass Lauterbach einen zweiten Anlauf bei der allgemeinen Impfpflicht angekündigt hat. Eine Ankündigung, die heute wie ein Relikt aus einer untergegangenen Zeit wirkt.
Wäre Lauterbach bescheidener, sachorientierter, dann könnte er durchaus Zwischenerfolge feiern. So hat der Minister dafür gesorgt, dass die steigenden Energiekosten der Kliniken voll aus dem „Doppelwumms“-Paket des Kanzlers bezahlt werden sollen. Setzt die Regierung das tatsächlich so um wie angekündigt, könnte das eine Schließungswelle der Krankenhäuser durchaus bremsen. Es ist bezeichnend für den Utopisten Lauterbach, dass er seinen größten konkreten Erfolg der jüngsten Zeit kaum öffentlich zelebriert hat. Er hetzt weiter. Zur „Revolution der Krankenhäuser“.
Lauterbachs Plan: In den Krankenhäusern sollen die Fallpauschalen abgeschafft werden. Damit wäre alles wieder so wie in der Zeit von Kanzler Helmut Kohl (CDU). Also plant Lauterbach eher eine Konterrevolution. Fallpauschale heißt: Ein Krankenhaus rechnet nicht alle tatsächlich am Patienten erbrachten Leistungen ab, sondern erhält eine Pauschale je nach Krankheit. Arbeiten die Ärzte günstiger, machen sie Gewinn – macht ein Patient mehr Aufwand, bleibt das Krankenhaus auf den Kosten sitzen. Das setze Fehlanreize in der Behandlung, sagt Lauterbach. Durchaus zurecht.
Lauterbach formuliert derzeit nur Ziele: Patienten sollen eine ausgiebige, fachkundige Behandlung erhalten. Die Ärzte sollen keinen nötigen Griff auslassen und keinen unnötigen tätigen. Der Patient erhält die perfekte Behandlung und Krankenhäuser arbeiten dabei viel günstiger als heute. Soweit die Theorie. Das Problem dabei ist, Regeln zu schaffen, die Häuser strukturieren. Die nicht nur in der Phantasie des Genies bestehen, sondern vor Ort den Montag so klar regeln wie den Dienstag und Mittwoch, ohne dass ein Angestellter darüber groß nachdenken muss. Was für Lauterbach heute eine Revolution ist, könnte so schon bald noch eine weitere gescheiterte Reform sein.
Doch der einstige Medienstar setzt nicht auf das Thema allein. Zusammen mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will Lauterbach ein Vergaberecht durchsetzen, nach dem medizinische Mittel nicht alleine nach dem günstigsten Preis ausgesucht werden sollen – sondern auch nach Aspekten wie Versorgungssicherheit. Europaweit soll gelten, was Habeck und Lauterbach noch erarbeiten wollen.
Und zum Thema Cannabis-Legalisierung gibt es jetzt ein Gutachten. Also doch eine Nachricht, die eine Eil-Pressekonferenz rechtfertigt? Nun. Lauterbach will das Gutachten jetzt in Auftrag geben. Um an der medialen Sonne zu bleiben, muss der Minister sich so dramatisch inszenieren, wie er es tut. Hätte er die Nachricht „Auftrag für ein Gutachten geplant“ nicht in einer Pressekonferenz verkündet, sondern als Pressemitteilung verschickt, wäre sie bei nahezu allen Journalisten im Mülleimer gelandet. Lauterbach ist wie ein alternder Rockstar, der in der Limousine ins Konzert fahren muss, damit die Fans ihn noch als glamourös wahrnehmen.