Tichys Einblick
Bauern wehren sich

Landwirte klagen gegen Düngeverordnung

Die Methode ähnelt derjenigen beim Dieselkandal: NGOs und ihre Verbündeten in Ministerium und Umweltbundesamt täuschen mit manipulierten Daten eine Dramatik vor, die so nicht existiert und begründen damit einschneidende Aktionen.

Landwirte demonstrieren am Donnerstag (28.05.2020) vor dem Ministerium für Wirtschaft in Saarbrücken. Wie in ganz Deutschland fordern sie den Rücktritt von Bundesministerin Svenja Schulze und Staatssekretär Jochen Flasbarth

imago images / Becker&Bredel

Mit zwielichtigen Tricks und unter Ausnutzung der Coronakrise wurde die neue Düngeverordnung beschlossen. Der überrumpelte Bundesrat winkte am 27. März 2020 eine der weitreichendsten Entscheidungen mit umfassenden staatlichen Einschnitten in die deutsche Landwirtschaft durch.

TE berichtete:

Doch noch ist längst nicht sicher, ob sie auch Bestand haben wird. Denn die Bauern sind entsetzt, in den Verbänden rumpelt es gewaltig und viele Landwirte haben eine Reihe von Klagen gegen die einschneidenden Maßnahmen initiiert und wollen bis zum Gerichtshof der EU gehen: in Deutschland EuGH abgekürzt.

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Das Ziel der neuen Düngeverordnung: Die Bauern sollen von Jahr zu Jahr ihre Düngemengen deutlich reduzieren. Für die Pflanzen bedeutet das: Sie bekommen zu wenig Nährstoffe und können nicht mehr richtig wachsen. Diese Mangelernährung führt zu geringeren Erträgen. Kein Problem, tönt Landwirtschaftsministerin Klöckner gegenüber den Bauern, ‚ich habe für euch doch so viel Fördergelder herausgeholt‘. Doch dem Rückschritt in frühere Zeiten sieht sie tatenlos zu; denn der durchschnittliche recht hohe Getreideertrag von heute 86 dt/ha in Deutschland lässt sich nach der Düngeverordnung nicht mehr erreichen.

Ein gruseliges Experiment mit der Produktion von Lebensmitteln, das die Dänen bereits hinter sich haben. Dort beschränkten Düngevorschriften die Düngemengen auf 20 Prozent unter das Düngeoptimum der jeweiligen Pflanzen. Die Folge: Dänemark konnte sich nicht mehr selbst mit wertvollem Brotweizen versorgen, sondern musste ihn importieren. Obwohl die dänischen Böden gut sind, taugt die eigene Weizenernte nur für die Tierfütterung. Gleichzeitig stieg der Importbedarf von Eiweiß etwa aus Soja-Eiweiß, denn die eigene Weizenernte lieferte nicht mehr genügend.

Seit 2016 dürfen dänische Landwirte wieder dem Bedarf der Pflanzen entsprechend düngen. Gleichwohl wird es noch Jahre dauern, bis sich die Böden von dem Raubbau erholt haben, und die Erträge wieder einigermaßen ansteigen.

Denn Stickstoff ist der »Eiweißdünger«. Darauf weist Agrarexperte Georg Keckl hin: »Wenn nun der Staat in die Düngung der Landwirte, hier speziell in eine Reduktion der Stickstoff-Spätdüngung bei Weizen, eingreift, verändert sich der Eiweißgehalt des Korns. … Alle Hoffnungen der Landwirte und Züchter, bei geringeren Eiweißgehalten Weizensorten mit dafür sehr guten Eiweißeigenschaften anbieten zu können, sind im Moment Luftnummern.«

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Die Folgen für die Qualitätsweizen-Erzeugergemeinschaften in Niedersachsen auf ihren guten Böden sind gravierend. »Es spitzt sich«, meint Keckl, »momentan auf die Alternative zu: Weniger Ertrag durch im Februar/März zur Bestockung knapp gedüngte, dünnere Bestände mit dann zur Kornreife noch hohen Stickstoffgehalten für einen vielleicht noch hohem Eiweißgehalt – oder aus der Backweizenerzeugung aussteigen und Weizen für die Futtermühlen in Weser-Ems erzeugen.«

»Erfahrungen aus Dänemark zeigen, dass langfristig wohl eher der zweite Weg beschritten wird. Die Backindustrie verlangt ihre Standardmischungen ohne jede Abweichung in den Inhaltsstoffen. Jede Hoffnung, sie würde vielleicht auf etwas weniger krosse Backwaren umsteigen, sind illusionär. Das hängt schon am Maschinenpark, der am störungslosesten mit bestimmten Mehlen läuft. Woher die Mehle und die Rohstoffe kommen, spielt in der Praxis, anders als in der Werbung, keine Rolle.«

Georg Keckl prognostiziert nach diesem massiven Eingriff in den Wettbewerb, dass sich Länder mit heißen und trockenen Sommern wie Tschechien und Rumänien darauf vorbereiten können, ihre Spitzenmehle auf den deutschen Markt zu exportieren.

Der Grund für diese neue Verordnung mit den weitreichenden Verwerfungen: angeblich zu viel Nitrat im Grundwasser. Doch immer deutlicher wird: Diese Daten sind falsch. Die Messungen sind, wie auch in TE berichtet, fehlerhaft.

Das Landvolk Niedersachsen stellte jetzt fest: Jede zweite Messstelle ist falsch und weist gravierende Mängel auf. Massive Fehler bei der Nitrat-Messungen hatte bereits das hydrogeologische Gutachten der Berliner Hydro Consult aufgelistet. Die Gutachter hatten im Auftrag des Landvolks 41 Grundwasserkörper analysiert. Ergebnis: Die wenigen Messstellen sind einmal nicht repräsentativ, geben nicht die realen Verhältnisse im Grundwasser wieder und weisen zum anderen gravierende Mängel auf. In den Augen des Landvolks Niedersachsen besonders erschreckend: 190 der 648 überprüften Messstellen sind auch falsch gebaut.

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Landvolkpräsident Albert Schulte to Brinke beteuert die Verantwortung der Landwirte für den Gewässerschutz: »Doch dazu müssten gesicherte, glaubhafte und präzise Daten vorliegen. Gerade vor der großen Bedeutung, die dem Ergebnis jeder einzelnen Messstelle bei der Festlegung der Düngeauflagen in den so genannten „roten Gebieten“ zukomme, müsse deren Aussagekraft absolut unangreifbar sein. Die Landwirte müssen sich darauf verlassen können, dass schlechte Messstellenwerte auch valide sind.«

Doch diese Messungen sind die Grundlage der neuen Vorschriften, an die sich Landwirte halten sollen. Dem Messnetz komme eine Schlüsselfunktion zu, die daraus abgeleiteten Maßnahmen zur landwirtschaftlichen Bewirtschaftung der Flächen müssten daher sehr sorgfältig begründet sein, so Schulte to Brinke. Er fordert eine grundlegende Überprüfung des Nitrat-Messnetzes.

Die Methode ähnelt der des Dieselkandals: NGOs und ihre Verbündeten in Ministerium und Umweltbundesamt täuschen mit manipulierten Daten eine Dramatik vor, die so nicht existiert und begründen damit einschneidende Aktionen.

Acht Landwirte klagen vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg gegen die Landesdüngeverordnung. Sie begründen unter anderem damit, dass »belastete« Brunnen teilweise in 100 Kilometer Entfernung von ihrem Hof stünden und mit irgendwelche Aktivitäten auf dem Hof nichts mehr zu tun hätten. Der Deutsche Bauernverband prüft mit seinen Landesverbänden Klagen gegen die Düngeverordnung. Der CDU-affine Verband hat sich bisher allerdings mit Kritik erstaunlich zurückgehalten.

Eine andere Gruppe von Landwirten bekniet in einem offenen Brief die Landwirtschaftsministerin, die Düngeverordnung »praxistauglich« zu machen. Die Landwirte wollen unter anderem »bitte mitentscheiden dürfen, wann der richtige Zeitpunkt ist, unseren Pflanzen die erforderlichen Nährstoffe zur Verfügung zu stellen.«

Den weitreichendsten Schritt macht die LsV Gruppe Nordwest mit ihrer Klage gegen die Düngeverordnung: »Nach Bewertung der Rechtslage gehen wir davon aus, dass die neue Düngeverordnung sowohl gegen europarechtliche Vorschriften als auch gegen deutsches Recht verstößt.«

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Sie haben für den Gang bis zum Gerichtshof der EU (EuGH) zwei fachlich renommierte Anwaltskanzleien gewinnen können, die eine Klagemöglichkeit mit einer Begründetheit bereits untersucht haben. Ihnen liegen Beweise vor, dass die Bundesrepublik Deutschland permanent gegen die Nitratrichtlinie verstößt. So hat sie beispielsweise entgegen der Vorgaben kein repräsentatives Messnetz errichtet.
Scharf angegriffen wird das grün gekaperte Umweltbundesamt. Das habe bei der Ermittlung der Nitratbelastung schwerwiegende fachliche Fehler begangen. Es weigert sich, wie übrigens auch wir bei TE erfahren mussten, Auskünfte darüber zu geben, wie die Ergebnisse zustande gekommen sind. Doch ist die Behörde verpflichtet, die Erkenntnisse öffentlich zu machen.

»Insbesondere wurde über Jahrzehnte die Vorschriften der europäischen Nitratrichtlinie zur Ermittlung der tatsächlichen Nitratbelastung und deren Herkunft missachtet mit der Folge, dass die deutschen Bauern und ihre Familien zu Unrecht als ‚Brunnenvergifter‘ diffamiert und verunglimpft werden«, so LsV.

Ihre Forderung: »Die von den Wirkungen der Nitratrichtlinie betroffene Bevölkerung, insbesondere die Bauern, haben einen Rechtsanspruch auf die korrekte Ermittlung der tatsächlichen Nitratbelastung und deren Ursachen.«

Das sind nicht – so viel steht fest – angeblich zu hohe Düngemengen. Das kostet Geld, das kein Landwirt zum Fenster hinauswirft.

Es gärt immer mehr in der Landwirtschaft. TE bleibt dran.


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