TE: Herr Mitsch, Sebastian Kurz’ ÖVP hat noch einmal kräftig zugelegt, die FPÖ ist abgestürzt: Welche Schlüsse muss die CDU aus der Österreich-Wahl ziehen?
Alexander Mitsch: Die wichtigsten Schlussfolgerungen aus der Wahl in Österreich sind zweierlei. Erstens: Sebastian Kurz hat die ÖVP in zwei Wahlen aus einem tiefen Tal geführt. Sein politisches Profil ist durch die Themen innere Sicherheit, Begrenzung der Migration und Steuerentlastung geprägt. Er hat konsequent klassische christdemokratische Gesellschafts- und Wirtschaftsthemen besetzt, und damit eine Politikwende erreicht. Vor Kurz waren ÖVP und SPÖ ja ein ziemlicher Einheitsbrei, ungefähr so wie die Groko bei uns.
Zweitens: Sein klarer Kurs hat sich nicht nur inhaltlich für sein Land, sondern auch im Wahlergebnis für seine Partei deutlich ausgezahlt.
Die CDU sollte also mehr Kurz wagen?
Er ist natürlich ein Vorbild für die CDU. Von 37 Prozent kann unsere Partei zurzeit nur träumen. Aber Kurz hat die ÖVP ungefähr mit Werten übernommen, die die CDU heute hat. Er hat demonstriert, dass es möglich ist, mit einem bürgerlichen Profil auch aus einer schwierigen Position heraus zu gewinnen. Und, was noch wichtiger ist als die Prozentzahl: Er besitzt die Freiheit, sich den Koalitionspartner auszusuchen, mit dem er seine Politik am besten durchsetzen kann.
Nach einer Umfrage liegt die Union mit den Grünen mittlerweile wieder gleichauf, mit je 27 Prozent. Viele in Ihrer Partei ziehen daraus den Schluss, dass die CDU sich noch mehr mit Klimapolitik profilieren muss. Kann das funktionieren?
Ich bin als Vorsitzender der WerteUnion viel unterwegs und höre immer wieder von langjährigen Anhängern: Ich kann euch erst wieder wählen, wenn der Kurs sich deutlich ändert.
Die CDU hat nun mal keinen jungen smarten Politiker an der Spitze. Was kann sie also von dem ÖVP-Chef lernen?
Das Entscheidende ist: sich nicht bei der politischen Linken anbiedern. Kurz hat sich nicht bei SPÖ und Grünen angebiedert, ist ihren Themen nicht nachgelaufen. Sondern er hat die Themen gesetzt, die er für richtig gehalten hat, und für die sich offenbar die bürgerlichen Wähler interessieren. Es kann schon sein, dass er dann die Stimmen von wenigen aus dem grünen Bürgertum nicht bekommen hat. Aber dafür erreicht er die vielen, denen innere Sicherheit, eine Begrenzung der Migration und eine liberale Wirtschaftspolitik wichtig sind.
Sie sagten, der Kurs der CDU müsste sich deutlich ändern. Wann soll das passieren? Und mit wem?
Nach der Thüringenwahl Ende Oktober, die wahrscheinlich mit einem schwierigen Ergebnis enden wird, könnte es eine große politische Dynamik geben. Die SPD wählt ein neues Vorsitzenden-Duo, die CDU hat ihren Parteitag im November.
Sie vermuten, dass Angela Merkel als Kanzlerin abtritt?
Die Wahrscheinlichkeit, dass Frau Merkel freiwillig geht, ist gering. Die für mich zentrale Frage ist die der Kanzlerkandidatur. Die sollte nach Ansicht der WerteUnion durch eine Urwahl entschieden werden. Eine mögliche Konstellation könnte so aussehen, dass Annegret Kamp-Karrenbauer erst einmal Parteivorsitzende bleibt, aber Friedrich Merz Kanzlerkandidat wird.
Wäre das nicht etwas früh? Der reguläre Wahltermin ist erst im Herbst 2021.
Aus meiner Sicht spricht nichts dagegen, die Entscheidung über die Art der Kandidatenkür und die Kanzlerkandidatur auch schon früher zu treffen. Es würde der CDU auch sehr gut tun, wenn Friedrich Merz jetzt in das Bundeskabinett käme. Und er könnte als Kanzlerkandidat die Gefahr eines verheerenden grün-rot-dunkelroten Bündnisses verhindern.