Tichys Einblick
"Scheinreformen" und "Vage Ankündigungen"

Führende Gesundheitsverbände stellen Karl Lauterbach schlechtes Zeugnis aus

Schlechtes Management, Verachtung der Patienten, vage Ankündigungen, Boykott von Gesprächsangeboten, Fachkräftemangel und Scheinreformen – gleich vier der führenden Gesundheitsorganisationen rechnen mit Karl Lauterbach ab. Der zeigt nicht nur in diesem Fall eine schlechte Figur.

IMAGO / Political-Moments

Der Bundesgesundheitsminister treibt die führenden Gesundheitsorganisationen auf die Barrikaden. In Berlin stellten die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV), die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Apothekerverband (ABDA) ihre gesundheitspolitische Bilanz vor. Sie fiel für Karl Lauterbach (SPD) vernichtend aus.

Die Vertreter kritisierten „inhaltliche Schwachpunkte“ bei den Gesetzesentwürfen und „mangelnden Respekt“, den der Minister der Selbstverwaltung und damit den Patienten entgegenbringe. Er bezeichnete die Organisationen als „Lobbygruppen“ und verweigerte Gespräche mit ihnen. Lauterbach sei bisher vor allem durch „größtenteils vage, öffentliche Ankündigungen“ aufgefallen.

„Konkrete politische Umsetzungen“ seien dann „entweder gar nicht, halbherzig oder extrem verspätet“ erfolgt. Mit Nachdruck habe Lauterbach zu Beginn seiner Amtszeit beispielsweise angekündigt, dass es mit ihm keine Leistungskürzungen geben werde. De facto führten seine politischen Entscheidungen aber dazu, dass die Patienten immer weniger Leistungen an weniger Standorten erhalten würden bzw. bereits erhalten, so die Verbände.

Die KBV, KZBV, DKG und ABDA forderten Lauterbach und die Ampel-Koalition dazu auf, „die Versorgung der Patienten wieder in den Fokus zu nehmen“. Nötig seien „nachhaltige Reformen“, die die bestehenden Versorgungsstrukturen stärkten. Es gebe dazu „konstruktive Gestaltungsvorschläge“, die Lauterbach „schon seit Monaten“ bekannt seien. Die Stimmung der Leistungserbringer sei derzeit „auf einem absoluten Tiefpunkt“, hieß es weiter. Sie stießen an ihre Grenzen und könnten die Versorgung, wie die Patienten sie bisher gewohnt waren, nicht mehr länger leisten.

Die Organisationen riefen Lauterbach auf, „endlich in den Dialog mit denjenigen zu treten, die die Versorgung täglich gestalten“. Sie drohten zudem damit, die Mitarbeiter im Gesundheitswesen und die breite Öffentlichkeit „auf unterschiedlichen Kanälen verstärkt über die verheerenden Folgen dieser Politik für die Versorgung von rund 84 Millionen Patienten in Deutschland“ aufklären zu wollen, falls ein „Kurswechsel“ ausbleiben sollte.

Vertreter aller vier Organisationen hoben am Donnerstag zudem einzelne Schwerpunkte hervor, in denen es Probleme gebe. So sei die große Krankenhausstrukturreform vonseiten des Ministeriums „so schlecht gemanagt“ worden, „dass man praktisch von einem Scheitern sprechen muss“, sagte Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der DKG. Stand heute liege noch nicht einmal ein abgestimmter Referentenentwurf für ein mittlerweile nur noch nicht zustimmungspflichtiges Gesetz vor. Insgesamt sprach Gaß von einer „desaströsen Bilanz nach zweieinhalb Jahren Regierungszeit“.

Der Vorstandsvorsitzende der KBV, Andreas Gassen, sagte derweil, dass sich aktuell fast alle Gesetzesentwürfe aus dem Hause Lauterbach als „viel zu kompliziert, nicht zu Ende gedacht und mit kaum absehbaren gewaltigen Folgen“ beschreiben ließen. Martin Hendges, Vorstandsvorsitzender der KZBV, ergänzte, dass eine flächendeckende zahnärztliche Versorgung, wie es sie bislang gab, „unter den desaströsen politischen Rahmenbedingungen kaum noch zu gewährleisten“ sei.

Und Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der ABDA, beklagte, dass die Apothekenzahl sich seit Jahren im Sinkflug befinde. Patienten müssten immer weitere Wege zu ihrer Apotheke zurücklegen. „Auch in diesem Jahr führen die politisch verursachten Probleme zu massiven Belastungen“, so Overwiening. Die Apothekenteams lösten die unzähligen Lieferengpässe und unterstützten die Menschen beim holprigen Start des E-Rezepts. „Das alles übernehmen die Apotheken trotz zehrenden Fachkräftemangels.“ Lauterbach kündige derweil nur „Scheinreformen“ an, statt die wohnortnahe Versorgung zu stabilisieren, so die Apothekerverband-Chefin.

Bereits Ende März war der Kassenarztchef Gassen damit aufgefallen, dass er eine Aufarbeitung der Corona-Politik forderte. „Es ist richtig und längst überfällig, eine Kommission zur Aufarbeitung der Corona-Politik einzurichten.“ Es gehe nicht um Schuldzuweisungen, sondern ums Lernen. Es müsse geprüft werden, welche Maßnahmen gewirkt und welche Schaden angerichtet hätten. „Das muss unser aller Interesse sein.“

Lauterbach hatte auch in dieser Sache Transparenz angekündigt. Die RKI-Protokolle, die offengelegt werden sollten, sind aber weiterhin geschwärzt. Lauterbach hatte zudem gesagt, bis Ende März sollte eine RKI-Studie, die das Agieren der Bundesregierung in der Corona-Zeit offenlegte, der Öffentlichkeit zugänglich sein. Fachleute hatten diese Studie kritisiert, weil Basis und Modelle, welche die Regierungspolitik positiv bewerten sollten, nicht zugänglich waren.

Anzeige
Die mobile Version verlassen