Mit den Darstellungen von Wählerwanderungen ist es wie mit Klimawandel-Modellen und Virus-Ausbreitungs-Modellierung. Es sind alles Modell-Rechnungen, deren Qualität davon abhängt, wie gut oder schlecht die zugrunde liegende Annahme ist. Das vorausgeschickt bleiben die Folgen bei Wählerwanderungen vergleichsweise harmlos.
Ja, wo wanderten sie denn hin und warum?
Für eine derartige Einbahn der Wähler von allen anderen Parteien hin zu nur einer Partei, hier der CDU, gibt es nur eine gemeinsame Erklärung. Die Wanderwähler haben nicht für die CDU gestimmt, sondern gegen andere Parteien. Nicht gegen eine bestimmte, sondern gegen unterschiedliche.
Mich wundert immer wieder, auch nach so langer Zeit der Politik-Beobachtung, wie viele glauben, dass Wähler nach dem Bilderbuch der Politiklehre entscheiden. Dass sie die Programme der Parteien lesen, die Reden von Politikern studieren, sich des Wahlometers oder ähnlicher Hilfen bedienen und dann Stimmzettel entsprechend ankreuzen – also alles in allem sachlich rational entscheiden.
Die Wahrheit ist, dass sich die Mehrheit der Wähler recht früh in ihrem Leben für eine Partei entscheidet, die sie dann recht unbeirrt bis ans Lebensende wählen. Wie kommen sie zur ersten Wahl? Der häufigste Fall ist der durch das Elternhaus: Entweder schließen sie sich dem dominanteren Elternteil an, oder schließen umgekehrt genau das in Opposition aus. So oder so, beim dann einmal Gewählten bleiben sie. Eher wählen sie einmal nicht als was anderes.
Die Minderheit der Wahlberechtigten, welche ihre Wahlentscheidung ein- oder mehrmal im Leben ändern, ist seit meiner Beobachtung ab den 1960ern gestiegen, aber interessanter Weise in diesem Jahrhundert nicht mehr. Ein gutes Drittel dürfte es seitdem geblieben sein. Wobei es mit den Nichtwählern ebenfalls ein Drittel gibt, das mittlerweile in der Zusammensetzung und im Verhalten Stammwählern von Parteien vergleichbar ist – oder besser von Kernwählern.
2017 schrieb ich hier auf TE: „Die Parteienstrategen fingen an, die Stammwähler in Kernwähler und Stammwähler zu unterscheiden. Stammwähler geben ihre Stimme nie einer anderen Partei, gehen aber nicht immer zur Wahl. Kernwähler sind Stammwähler, die immer ihre Stimme für ihre Partei abgeben. Die letzten öffentlich zugänglichen Zahlen dazu gab es bei der Kampa 1998. Damals waren SPD wie CDU bei je 20 Prozent Kernwählern angekommen. Inzwischen dürften das eher 15 sein.“
Zurück zur Grafik.
Viele, nicht nur, aber auch TE-Leser spekulieren, wie es zu der Diskrepanz zwischen den Umfragergebnissen für die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt und den nun amtlichen Wahlergebnissen kommt. Für eine derartige Einbahn der Wähler von allen anderen Parteien hin zu nur einer Partei, hier der CDU, gibt es nur eine gemeinsame Erklärung. Diese Wanderwähler haben nicht für die CDU gestimmt, sondern gegen andere Parteien. Nicht gegen eine bestimmte, sondern gegen unterschiedliche.
Dass viele dieser Wanderwähler dem Ministerpräsidenten Haseloff als einzigem bekannten Gesicht alleine zutrauten, ein Schlamassel im Abwanderungsland Sachsen-Anhalt zu vermeiden, kommt sicher oben drauf. Grüne plus SPD plus Linke 25,3 Prozent – ist eine Botschaft für sich.
Hier bildet sich ein doppeltes Zweiparteiensystem heraus mit Union und Grünen im Westen und Union und AfD im Osten. Alle anderen Parteien können kurz- und mittelfristig an der Fünfprozent-Hürde scheitern. Es wäre der Treppenwitz des deutschen Parteienstaats, käme es durch die Erosion der Farblosen zum Zweiparteiensystem, das im parlamentarischen Verfahren nie eine Chance hatte.
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