Tichys Einblick
Der Minister will dem Parlament "zuarbeiten"

Lauterbach erklärt sich „neutral“: kein Entwurf eines Impfpflicht-Gesetzes

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach traut sich und seinem Ministerium offenbar kein sorgfältiges Impfpflicht-Gesetz zu. Er und sein Kanzler wollen die Impfpflicht, aber worin sie bestehen soll, wissen sie nicht zu sagen.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Bundestag am 15.12.2021

IMAGO / Political-Moments

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wird keinen eigenen Vorschlag für eine allgemeine Impfpflicht machen, so meldet der Spiegel nach einem Gespräch mit ihm. Es ist ein höchst unüblicher Vorgang, dass ein Minister ein zentrales politisches Projekt in seinem Zuständigkeitsbereich zwar lautstark einfordert, aber sein Ministerium dazu keinen Gesetzentwurf ausarbeiten lässt, sondern solche aus dem Bundestag erwartet. Dass ein Minister dies außerdem mit einer angeblich gebotenen „Neutralität“ begründet und das berichtende Medium, also der Spiegel, dies mit dem Verb „verzichten“ beschreibt, ist wohl ebenso neuartig. 

„Anträge, die mich überzeugen, werde ich dabei genauso mit Zuarbeiten unterstützen wie andere Anträge“, sagte Lauterbach laut Spiegel. Diese „Neutralität“ sei wichtig, „um die Hilfe des Bundesgesundheitsministeriums gleichermaßen allen Abgeordneten anbieten zu können“, so Lauterbach. 

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Lauterbachs „Verzicht“ passt auch zum Auftritt seines Parteifreundes Bundeskanzler Olaf Scholz in der Regierungsbefragung am Mittwoch. Der hatte zwar seine Befürwortung bekräftigt, kann aber bis heute keinen Zeitplan zu einem Gesetz aufzeigen und konnte auch keine einigermaßen konkreten Vorstellungen über die von ihm gewünschte allgemeine Impfpflicht äußern. Man will also unbedingt in der Bundesregierung, behauptet das zumindest, weiß aber nicht genau, was man will.

Lauterbach, der sonst stets Corona-Wellen zu brechen forderte, gestand nun auch dem Spiegel, dass die Impfpflicht für die aktuelle Omikron-Welle ohnehin zu spät kommen werde. Tatsächlich ist damit allein wegen des Terminkalenders des Bundestages kaum vor dem Juni zu rechnen. Gleichzeitig behauptet Lauterbach aber gegenüber dem Spiegel, die „Durchseuchung mit Omikron“ ersetze keine Impfpflicht. Auf sein selbsterfundenes Narrativ der „schmutzigen Impfung“ für diese Durchseuchung verzichtete er diesmal aber.

Nun soll also offenbar die (saubere) Impfpflicht noch zusätzlich und nachträglich zur offenbar als unvermeidbar hingenommenen („schmutzigen“) Omikron-Durchseuchung stattfinden: „Wir wollen verhindern, dass wir im Herbst erneut vor einer Coronawelle stehen“. Es gehe darum, so Lauterbach, nicht um Geschwindigkeit, sondern um Sorgfalt. Aber offenbar überlässt er die Sorgfalt lieber anderen als den Gesundheitspolitikexperten seines eigenen Ministeriums.

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Nun sollen also Abgeordnete ohne Fraktionszwang eigene Anträge vorlegen, nach ausführlicher Debatte soll dann das Gesetz in freier Abstimmung beschlossen werden. Was Lauterbach Neutralität nennt, ist in einem parlamentarischen Regierungssystem, in dem die Regierung aus einer Parlamentsmehrheit hervorgeht, der eine Opposition gegenübersteht, aber eigentlich nicht vorgesehen. Man könnte das auch als eine Flucht aus der Verantwortung interpretieren: Die Verantwortung für das, was irgendwann einmal als Impfpflicht für alle herauskommen wird, soll jedenfalls nicht bei der Bundesregierung liegen, sondern auf möglichst vielen Schultern, nämlich denen aller Abgeordneten, verteilt und damit zur Unkenntlichkeit verdünnt werden. 

Offenbar erwarten Scholz und Lauterbach selbst nicht, dass die Impfpflicht als große Heldentat in die Geschichte der Ampel-Koalition eingehen wird. Andererseits traut man sich offensichtlich aber auch keine Korrektur der seit Monaten geäußerten Impfpflicht-Bekenntnisse zu. Da empfiehlt sich eben wohlwollende „Neutralität“.

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