Tichys Einblick
Bewegung an unerwarteter Stelle

Kritik an Zuwanderung von Links und Sahra Wagenknecht

Wagenknecht empfiehlt zur Lektüre ein linkes Thesenpapier, aufgesetzt von einem guten Dutzend linker Abgeordneter mit dem Titel: „Thesenpapier zu einer human und sozial regulierenden linken Einwanderungspolitik.“

© Odd Andersen/AFP/Getty Images

In den letzten Monaten ist es stiller geworden um die kritische Haltung zur Zuwanderung von Sahra Wagenknecht. Nun versendet die Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke regelmäßig seit dem Bundestagswahlkampf 2017 per Email Nachrichten vom „Team Sahra“.

In der aktuellen Ausgabe vom 29. April, 18:21 Uhr nimmt Wagenknecht das Thema Zuwanderung wieder auf. Sie empfiehlt zur Lektüre ein linkes Thesenpapier, aufgesetzt von einem guten Dutzend linker Abgeordneter mit dem Titel: „Thesenpapier zu einer human und sozial regulierenden linken Einwanderungspolitik.“ Sahra Wagenknecht kommentiert das achtseitige Papier folgendermaßen:

„Es gibt ein interessantes Thesenpapier für eine linke Flüchtlings- und Einwanderungspolitik, die aus dem Korsett des „no-border“-Neoliberalismus ausbricht. Man muss nicht alle Thesen teilen, aber es ist ein dringend notwendiger sachlich-argumentativer Aufschlag für eine Debatte, die viel zu oft von bloßem Moralisieren und emotional aufgeladenen Leerformeln geprägt ist. Ich empfehle es Euch zur Lektüre.“

Wir haben gelesen und geben im Folgenden einen Teil dieses Papiers ungekürzt wieder. Interessant deshalb, weil hier explizit eine klare Unterscheidung getroffen wird zwischen Flucht und Einwanderung, weil hier Positionen von links laut gedacht werden, die Teile der Union, der SPD und der Grünen bisher für undenkbar halten.

Interessant auch ein erstaunliches Bekenntnis zum Nationalstaat als soziales Bollwerk gegen eine vom „globalisierten neoliberalen Kapitalismus“ beherrschte Weltordnung. „Nur der unvermeidlich im Kern nationalstaatlich organisierte Sozialstaat (kann) als Instanz einer humanitären und sozialen migrationspolitischen Praxis fungieren.“ Nur auf dieser realistischen Grundlage ließe sich eine seriöse Position aufbauen.

Aber lesen Sie selbst, was da neuerdings Erstaunliches am linken Rand passiert:

Auszug:

2. Einwanderungsrecht und Asylrecht

Im bisherigen Debattenverlauf wurden Einwanderung und Asyl bzw. Aufnahme von Flüchtlingen teilweise durcheinander geworfen, manchmal unbeabsichtigt, zuweilen zu polemischen Zwecken.

Beide müssen jedoch unterschieden werden, und zwar nicht nur rechtlich-administrativ, sondern auch normativ und handlungstheoretisch. Flucht und Einwanderung sind nicht nur formell und verwaltungsmäßig unterschiedliche Tatbestände, es sind auch verschiedene Arten von Handlungen mit unterschiedlichen Entscheidungslagen, Beweggründen und Zielabsichten, die dementsprechend ethisch und politisch unterschiedlich zu betrachten und einzustufen sind.

Unbegrenzte Schutzgewährung für Menschen in Not ist etwas anderes als eine unbegrenzte Einwanderung, die auch all diejenigen einschließen würde, die lediglich ein höheres Einkommen erzielen oder einen besseren Lebensstandard genießen wollen. Im ersten Fall geht es um eine Schutz- oder Rettungsmaßnahme für Menschen in einer lebensbedrohlichen Not- oder Zwangslage.

Im anderen Fall ist die Migration ein sozio-ökonomisch motivierter Akt, der weder alternativlos ist, noch den letzten Strohhalm darstellt, sondern bei dem eine Wahl unter verschiedenen möglichen Optionen getroffen wird. Hier haben die Aufnahmeländer ein Recht zur Regulierung der Migration.

In der UN-Menschenrechtscharta ist zwar ein universales Auswanderungsrecht verankert, jedoch kein entsprechendes universales Einwanderungsrecht. Ein Recht auf globale Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit gibt es also de facto nicht und wird es in absehbarer Zeit nicht geben. Asylrecht und Einwanderungs„recht“ prinzipiell gleichzusetzen, ist also sachlich, normativ und handlungstheoretisch unbegründet.

In letzter Konsequenz würde damit das Asylrecht in seiner politischen
und moralischen Geltungskraft geschwächt und durch ein Gesetz zur unbegrenzten Einwanderung entwertet und überflüssig gemacht.

3. Einwanderungspolitik und Staatlichkeit

Das Leitbild der offenen Grenzen in einer friedlichen und solidarischen Welt ist eine Zukunftsvision, die wir anstreben. Gegenwärtig sind die Bedingungen dafür jedoch nicht gegeben. Wir brauchen realistische Zwischen- und Übergangslösungen, die uns diesem Ziel näherbringen.

Sie müssen unter den aktuellen Bedingungen praktikabel und der breiten Bevölkerung, insbesondere den abhängig Beschäftigten und dem weniger privilegierten Teil der Gesellschaft, vermittelbar sein. In einer Weltordnung, die vom globalisierten neoliberalen Kapitalismus dominiert und in Territorialstaaten organisiert ist, kann nur der unvermeidlich im Kern nationalstaatlich organisierte Sozialstaat als Instanz einer humanitären und sozialen migrationspolitischen Praxis fungieren. Nur auf dieser realistischen Grundlage lässt sich eine seriöse Position aufbauen.

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