Norbert Lammert wurde am 1. Dezember dieses Jahres zum Vorsitzenden der Konrad-Adenauer-Stiftung gewählt und nicht die von der CDU-Vorsitzenden gewünschte Anette Schavan. Mit Lammert steht wie mit Vorvorgänger Bernhard Vogel wieder ein Merkel-Gegner an der Spitze der politischen Stiftung der CDU, deren Möglichkeiten – sichtbar wie unsichtbar – , die politische Debatte zu beeinflussen, groß sind.
„Bild“ hat sich die Meldung nicht aus der Nase gezogen, wonach Lammert in der Adenauer-Stiftung im kleinen Kreise sagte, er gehe davon aus, dass die Verhandlungen für eine neue GroKo scheitern. Auch nicht Lammerts Prognose, es werde zu vorgezogenen Neuwahlen kommen ohne eine Kandidatin Angela Merkel – mit dem Ergebnis einer schwarz-grünen Koalition. Dass es sich dabei bei Lammert mehr um Wunschdenken als scharfe Analyse handeln dürfte, steht auf einem anderen Blatt.
Als die Meldung draußen war, liefen garantiert die Telefondrähte zwischen Büchsenspannern von Merkel und Lammert heiß, da er zunächst die BILD-Meldung weder bestätigen noch dementieren wollte. Erst dann erklärte Lammert (1): „Ich weise lediglich immer wieder darauf hin, dass die ständigen Erklärungen, es werde auf jeden Fall wieder zur Bildung einer Großen Koalition kommen, die sicherste Methode sind, eine selbige zu verhindern.“ Als die Fragen der Presse drängender wurden, sagte Lammert (2): „Dieses mir angedichtete Zitat ist frei erfunden.“ Schließlich ließ er sich auch noch eine Antwort auf die Frage abringen, ob seiner Meinung nach bei einem Scheitern der GroKo-Gespräche bei Neuwahlen Merkel anträte (3): „Das hat sie doch bereits beantwortet. Dass sie für diesen Fall, den sie natürlich nicht anstrebt, erneut als Kandidatin zur Verfügung steht.“ Damit noch nicht genug der scheinbaren Wiedereinordnung in die Merkel-Linie, Lammert (4): „Ich hoffe, dass die große Koalition am Ende gelingt.“
Der Ablauf, erst weder bestätigen noch dementieren, dann schrittweise doch dementieren, ist ein klassisches Muster, wie ich es unzählige Male erlebt habe. Norbert Lammert hat das von BILD Berichtete natürlich gesagt. Ein Teilnehmer der kleinen Runde in der Adenauerstiftung, von der Lammert sicher war, unter Gleichgesinnten gegen Merkel zu sitzen, konnte vor freudiger Erwartung das Wasser nicht halten und erzählte die Geschichte einem Bild-Journalisten, den er schon länger kennt. Lammert wird sich zunächst geärgert haben, als er sich zu – wenn auch verdrucksten – Loyalitätsbekundungen einer Angela Merkel gegenüber genötigt sah, deren Gegner er seit langem ist. Dann aber dürfte er sich zufrieden zurückgelehnt haben in dem Wissen: Der Schuss sitzt.
Die veröffentlichte Meinung wird sich mit dem bisher Berichteten nicht zur Gänze zufrieden geben, einige Medienmacher und Recherche-Netzwerkler bohren sicher weiter. Wo bohren sie? Nun, sie müssen den Informanten finden, von dem BILD Lammerts Äußerungen erfuhr, oder einen anderen Teilnehmer oder einen, dem auch aus der Runde erzählt wurde. Ich war lange genug in diesem politmedialen Geschäft, um zwischen den Zeilen lesen und Dementi-Abläufe bewerten zu können.
Lammert hat auch einen persönlichen Grund gegen Merkel: Er hat von ihr keine Unterstützung erhalten für die Wahl zum Bundespräsidenten. Merkel ließ sich wohl gerne von der SPD ausmanövrieren und so konnte Frank-Walter Steinmeier das 1. Amt im Staat erringen – eine mehr als deutlich schlechtere Wahl als Lammert. Aber jetzt zeigt sich, dass es eben doch Dankbarkeit gibt: Steinmeier stemmt sich gegen Neuwahlen, die für Merkel eine Bedrohung wären, und er hat SPD-Parteichef Martin Schulz auf GroKo-Koalitionskurs gezwungen. War das mit Merkel so verabredet; der Preis für das Amt?
Nun zeigt sich Widerstand gegen diese Art von Politik. Nach den ersten Medien, die eindeutige Absetzbewegungen von Merkel ablieferten, ist Lammert der erste aus den oberen Rängen der CDU, der das Gleiche tut. Die Lawine rollt. 2018, Jahr der Lawine?