Früher stand an Wirtshaus-Türen „Hier kocht der Chef persönlich“. Zukünftig muss vermutlich bald auf Tüten und Packungen von Fertiggerichten aufgedruckt werden: „Das hat Landwirtschaftsminister Cem Özdemir für Sie erfinden lassen – ganz nach seinem Geschmack.“ Denn Cem Özdemir will festlegen, was künftig auf den Teller kommt. 200 Wissenschaftler erforschen im Staatsauftrag, wie richtig essen geht. Ein aktuelles Forschungsprogramm befasst sich mit der Ernährung von Senioren; angesichts der zunehmenden Verarmung sicherlich ein gut gemeintes Vorhaben. (Erinnerungen an Thilo Sarrazin kommen hoch.) Aber der Wink mit dem Zaunpfahl zeigt, wohin es geht: Gegessen werden soll „Transformationsorientiert“ – entschlüsselt heisst das: Die unter Armut leidenden Senioren sollen beim Essen gleich auch noch das Klima retten. Essen wird so dem Anspruch des Staates unterworfen, jede Lebensäußerung nach seinem Gusto und seinen Vorstellungen zu regulieren – notfalls über staatlich vorgegebene Rezepte aus der Klimaküche.
Das geht zu weit – selbst der sonst gefügigen CDU
„Statt über staatlich vorgegebene Rezepte zu reden, sollte Herr Özdemir lieber seine Hausaufgaben aus dem Koalitionsvertrag erledigen und gemeinsam mit der Lebensmittelwirtschaft verstärkt für eine ausgewogene Ernährung ohne Verbote werben“, sagte Wirtschaftspolitiker Alexander Bartz (SPD) den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Die Bundesregierung habe bereits klare Ziele für eine gesündere Zusammensetzung fertiger Lebensmittel in einem breiten Dialogverfahren mit den Verbänden der Lebensmittelwirtschaft erarbeitet, die bis 2025 umgesetzt werden soll. „Insofern werte ich den aktuellen Vorstoß von Bundesminister Cem Özdemir als eine klar parteipolitische Äußerung, die in der Koalition nicht mehrheitsfähig ist“, sagte der SPD-Politiker weiter.
Sogar Gero Hocker, ernährungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, kritisiert die Pläne des Ministers. „Unternehmen produzieren, was am Ende über die Ladentheke geht“, sagte er der „Bild“ (Dienstagausgabe). „Und gerade bei Fertigprodukten wollen die Leute schnell eine leckere Mahlzeit auf dem Tisch haben. Damit sollten Politiker kein Problem haben.“ Özdemir müsse „den Respekt vor individuellen Präferenzen scheinbar noch verinnerlichen“.
Auch die Union lehnt die Pläne ab. „Nachdem Cem Özdemir mit einem umfassenden Werbeverbot für Lebensmittel politisch vor die Wand gefahren ist, versucht er es nun mit staatlichen Rezepturvorgaben“, sagte Albert Stegemann (CDU), ernährungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, der „Bild“ (Dienstagausgabe). „Das ist übergriffig und unverhältnismäßig. Denn die Vereinbarung der Lebensmittelwirtschaft mit dem Staat zur Reduktion der Gehalte an Zucker, Fett oder Salz läuft noch bis 2025.“ Staatliche Bewegungsangebote und zielgruppengerechte Ernährungsberatung brächten mehr als staatliche Rezepturen.
Schaukämpfe der Essens-Regulierer
Schaut man genauer hin, dann sind es allerdings parteipolitische Scheingefechte. Ein Sprecher des Ernährungsministeriums sagte, bis Jahresende sollen „für relevante Lebensmittelgruppen Reduktionsziele vorliegen“ – „selbstredend mit dem Ziel einer anschließenden Umsetzung“. Der Zucker-, Salz- und Fettanteil sei in vielen Produkten viel zu hoch. Natürlich geht es um Gesundheit, nicht die persönliche Geschmacksnote, die ein Cem Özdemir in der Fertigpizza so liebt. Aber was geht das die Regierung an, was uns schmeckt? Die Frage, wieso diese Regierung, die kaum einen Zug pünktlich fahren lassen kann, die hilflos auf Kriege und Konflikte schaut, die Kriminalität auf den Straßen anwachsen lässt und das Handy-Netz unter Dritte-Welt-Niveau hält, jetzt auch noch Rezepte für Essen produzieren soll – diese Frage wird nicht beantwortet. Es bleibt beim Allmachtsanspruch der Parteien, die jedes Detail im Leben regulieren wollen. Nicht einmal richtig kochen können Bürger und Unternehmen, dazu braucht es schon ein Staatsinstitut, das Staatsrezepte entwickeln soll.
Demnächst vermutlich auch die verpflichtenden Schlafengehenszeiten. Denn nur wer richtig schläft, wählt auch richtig.