Am 15. Mai wählen rund 13 Millionen Bürger in Nordrhein-Westfalen einen neuen Landtag. 13 Millionen: Das sind viermal so viel, wie zuletzt Leute in Schleswig-Holstein und im Saarland wählen durften. Insofern wird die NRW-Wahl – wie seit eh und je – nicht zu Unrecht als „kleine Bundestagswahl“ bezeichnet.
13 Millionen also dürfen wählen. Sie haben die Wahl unter 64 Parteien. Aber nur vier oder fünf haben eine Chance, in den Landtag einzuziehen. Die „Linke“ dürfte rausfliegen, die AfD wird vermutlich wieder „drin“ sein. Die drei Meinungsforschungsinstitute INSA, Civey und die Forschungsgruppe Wahlen waren sich in der jüngsten Woche relativ einig, wie das Ergebnis aussehen könnte: Die CDU mit Spitzenkandidat Hendrik Wüst, dem seit Herbst 2021 amtierenden Ministerpräsidenten, kommt auf 32 Prozent, die SPD mit Thomas Kutschaty kommt auf 28 bis 29 Prozent. Die Grünen erzielen 16 bis 17 Prozent, die FDP kommt auf 6 bis 8 Prozent. Die AfD scheint relativ stabil bei 7 Prozent zu liegen. Die „Linke“ dümpelt bei 3 Prozent herum.
Aber das sind alles Zahlenspielchen, die vor allem deshalb ziemlich fruchtlos sind, weil laut aktuellen Umfragen 40 Prozent der Wahlberechtigten noch unentschlossen sind, wen beziehungsweise ob sie am Sonntag überhaupt wählen werden. Woran sollen sie sich auch orientieren? An ihrer persönlichen Sympathie oder Antipathie gegenüber den Spitzenkandidaten? Am Umgang der Bundesparteien mit dem Krieg Russlands in der Ukraine? Am Programm der Parteien gegen Inflation und Energieproblemen? Recht viel Wahlmöglichkeiten haben die 13 Millionen Wahlberechtigten eigentlich nicht, weil das entweder keine programmatisch orientierten Entscheidungen oder weil es keine echten NRW-Themen sind.
Früher sagte man: Die Herz-, Kern- und Filetstücke des Föderalismus, also der Eigenstaatlichkeit der deutschen Länder („Bundesländer“) sind Innere Sicherheit (Polizei) und Bildung (Schule). Nun, hierin unterscheiden sich eigentlich nur AfD und „Linke“ voneinander. Die vier anderen liegen hier – zumindest verbal – ziemlich nahe beieinander. Was die Innere Sicherheit betrifft, haben sich zumal die in den letzten zehn Jahren in Verantwortung stehenden Innenminister von SPD (bis 2017) und CDU (seit 2017) nicht gerade mit Ruhm bekleckert.
Und jetzt das Ergebnis unserer Analyse in Sachen „Bildung“: Es gibt unter den vorderen vier Bewerbern fast keine programmatischen Unterschiede mehr. Begriffe und Prinzipien, die die Bildungsdebatten über Jahrzehnte prägten, kommen nicht mehr vor. Die Frage nach der richtigen Schulstruktur („gegliedertes, differenziertes, begabungs- und leistungsorientiertes Bildungswesen“ versus Einheitsschule) kommt nicht vor. Was vorkommt, sind Leerbegriffe: Gerechtigkeit, Integration, Inklusion, Ganztag, Durchlässigkeit, Talente fördern, ein Lippenbekenntnis zur beruflichen Bildung usw. Vor allem die CDU scheint hier die Segel gestrichen zu haben.
Allenfalls die Programme der „Außen“-Parteien sind hier markant. Die AfD vertritt in Sachen Schule das, was die CDU bis vor zwanzig Jahren vertrat: gegliedertes Schulwesen, Leistungs- und Begabungsorientierung. Die „Linke“ vertritt das, was SPD und Grüne ebenfalls bis vor wenigen Jahren vertraten: Gesamtschule.
Das war über Jahre hinweg im Saarland so, in Hessen phasenweise, in NRW in der zurückliegenden Legislaturperiode ebenfalls. Dort hatte man das Schulressort an die FDP gegeben. Was dabei an Verschwurbelungen herauskam, haben wir hier auf TE gelegentlich beschrieben. Für ein Land, das bei innerdeutschen Schulleitungsvergleichen nicht gerade zur Spitze gehört, ist es etwas wenig, womit man Schlagzeile macht.
Was wird herauskommen? Meine Prognose: Es wird „Jamaika“ geben. Bildungspolitisch wird man miteinander klarkommen. Auch die wie immer flexible FDP wird sich gerne darauf einlassen – um nicht zuletzt der „Ampel“ in Berlin zu zeigen, dass man auch anders kann. Den Grünen könnte dieser Gedanke ebenfalls nicht fernliegen, muss man sich doch vom Abwärtstrend der Scholz-SPD absetzen. NRW könnte damit das werden, was man in den USA mit späteren Auswirkungen auf nationale Wahlen einen „Swing State“ nennt.
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Annahmeschluss ist der Wahlsonntag (15.05.2022) um 17:35 Uhr. Das Wettergebnis wird bis einschließlich Montag, den 16.05.2022, veröffentlicht. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Auf die Gewinner wartet:
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