Allmählich klären sich die Methoden von Karl Lauterbach (SPD): Wenn der Gesundheitsminister Studien zitiert und ihren Namen nennt, dann hat er sie gelesen und darin tatsächlich etwas gefunden, was seinen Interessen entspricht. Sagt er nur „… wie auch Studien belegen… “ und nuschelt das schnell weg, dann quatscht er sich gerade einfach nur aus einem Widerspruch raus. Der Gesundheitsminister hat Studien gesagt. Das hat den deutschen Journalisten lange als Beweisführung genügt – einer großen Mehrheit tut es das immer noch. Aber es werden mehr, die Fragen stellen.
Sogar aus dem ZDF kommen mittlerweile die Fragestellerinnen. Karl Lauterbach hat sich die Spiegel-Kolumnistin Margarete Stokowski als Stütze mit in die Pressekonferenz genommen, in der er seine neue Impfkampagne vorstellen will. Sie hat nach eigenen Aussagen Long Covid und soll als Abschreckung dienen, zu welch schlimmen Folgen eine Corona-Infektion führen kann. Stokowski sei vor der Infektion dreimal geimpft gewesen und habe sich freiwillig an Regeln gehalten, etwa das Maskentragen. Wieso, will die ZDF-Journalistin wissen, habe sich Stokowski dann doch infiziert? Mit den aufgeführten negativen Folgen? Das wisse sie nicht, räumt Stokowski ein. Sie glaube aber trotzdem, dass Impfung und Maske ihr geholfen hätten. Glauben. Ein immer wichtigeres Wort im Zusammenhang mit der Pandemie. Später sagt Lauterbach, Studien zeigten, dass Impfungen auch vor Infektionen geschützt hätten. Es sind die Studien, die er nicht namentlich nennt und hastig wegnuschelt.
Lauterbach mobilisiert wieder. Die Kampagne ist eine gute Gelegenheit, weitere 32 Millionen Euro an Medien zu verteilen, die im Sinne des Gesundheitsministers berichtet haben. Vielleicht sind es sogar knapp 80 Millionen Euro, das muss noch geklärt werden. Das Geld geht jedenfalls an Medien, die nicht kritisch hinterfragt haben, wenn er wie jetzt wieder eine Maskenpflicht in Innenräumen fordert. Die ebenso bereitwillig den Chor an Vorfeldorganisationen auftreten lassen, der das fordert, was auch Lauterbach vorschlägt. Wie ein Wunder tut der Chor das immer, kurz bevor es der Gesundheitsminister fordert.
Zum Beispiel der Marburger Bund. Dessen ehemaliger Vorsitzender und Welt-Ärzte-Führer Frank Ulrich Montgomery war einer der glühendsten Vertreter der Regierungspolitik. Dabei pöbelte er verbal gerne mal wie ein Frankfurter Türsteher oder ukrainischer Botschafter. Nun schickt der Ärztebund die gemäßigte Vorsitzende Susanne Johna vor, die in der Tagesschau erklärt: „Überall dort, wo die Inzidenzen jetzt durch die Decke gehen, müssen die Länder mit einer FFP2-Maskenpflicht im ÖPNV und in öffentlich zugänglichen Innenräumen reagieren.“ Dazu zitiert die Tagesschau noch einen Epidemiologen aus der sozialdemokratischen Hochburg Bremen. Hajo Zeeb sagt. „Die Empfehlung oder die Pflicht zum Tragen von Masken werden wir in wenigen Wochen wieder brauchen.“
Eine Gegenstimme kommt in dem Beitrag der Tagesschau nicht vor. Die Tagesschau ist gegen „false balance“. Das heißt auf Deutsch Ausgewogenheit. Aber das ARD-Flaggschiff bevorzugt den englischen Begriff. Wir sind gegen Ausgewogenheit, klingt auch blöd. Lauterbach kommt ebenfalls zu Wort. Er gehört für die Tagesschau zur richtigen Balance. Er fordert die Länder auf, sie sollen die Maskenpflicht jetzt umsetzen, die er ihnen zusammen mit Justizminister Marco Buschmann (FDP) ermöglicht hat. Der hatte gesagt, es gebe Vorhängeschlösser, die solche Maßnahmen noch verhindern könnten. Seit Lauterbach die Schlösser knackt, schweigt Buschmann beharrlich.
Die Länder tun wie befohlen. Zumindest die sozialdemokratischen. Berlin hat angekündigt, die Maskenpflicht in öffentlichen Räumen wieder einführen zu wollen. Zum Beispiel in Geschäften. Freiwillig tragen kann die Maske dort jetzt schon jeder. Doch ein Einkaufsbummel durch die Hauptstadt – an einem munteren Samstagmorgen – zeigt: Die Berliner ziehen nicht mit. Kommt die Pflicht, wird sich die Mehrheit dem wohl beugen. Freiwillig trägt höchstens einer von fünf die Maske. In S- und U-Bahn ist die Maske vorgeschrieben. Und selbst dort weigern sich nach eigener Beobachtung zwischen zehn und 20 Prozent der Fahrgäste, sie aufzuziehen.
Auch impfmüde sind die Deutschen geworden. Nicht mal jeder Dritte aus der Risikogruppe der Über-60-Jährigen hat sich laut Radio Berlin die vierte Impfung innerhalb von weniger als zwei Jahren geben lassen. Auch nicht, obwohl die vierte Impfung als „zweite Auffrischimpfung“ kleingerechnet wird. Lauterbach hat für die Ärzte mehr Impfdosen gekauft, als die spritzen können. Die warten auf das Zusatzgeschäft. Doch der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Markus Beier, stellt resigniert gegenüber dem RND fest: „Spätestens jetzt sollte die Impfquote in die Höhe schießen – tut sie aber leider nicht.“
Allerdings sollte sich Lauterbach in der PR nicht übernehmen, sich für nur eine Botschaft pro Pressekonferenz entscheiden. Gleichzeitig fürs Impfen zu werben und dann die mehrfach geimpfte Stokowski als Beispiel für irdisches Elend zu präsentieren – da fressen sich die Botschaften gegenseitig auf. Egal wie oft und schnell Lauterbach Studien nuschelt. Jeder Glaube stößt halt irgendwann an seine Grenzen.
Zumal Zahlen Lauterbach mitunter in Frage stellen. 32 Millionen Euro koste die Kampagne, hat der Minister in der Pressekonferenz gesagt. Eine Anfrage der AfD hat ergeben, dass sein Haus tatsächlich knapp 80 Millionen Euro für diese Kampagne vorgesehen hat. Über das Wochenende gab es keine Gelegenheit, diesen Widerspruch aufzuklären. TE reicht die Frage ans Ministerium ein. Vielleicht lautet die Antwort irgendwas mit Studien – sehr schnell weggenuschelt.