Recep Tayyip Erdoğan kündigte vorgezogene Parlaments- und Präsidentschaftswahlen für Juni 2018 an. Nun leben gut einhunderttausend wahlberechtigte Türken in Österreich und mehr als eine Million in Deutschland. Insgesamt soll es über zwei Millionen wahlberechtigte Türken geben, die im Ausland leben. Erdogan möchte diese im Wahlkampf gerne persönlich ansprechen, dort, wo sie zu Hause sind. Eine genaue Ortsangabe machte er jedoch noch nicht.
Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz vernahm es und hat dazu eine klare Haltung. Seine Ansage Richtung Ankara ist unmissverständlich: „Kann nur klar sagen, diese Auftritte sind unerwünscht und wir werden sie nicht zulassen.“
Der Bundeskanzlerin und ihrem Außenminister Heiko Maas fallen solche interpretationsfreien Absagen an den türkischen Präsidenten im Ausnahmezustand deutlich schwerer. Zwar möchte auch Maas keine Turnhallenauftritte von Erdogan in Deutschland, aber er stützt sich dabei lieber darauf, dass drei Monate vor Wahlen im außereuropäischen Ausland in Deutschland kein Wahlkampf stattfinden dürfe.
Eilfertig fügt er am Sonntag am Rande des G7-Außenministertreffens im kanadischen Toronto hinzu: „Das gilt. Und das gilt für alle, unabhängig davon, von wo sie kommen.“
Wie das auf den türkischen Präsidenten wirken mag, muss man nicht lange spekulieren. Ein echtes „Nein“ ist das ja nicht, wenn Erdogan anfangen könnte, einmal nachzurechnen, wie das eigentlich 2008 mit Barack Obamas Auslands-Wahlkampfreise war, als der 102 Tage vor D-Day Station in Berlin machte und mit großem Bahnhof empfangen wurde, ganz knapp an der Dreimonatsmarke vorbei.
Nun war deutlich länger bekannt, dass die USA wählen werden. Wenn Erdogan im Juni Wahlen abhalten lässt, dann bleiben ihm diese die Monate nicht einmal mehr.
Aber das alles sind völlig unnötige Gedankenspiele. Hier ist eine deutsche Regierung zu ängstlich, klare Kante zu zeigen und verschanzt sich hinter einer Mummenschanz-Diplomatie in offensichtlicher Unkenntnis, wie „Nein“ auf türkisch ausgesprochen wird.
Sebastian Kurz hat laut und vernehmbar „Hayır“ gesagt und es ist genauso auch angekommen. Heiko Maas hingegen fliegt nach New York zu den Vereinten Nationen. Dort trifft er erstmals seinen türkischen Amtskollegen und schickte ihm aus Toronto schon mal ein „Ähm, nein, aber …“ voraus, in etwa so, wie es ungezogene Kinder machen, die Mutti mit einer Nachricht zu Vati vorschicken, wenn sie was Böses angestellt haben.
Nach dem eifrigen Teejungen-Auftritt in Goslar, aufgeführt von Maas‘ Vorgänger im Amt, wird einer wie Mevlüt Çavuşoğlu endgültig wissen, was er von diesem Kollegen zu halten hat. Denn Çavuşoğlu – wie übrigens auch Maas – erinnert natürlich ganz genau, was es mit dieser Dreimonatsregel auf sich hat, die explizit gegen zukünftige Wahlkampfbesuche Erdogans im Auswärtigen Amt entschieden wurde. Kein anderer außereuropäischer Politiker stand dabei im Fokus des Interesses. Sicher auch deshalb, weil es neben den Türken noch keine weitere so große außereuropäische Minderheit in Deutschland gibt.
Und Angela Merkel? Die lässt ihren Regierungssprecher lapidar ausrichten, es wären keine Reisepläne des türkischen Präsidenten bekannt. Der wird sich ins Fäustchen gelacht haben, denn natürlich hat er einen solchen Termin nicht offiziell bekannt gegeben. Er wartet einfach genüsslich die Verdrehungen der deutsche Diplomatie ab. Und er wird damit erneut bei seinen Landsleuten in Deutschland punkten, die es gerne sehen werden, wenn Ihr Präsident die deutsche Regierung zum Eiertanz bittet, während er einfach auf seinem heimischen goldenen Thron sitzen bleibt und vielleicht schon überlegen mag, wie er seine Angela beim nächsten Probesitzen in Ankara dazu bringen kann, endlich mal ein schickes Kopftuch anzulegen. Denn wenn schon die deutschen Kirchenleute auf dem Jerusalemer Tempelberg ihre Brustkreuze abnahmen, dann möchte er für sich vielleicht auch so eine wirkmächtige Geste ertrotzen. Warum dann nicht auch ein Tuch für Angela? Wer in Deutschland würde die Hand dafür ins Feuer legen, dass es nicht eines Tages auch dazu kommen mag?
Die unmissverständliche Botschaft von Sebastian Kurz ist indes klar und deutlich von Erdogan vernommen worden, als der dem Bundeskanzler wütend erwiderte: „Diese von Österreich ergriffenen Maßnahmen werden auf es selbst zurückfallen.“
Sebastian Kurz mag sich das mit aller Gelassenheit angehört haben, weiß er doch längst: Die Deutschen bekommen auch ohne klare Haltung klare Worte aus Ankara zu hören. Nazi-Vergleiche inklusive. Es schadet also rein gar nichts, Erdogan einmal reinen Wein einzuschenken: Aus dem Gefäss trinken, das man ihm anreicht, wird er ohnehin nicht.
Nachtrag:
Die Rheinische Post meldet kurz nach Erscheinen dieses Beitrags:
Heiko Maas: Cavusoglu-Termin in Solingen ist kein Wahlkampf-Auftritt. Na denn.