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„Wahl“ in NRW: Geht es eigentlich noch um das föderale Herzstück Bildung?

Josef Kraus hat die Wahlprogramme der fünf im NRW-Landtag vertretenen Parteien und der zuletzt mit 4,9 Prozent gescheiterten „Linken“ angeschaut und sich auf das föderale Herzstück „Bildung“ konzentriert. Ergebnis: mehr Leerformeln als Entscheidungshilfe.

IMAGO / Michael Gstettenbauer

Am 15. Mai wählen rund 13 Millionen Bürger in Nordrhein-Westfalen einen neuen Landtag. 13 Millionen: Das sind viermal so viel, wie zuletzt Leute in Schleswig-Holstein und im Saarland wählen durften. Insofern wird die NRW-Wahl – wie seit eh und je – nicht zu Unrecht als „kleine Bundestagswahl“ bezeichnet.

13 Millionen also dürfen wählen. Sie haben die Wahl unter 64 Parteien. Aber nur vier oder fünf haben eine Chance, in den Landtag einzuziehen. Die „Linke“ dürfte rausfliegen, die AfD wird vermutlich wieder „drin“ sein. Die drei Meinungsforschungsinstitute INSA, Civey und die Forschungsgruppe Wahlen waren sich in der jüngsten Woche relativ einig, wie das Ergebnis aussehen könnte: Die CDU mit Spitzenkandidat Hendrik Wüst, dem seit Herbst 2021 amtierenden Ministerpräsidenten, kommt auf 32 Prozent, die SPD mit Thomas Kutschaty kommt auf 28 bis 29 Prozent. Die Grünen erzielen 16 bis 17 Prozent, die FDP kommt auf 6 bis 8 Prozent. Die AfD scheint relativ stabil bei 7 Prozent zu liegen. Die „Linke“ dümpelt bei 3 Prozent herum.

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Was heißt das – theoretisch – für die Regierungsbildung? Es gibt fünf mögliche Konstellationen: Erstens wäre mit in der Summe 48 bis 49 Prozent „Schwarz-Grün“ möglich. Zweitens könnte es mit in der Summe bis zu 46 Prozent sehr, sehr knapp für eine Rot-Grün-Koalition reichen. Drittens ist eine „Ampel“ mit in der Summe 50 bis 54 Prozent möglich. Viertens ist „Jamaika“ denkbar; damit kämen drei Koalitionäre auf 54 bis 57 Prozent. Und fünftens wäre eine „Große Koalition“ aus CDU und SPD möglich, diese dann mit in der Summe 60 bis 61 Prozent (siehe hier und hier).

Aber das sind alles Zahlenspielchen, die vor allem deshalb ziemlich fruchtlos sind, weil laut aktuellen Umfragen 40 Prozent der Wahlberechtigten noch unentschlossen sind, wen beziehungsweise ob sie am Sonntag überhaupt wählen werden. Woran sollen sie sich auch orientieren? An ihrer persönlichen Sympathie oder Antipathie gegenüber den Spitzenkandidaten? Am Umgang der Bundesparteien mit dem Krieg Russlands in der Ukraine? Am Programm der Parteien gegen Inflation und Energieproblemen? Recht viel Wahlmöglichkeiten haben die 13 Millionen Wahlberechtigten eigentlich nicht, weil das entweder keine programmatisch orientierten Entscheidungen oder weil es keine echten NRW-Themen sind.

Früher sagte man: Die Herz-, Kern- und Filetstücke des Föderalismus, also der Eigenstaatlichkeit der deutschen Länder („Bundesländer“) sind Innere Sicherheit (Polizei) und Bildung (Schule). Nun, hierin unterscheiden sich eigentlich nur AfD und „Linke“ voneinander. Die vier anderen liegen hier – zumindest verbal – ziemlich nahe beieinander. Was die Innere Sicherheit betrifft, haben sich zumal die in den letzten zehn Jahren in Verantwortung stehenden Innenminister von SPD (bis 2017) und CDU (seit 2017) nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

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Wir haben uns nun für TE die Wahlprogramme der fünf zuletzt im Landtag vertretenen Parteien und der zuletzt mit 4,9 Prozent gescheiterten „Linken“ angeschaut und uns auf das föderale Herzstück „Bildung“ konzentriert. Es war eine etwas mühsame Angelegenheit. Denn die Wahlprogramme kommen doch recht voluminös daher. Die CDU nennt ihr 109 Seiten starkes Wahlprogramm „Machen, worauf es ankommt – NRW: Sicher, nachhaltig, solidarisch und stark“. Die SPD hat 104 Seiten aufgelegt und betitelt mit „Unser Land von morgen“. Die FDP, zuletzt fünf Jahre mitregierend, setzt auf 96 Seiten auf „Mehr Chancen durch mehr Freiheit“. Die Grünen schreiben über die 122 Seiten ihres Programms „Von hier an Zukunft“. Die AfD tritt mit 105 Seiten „Wahlprogramm“ an. Die „Linke“ schließlich verfasste 149 Seiten unter dem unprogrammatischen Titel „Landtagswahlprogramm 2022“.

Und jetzt das Ergebnis unserer Analyse in Sachen „Bildung“: Es gibt unter den vorderen vier Bewerbern fast keine programmatischen Unterschiede mehr. Begriffe und Prinzipien, die die Bildungsdebatten über Jahrzehnte prägten, kommen nicht mehr vor. Die Frage nach der richtigen Schulstruktur („gegliedertes, differenziertes, begabungs- und leistungsorientiertes Bildungswesen“ versus Einheitsschule) kommt nicht vor. Was vorkommt, sind Leerbegriffe: Gerechtigkeit, Integration, Inklusion, Ganztag, Durchlässigkeit, Talente fördern, ein Lippenbekenntnis zur beruflichen Bildung usw. Vor allem die CDU scheint hier die Segel gestrichen zu haben.

Allenfalls die Programme der „Außen“-Parteien sind hier markant. Die AfD vertritt in Sachen Schule das, was die CDU bis vor zwanzig Jahren vertrat: gegliedertes Schulwesen, Leistungs- und Begabungsorientierung. Die „Linke“ vertritt das, was SPD und Grüne ebenfalls bis vor wenigen Jahren vertraten: Gesamtschule.

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Will sagen: Eine Entscheidungshilfe sind die Programme der vorderen vier Parteien für all diejenigen, denen es um anspruchsvolle Bildung für ihr Land bzw. für ihre Kinder und Enkel geht, nicht. Vor allem der bürgerliche Wähler fragt sich, warum die vormals bürgerlich-konservative Partei CDU in der Bildung nicht markanter auftritt. Aber die CDU scheint ja den Gestaltungswillen in der Bildungspolitik ohnehin gerne zu delegieren, selbst wenn sie in Regierungsverantwortung ist. Immer wieder gaben CDU-Länderchefs (in Bayern seit 2018 auch ein CSU-Landeschef) die Schule in die Hand des kleineren Koalitionspartners.

Das war über Jahre hinweg im Saarland so, in Hessen phasenweise, in NRW in der zurückliegenden Legislaturperiode ebenfalls. Dort hatte man das Schulressort an die FDP gegeben. Was dabei an Verschwurbelungen herauskam, haben wir hier auf TE gelegentlich beschrieben. Für ein Land, das bei innerdeutschen Schulleitungsvergleichen nicht gerade zur Spitze gehört, ist es etwas wenig, womit man Schlagzeile macht.

Was wird herauskommen? Meine Prognose: Es wird „Jamaika“ geben. Bildungspolitisch wird man miteinander klarkommen. Auch die wie immer flexible FDP wird sich gerne darauf einlassen – um nicht zuletzt der „Ampel“ in Berlin zu zeigen, dass man auch anders kann. Den Grünen könnte dieser Gedanke ebenfalls nicht fernliegen, muss man sich doch vom Abwärtstrend der Scholz-SPD absetzen. NRW könnte damit das werden, was man in den USA mit späteren Auswirkungen auf nationale Wahlen einen „Swing State“ nennt.


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Ihre Wetten nehmen wir ab sofort entgegen. Unsere Buchmacher öffnen ihre Schalter. Wer über alle genannten Parteien hinweg am nächsten an den Ergebnissen landet, gewinnt.

Annahmeschluss ist der Wahlsonntag (15.05.2022) um 17:35 Uhr. Das Wettergebnis wird bis einschließlich Montag, den 16.05.2022, veröffentlicht. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Auf die Gewinner wartet:

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+++ Abstimmung geschlossen +++

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