Das war er also, der Super-Sonntag der deutschen Landtagswahlen. Er bestätigt einerseits die amtierenden Ministerpräsidenten. Andererseits zeigt er auf: Die Zeiten, in denen man eine neue Bewegung mittels Verteufelung aus dem politischen Geschäfts heraushalten konnte, sind vorbei. Die von manchen als „Nazis“ diffamierte AfD wird in allen drei Landtagen als spürbare Kraft vertreten sein. Das öffentliche Niedermachen der immer noch als Protestbewegung zu verstehenden Partei hat ihr Ergebnis eher verbessert als geschmälert.
Ein Drama? Nein, sicherlich nicht. Ganz im Gegenteil. Denn so wenig man diese Partei mögen muss, so sehr hat der heutige Tag gezeigt, dass unsere Demokratie funktioniert. Sie hat dem Bürger die Möglichkeit gegeben, seinen Unmut über die Politik der ganz großen „Flüchtlingskoalition“ von Grünen bis Union in die Parlamente zu tragen. Und genau dort gehört er hin – nicht auf die Straße.
Die AfD hat aber auch erhebliche Zugewinne aus der Nichtwählerschaft mobilisiert. Das ist unverkennbar und beweist, dass die Floskel von der „Politikverdrossenheit“ tatsächlich nichts anderes beschrieb als eine deutliche Parteienverdrossenheit. Viele Bürger hatten sich von den „alten“ Parteien längst nicht mehr vertreten gefühlt. Sie fanden in der AfD jemanden, der ihre Frustration aufgenommen und nun tatsächlich kanalisiert hat. Ihre Opposition wird nun in den Parlamenten den Beweis antreten müssen, ob sie mehr kann als mit Sprüchen Stimmungen aufzunehmen.
Gewinner – Verlierer
Neben der AfD als größtem Tagesgewinner können sich auch Malu Dreyer und Winfried Kretschmann auf die Schulter klopfen. Sie werden auch künftig ihre Landesregierungen dominieren – wenn auch nicht mehr mit dem Partner SPD, sondern mit der CDU. Womit wir nun auch bei den Verlierern sind: Die baden-württembergische CDU hat ihre langjährige Dominanz im Ländle verloren.
Maßgeblich dazu bei trug ein Leichtgewicht als Spitzenkandidat, der dem Apo-Opa Kretschmann, der wie einst Franz-Josef Strauß in Bayern die Attitüde des Landesvaters zelebrieren konnte, nicht im Ansatz Paroli bieten konnte. Verlierer ist auch Julia Klöckner. Ihre Hoffnungen, über Rheinland-Pfalz an die Spitze der Bundespolitik vorzustoßen, sind bis auf weiteres zerstoben. Die Parteichefin Angela Merkel wird es nicht ungern sehen.
Doch auch die SPD hat wenig Grund zu feiern. Zwar konnte Malu Dreyer ihren Ministerpräsidentensitz retten – doch ihr ist der Koalitionspartner verloren gegangen. Sie wird die ewige Konkurrentin mit ins Kabinett nehmen müssen. In Baden-Württemberg ebenso wie in Sachsen-Anhalt hat sich die SPD als jeweiliger Koalitionspartner faktisch marginalisiert. Das könnte ein Menetekel für die nächsten Bundestagswahlen werden.
Ähnlich geht es der PdL. Sie ist in den beiden Alt-Bundesländern auf dem Status der Splitterpartei festgehämmert. Selbst in ihrer Hochburg Sachsen-Anhalt ist die Niederlage vernichtend: Lag die Linkspartei noch bei 24,6 %, so ist sie nun auf rund 17 % zurückgeschrumpft. Die Idee einer „linken Republik“ ist damit erst einmal vom Tisch.
Und der Blick auf die Grünen zeigt: Sie sind Kretschmann. Der nette Realo hat gesiegt – und nicht die Partei. Deren Ergebnisse in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt sind vernichtend.
Wie weiter?
Der Spitzenkandidat der AfD in Rheinland-Pfalz brachte es bereits auf den Punkt: Die bürgerlichen Parteien rechts von der SPD liegen in allen drei Bundesländern deutlich vor der Linken. Selbst in Baden-Württemberg konnte Kretschmann nicht verhindern, dass die Rechte vorn liegt: Stand 18.41 Uhr lagen die Bürgerlichen mit 1,9 Prozentpunkten knapp vorn.
Politische Konsequenzen wird dies derzeit noch nicht haben. Denn sowohl die CDU als auch die FDP, die als Phoenix aus der Asche vom Linkskurs der Union profitieren konnte und nun wieder in zwei – möglicherweise drei – Landesparlamenten vertreten sein wird, verweigern die Zusammenarbeit mit den als „Rechtspopulisten“ Dargestellten. Anders als Ole von Beust 2001 in Hamburg werden sie die Chance nicht nutzen, in drei Bundesländern den Ministerpräsidenten zu stellen und die rechte Konkurrenz in die Selbstvernichtung zu führen. Das wiederum schmälert den Sieg von Rot und Grün im Westen. Sie sind Sieger in der Abhängigkeit der Koalitionsängste der Bürgerlichen.
Oder vielleicht auch nicht? Zumindest in Sachsen-Anhalt wir Reiner Haseloff darüber nachdenken müssen, wie es weitergehen soll. Denn ihm fehlt der Koalitionspartner. Sollte die FDP den Einzug schaffen, kann es knapp für „Schwarz-Rot-Gold“ reichen. Fällt die FDP aus, bleibt vermutlich nur eine Koalition mit der AfD oder eine Minderheitsregierung – denn eine Koalition mit der PdL würde die CDU vernichten.
Und die Bundespolitik?
Wir bekommen nun wieder von allen Seiten die Erklärungen der selbstempfundenen Sieger zu hören. Und doch werden überwiegend Verlierer sprechen. Die Union hat wie einst die SPD mit den Grünen nun ihre eigene Randkonkurrenz. Die Hoffnung, die AfD schnellstmöglich wieder aus den Parlamenten zu drängen, dürfte trügen. Es sei denn, die Union geht gezielt wieder auf jene Menschen zu, die sie mit ihrer Merkel-Politik auf ihrem rechten Flügel freigemacht hat. Das Thema „Flüchtlinge“ wird weiterhin dominieren – und es kann die Union weiter in die Krise führen.
Noch heftiger wird es die SPD erschüttern. Ihr Lautsprecher Ralf Stegner wird nicht nachlassen, gegen alles „Rechte“ zu ätzen. Parteichef Sigmar Gabriel hingegen wird den Versuch unternehmen müssen, seine Partei zurück in die Mitte zu führen. Ob die alte Tante Sozialdemokratie noch die Kraft in der Beckenmuskulatur hat, diesen Spagat auf dem frei schwebenden Reck auszuhalten, darf angezweifelt werden.
Spannend ist die Rückkehr der FDP. Verhält sie sich richtig, kann sie nun mit einer liberal-konservativen Linie zur bürgerlichen Speerspitze werden und sich bei künftigen Koalitionsbildungen unabkömmlich machen. Fällt sie allerdings zurück in das Oxymoron ihrer sozialliberalen Phase, wird das Aufflackern schnell erlöschen.
Sieger Demokratie
Deutschland steht vor spannenden Monaten, bei denen eines bereits feststeht: Der Sieg der Demokratie. Sie hat jenseits der politischen Unterschiede und Ausfälle mancher Protagonisten gesiegt über jene, die sie einschränken wollten auf ein Meinungsspektrum links von der politischen Mitte. Das mag und wird vielen nicht gefallen. Und es mag jenen Auftrieb geben, die meinen mit radikalen Sprüchen punkten zu können.
Doch tatsächlich wird es dafür Sorge tragen, dass jene Parteien, die dereinst die Republik aufgebaut haben, selbst wieder zurück rücken müssen in die politische Mitte, wenn sie sich nicht selbst überflüssig machen wollen.
Das nennt man dann demokratische Selbstreinigung. Welche der alten und welche der jungen Parteien am Ende diesen Selbstreinigungsprozess überleben – das steht gegenwärtig in den Sternen. Und im Verhalten der jeweiligen Parteiführungen in den kommenden Monaten.