Der «Lagebericht Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden» muss für manch einen eine bittere Enttäuschung sein. Für Saskia Esken etwa, deren Unterstellung eines „latenten Rassismus“ in der deutschen Polizei zu jener latenten Stimmung nicht unwesentlich beigetragen hat, die überhaupt für das große Interesse an den politischen Einstellungen der Polizisten verantwortlich ist. Und nun kommt in diesem Lagebericht, der gestern vorgestellt wurde, auf Seite 20 zutage, dass von Anfang 2017 bis zum März dieses Jahres ganze 22 Polizisten als erwiesenermaßen rechtsextrem enttarnt wurden. Das sind nicht einmal 0,01 Prozent der 385.000 bei den staatlichen Sicherheitsbehörden in Deutschland Beschäftigten. Selbstverständlich sind das 22 Rechtsextremisten zu viel in den Sicherheitsbehörden.
Diese Zahl 22 findet sich allerdings in den Presseartikeln darüber kaum. Im Artikel des Spiegel zum Beispiel steht stattdessen in der Überschrift: „Hunderte rechtsextreme Verdachtsfälle in Sicherheitsbehörden“. Wir erfahren im Spiegel, dass es „zwischen 2017 und Ende März 2020 insgesamt 319 Rechtsextremismus-Verdachtsfälle“ in den Sicherheitsbehörden der Länder und weitere 58 Verdachtsfälle bei denen des Bundes gab. Was der Spiegel also meldet, ist nicht erwiesener Rechtsextremismus bei den Sicherheitsbehörden, sondern entsprechende Verfahren aufgrund eines Verdachts, von denen, wie auch in dem Artikel selbst zu lesen ist, 21 Prozent bereits wieder eingestellt wurden. Wobei die Zahl der Verfahren nicht identisch sein muss mit der der Verdächtigen, denn in vielen Fällen sind mehrere Mitarbeiter betroffen, andererseits sind, wie der Bericht vermerkt, einige Mitarbeiter auch von mehreren Verfahren betroffen.
Noch einfacher machte es sich der Kommentator von tagesschau.de, der den Bericht gar nicht abwartete, sondern schon vor dessen Veröffentlichung über die zuvor schon durchgesickerte Zahl von „rund 350 Verdachtsfällen“ schreibt: „In Sicherheitskreisen wird auch deshalb vor allzu großen Erwartungen an den Bericht gewarnt. Er sorge zwar dafür, dass man nun überhaupt eine Grundlage habe, entscheidend sei aber nun, was man damit anfange.“ Anders gesagt: Egal wie die Zahlen sind, es besteht Handlungsbedarf.
Selbst wenn man alle Verdachtsfälle pauschal wie erwiesene Fälle behandelte, redete man über rund jeden Tausendsten der in staatlichen Sicherheitsbehörden Beschäftigten rund 385.000 Personen. Damit liegt die Anfälligkeit für solche Handlungen – die große Mehrheit der Verfahren wurden wegen des Austauschs verfassungsfeindlicher Symbole (zum Beispiel Hakenkreuz) oder verfassungsfeindlichen Äußerungen eingeleitet, nur sehr wenige betrafen Kontakte zu rechtsextremen Organisationen oder Personen – vermutlich weit unter derjenigen in anderen Berufsgruppen oder gesellschaftlichen Milieus.
Die Frage, die der Tagesschau-Redakteur aufwirft, könnte man also so beantworten: Pauschale Unterstellungen gegen die Polizei unterlassen.