Tichys Einblick
"anderes zu tun"

Absurdes Interview: Wie Lauterbach erklärt, warum im Ausland keine Impfpflicht kommt

Außerhalb Deutschlands und Österreichs ist in Europa kaum noch von einer allgemeinen Impfpflicht die Rede. Nach Ansicht von Deutschlands Gesundheitsminister haben die Politiker dort gerade wegen Omikron "anderes zu tun".

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf der Regierungsbank des Deutschen Bundestages, 15.12.2021

IMAGO / Future Image

Karl Lauterbach beginnt das Interview mit einem Glanzstück absurder politischer Kommunikation. Die Welt am Sonntag konfrontiert den Gesundheitsminister mit seiner Prophezeiung von Dezember, dass mehrere Länder in Europa bald eine Impfpflicht einführen würden. Lauterbachs erste Satz ist noch banal bis einleuchtend: „Die Omikron-Variante hat die Situation für viele europäische Länder verändert.“ Doch dann kommt ein Satz, der sprachlos macht, was womöglich auch Lauterbachs Kommunikationsziel dabei ist: „Die Fallzahlentwicklung ist so katastrophal, dass die Staaten gerade anderes zu tun haben, als über die Impfpflicht zu debattieren. Das kann ich gut verstehen.“ Er sei sich aber sicher, dass die Debatte in diesen Ländern zurückkommen wird.

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Leider kommt dazu keine Nachfrage. Wir müssen also selbst Schlussfolgerungen über die Gedankengänge des Karl Lauterbach anstellen: Offenbar will er sagen, die Politik in Dänemark oder Frankreich oder Großbritannien muss erst Omikron mit allen verfügbaren Kräften klein halten, um dann Zeit für eine Impfpflicht-Debatte zu haben. Aber ist die Impfung nicht nach Lauterbachs stets und auch in diesem Interview geäußerter Ansicht die wichtigste Waffe gegen Omikron? Haben die nicht-deutschen Gesundheitspolitiker das also vergessen? Sind die Deutschen und ihr Gesundheitsminister so viel klüger als all die anderen, die mit Omikron überfordert sind?

Passt alles nicht so recht logisch zusammen: In anderen Ländern sei Omikron ein Anlass, nicht mehr über die Impfpflicht zu reden, und Lauterbach hat Verständnis dafür. Doch bei uns ist Lauterbach zufolge Omikron trotz des geringeren Risikos einer schweren Erkrankung ein Grund für die Impfpflicht, denn, wie Lauterbach gleich mit seinem auch schon andernorts genannten, offenbar neuen Lieblingsnarrativ behauptet, Omikron sei sonst „eine schmutzige Impfung durch die Hintertür“.

„Eine Omikron-Infektion macht nicht zwingend immun vor der nächsten Virusvariante. Der Glaube, dass die Omikron-Variante das Ende der Pandemie ist, ist naiv“, sagt er. Aber die „saubere“ Impfung macht bekanntlich auch nicht sicher immun, sondern mindert nur deren Wahrscheinlichkeit und das Risiko eines schweren Verlaufs.

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Leider fehlt an dieser Stelle und an einer anderen, als er sagt: „Es ist nicht vorbei“, wieder die entscheidende Nachfrage in Lauterbach-Interviews, die auch die Pressestelle seines Ministeriums auf eine TE-Anfrage hin nicht beantwortete: Was wäre denn das Ende der Pandemie? 

Immerhin kommt von der WamS aber eine entscheidende Frage, nämlich zu wie vielen Impfungen eine Impfpflicht verpflichten müsste. Lauterbachs Antwort: „Das kommt darauf an, welche Varianten sich noch entwickeln.“ Auch auf die wiederholte Nachfrage zu konkreten Bundestagsanträgen – „Wieviele verpflichtende Dosen sollten dort formuliert werden“ – kommt nur eine Ausflucht, der man anmerkt, dass sie vermutlich in der nachträglichen Autorisierung des Interviews pressearbeitsmäßig-nichtssagend ausformuliert wurde: „Ziel muss sein, bei der Impfpflicht nach bestem medizinisch-wissenschaftlichem Sachverstand vorzugehen, um die Bürger vor allen drohenden Varianten zu schützen.“ 

Immerhin hat Lauterbach mit diesen Nicht-Antworten ein entscheidendes Argument dafür bestätigt, dass es wohl schließlich auch in Deutschland nicht zu einer allgemeinen Impfpflicht gegen Corona kommen wird: Es ist nicht nur juristisch zweifelhaft, sondern auch politisch kaum umsetzbar, Bürgern eine gesetzliche Pflicht zum Schutz vor etwas vorzuschreiben, das es noch gar nicht gibt. 

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