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Landtagswahlen: Wasserstandsmeldungen

Ein langer und spannender Wahlabend: Grüne krebsen in Mainz und Sachsen-Anhalt um die 5%-Hürde. Die AfD ist erstaunlich stark. Weil keiner mit ihr koalieren wird und ihr Stratege Gauland das auch gar nicht will, ist sie nicht in den Rechnungen für die Regierungsbildungen. Die FDP wird so vielleicht wieder Königsmacher.

Der grüne Wahlsieger Kretschmann in Stuttgart spricht nach einer Koalition des „Wollens“ von einer des „Könnens“: Es reicht nicht mehr für grün-rot. Die Aussage ist schwerwiegend: Koalieren wird schwer. Weil keiner mit der AfD will.

Nur in Baden-Württemberg läuft es auf die prognostizierte Führung durch Kretschmann und seine Grünen bei gut 31% hinaus, die sich dann die SPD, die CDU (mit katastrophalen 27 %)  und/oder die FDP, die mit über 8 % abschneiden wird, ins Koalitionsboot holen kann. Auch dort wird die AfD bei gut 14,5 % landen, während die SPD auf unter 13% unglaublich rasiert würde.

Es ist zwar ein Sieg für die Grünen – besser Kretschmann, aber für grün-rot reicht es nicht.

Die FDP ist (wieder) in der Rolle des Königmachers. Es sei denn, die CDU macht beim schwarzen Grünen Kretschmann den Juniorpartner. Dafür reicht es gerade noch für die einst stolze Union in Baden-Württemberg. Viele Unternehmer im Südwesten werden die Union zu Kretschmann drängen.

Die von der CDU angestrebte Koalition mit SPD und FDP wird keine solide eigene Mehrheit stemmen – zu stark Kretschmann-Grüne und AfD, zu schwach schwarz-rot. Hier schwanken die Zahlen noch.

Damit sind die Grünen in Baden-Württemberg klare Sieger – und ihre Stimmenanteile im nachbarlichen Rheinland-Pfalz wären halbiert. Eine neue Erfahrung. Parteien zählen immer weniger, Personen immer mehr.

In Rheinland-Pfalz siegt die SPD, aber verliert ihren Koalitionspartner Grüne, die halbiert werden und sogar um ihre Landtagsfähigkeit fürchten müssen. Die SPD führt mit den prognostizierten knapp 37% deutlich vor der CDU mit schwachen 33 und die AfD kassiert rund 12,6 %.

Jetzt  droht die Grabplatte einer großen Koalition.

Oder aber: Da die CDU nicht mit der AfD koalieren will, bleibt die bestehende Landesregierung mit allen bisherigen Ministern, auch denen der abgewählten Grünen, einfach geschäftsführend im Amt. Die Landesverfassung gibt das her, und viele Wahlbeobachter tippen auf diesen Ausgang. Malu Dreyer von der SPD bliebe Ministerpräsidentin. Julia Klöckner müßte sich entscheiden: Als Wahlverliererin als Junior-Partner in eine Dreyer-Regierung einsteigen – oder in der Opposition bleiben. Dreyer, wie gesagt, könnte aber auch einfach im Amt bleiben, wenn sich keine Gegenkoalition bildet. So ein Spiel ann wie weiland in Hessen lange dauern.

Oder: Die FDP wird zum Königsmacher, wenn die Grünen fliegen. Und schon beginnt die SPD ebenfalls von früheren „erfolgreichen“ SPD/FDP-Koalitionen zu sprechen.

In Sachsen-Anhalt bleibt die CDU unter 30% stärkste Partei und kann mit der bei 10% bitter abgestraften SPD keine große Koalition gegen die Linke mit nicht einmal 17 und die AfD mit satten 24 % der Stimmen bilden. Wieder eine komplizierte Koalitionsbildung. Die AfD ist zweitstärkste Partei, österreichische Verhältnisse bahnen sich an.

Es ginge nur eine schwarz-rot-grüne Koalition. Wenn die Grünen überhaupt reinkommen. Und die FDP, wir haben das frühzeitig prognostiziert, ist wahrscheinlich nicht dabei.

Damit droht hier eine Blockade, wenn die Grünen an der Hürde scheitern: AfD und Linke können CDU und SPD in Schach halten. Es wird spannend.

Das deutsche Parteiensystem hätte dann auch bundesweit ein neues Muster: Die CDU bleibt bundesweit stärkste Partei mit rund 30 %; die SPD rangiert am unteren Ende des 20-%-Turms oder sogar darunter. Was für eine Blamage! Linke, FDP, und AfD erhalten rund 10%, mehr bringen insgesamt (außer im Sonderfall Baden-Württemberg) die Grünen nicht zusammen. Es wären zwei mittelstarke und vier weitere, annähernd gleichstarke Parteien im Spiel. Die AfD hat die Linkspartei als Protestpartei abgelöst.

Für die SPD wird das Ergebnis verheerend. Sie bleibt als politische Macht maßgeblich nur in Rheinland-Pfalz. Wer stürzt Gabriel?

Angela Merkel wird sich bestätigt fühlen: Ihr Anhänger Haseloff in Sachsen-Anhalt gewinnt; ihre Gegenspieler in der Flüchtlingsfrage Klöckner und Wolf in Baden-Württemberg verlieren. Alles bleibt, wie es ist.

Die AfD werden alle anderen jetzt erst recht ausgrenzen. Das ist deren Strategen – Gauland an der Spitze – sehr recht: Er will die AfD auf der Ausgrenzungswoge zur Volksparteien-Größe führen. In Österreich dauert die parallele Lage schon sehr, sehr lange an. Die Neuordnung der Parteienlandschaft hat gerade erst begonnen.

Prognosen 18 Uhr:

 

 

 


 Mehr Wahlbeteiligung gegen 17 Uhr:

Baden-Württemberg: 5 %, Rheinland-Pfalz 13%, Sachsen-Anhalt 7%.

Um 15:15 Uhr – Höhere Wahlbeteiligung zeichnet sich ab, melden die lokalen Wahlbehörden.

Alle könnten demnach ihre Potentiale besser ausschöpfen. Vor allem aber kann das bedeuten, dass sich mehr Nichtwähler zur Stimmabgabe entschließen, was den Bundestagsparteien nicht zugute käme.

In Baden-Württemberg gehen „alle“ Beobachter von einer Fortsetzung der Ministerpräsidentenschaft von Winfried Kretschmann aus. Wer das nicht will, entscheidet sich am wahrscheinlichsten für AfD und FDP. Ähnlich ist es in Sachsen-Anhalt, wo die Weiterregierung von Reiner Haseloff als sicher gilt.

Anders in Rheinland-Pfalz: Die nicht ausgeschlossene Ablösung von Malu Dreyer durch Julia Klöckner mobilisiert unzufriedene SPD-Wähler und unzufriedene CDU-Wähler. Das kann sehr gut die Chancen von AfD und FDP dämpfen.

Jedenfalls halte ich den Optimismus in den Zentralen von CDU, Grünen und SPD für verfrüht, mehr Wahlbeteiligung als ihren Vorteil einzustufen.

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