Widerstand gegen die EU-Quoten und Merkels Politik der offenen Grenze hat die vier Staaten der Visegrád-Gruppe (Ungarn, Polen, Slowakei, Tschechien) im vorigen Jahr zusammengeschweißt. Denn die Visegrád-Staaten verstanden sich bis 2015 als Hinterhof Berlins. Auf einmal aber standen sie alle gegen Berlin auf und blockierten mit Erfolg die Balkan-Route – eine berauschende Erfahrung. Das schreit nach Fortsetzung.
Orbán, geborener Machtpolitiker und Kämpfer, hat längst alle seine Gegner in Ungarn besiegt und sucht geradezu nach neuen. Da kommt ihm das progressive Establishment in Westeuropa gerade recht, das ihn schon jahrelang angreift und Ungarn zum EU-Outlaw herabstuft. Und jetzt werden alte Zusammenhänge reaktiviert: In Budapest traf ich nach dem Referendum Georg von Habsburg, Enkel des letzten österreichischen Kaisers und ungarischen Königs Karl I. Georg lebt seit 23 Jahren in Ungarn, arbeitet für die Regierung; er ist ein guter Bekannter von Orbán. Er freut sich, „natürlich auch als Vertreter meiner Familie“ darüber, dass „im Visegrád wieder mal das Konzept Zentraleuropa ins Leben kommt“. Sogar die FPÖ in Österreich, konkret ihr Präsidentenkandidat Norbert Hofer, haben Interesse am Beitritt zum Visegrád. Kraxelt das Habsburger Reich wieder aus der Kapuzinergruft?
Wie tragfähig ist Visegrád wirklich? Nachdem die Gruppe 1991 gegründet wurde, fristete sie ihr Dasein als Zweckbündnis: um gemeinsam schneller in die NATO, dann in die EU zu kommen. Einmal am Ziel, blieb die Gruppe zwar formell bestehen, hatte sich aber keine eigene Infrastruktur gegeben. Die Interessen der Mitgliedsländer in der EU laufen aus- und gegeneinander. Ein Mitglied, die Slowakei, ist in der Eurozone. Die anderen sind zwar zum Beitritt vertraglich verpflichtet, aber die Lust wechselt nach Stand der Griechenland-Krise.
Bauchschmerzen bei den Linken
Dazu kommt die innenpolitische Labilität: Mit dem neuen Visegrád-Habsburg können konservative oder bürgerliche Parteien gut leben. Die linke Regierung in Prag unter Ministerpräsident Bohuslav Sobotka, der sich dem „modernen Flügel“ in der Sozialdemokratie zurechnet, geht dagegen vorsichtig auf Distanz zum Konzept der Vergangenheit. Prag will nicht offen gegen Deutschland opponieren. Offene Grenzen für afrikanische Migranten kann Sobotka trotzdem nicht unterstützen: Eine solide Mehrheit der Tschechen von 70 bis 80 Prozent ist dagegen.
Es gibt auch hier Unterschiede. Polens Konservative gehören im Europäischen Parlament der Fraktion gemäßigter Konservativer an (AECR, aus Deutschland ist Bernd Luckes Alfa dabei), Orbán bleibt in der Europäischen Volkspartei mit der CDU. Er versteht die EVP-Mitgliedschaft als Schild gegen noch mehr Anfeindungen aus Westeuropa.
Was aber Orbán und seinen polnischen Partner Jaroslaw Kaczyński vereint: Beide sind überzeugte Traditionalisten. Vor einem Monat bei einer Konferenz im polnischen Krynica formulierte Orbán in Kaczynskis Anwesenheit die Notwendigkeit, „eine „kul- turelle Konterrevolution“ in der EU zu starten – gegen die 68er, gegen Verwässerung des christlichen Familienbilds, gegen Gendermainstreaming.
Dazu Georg Habsburg: „Es wäre bestimmt vom Vorteil, wenn es in der EU eine Gruppe gäbe, welche noch konsequent Positionen vertritt, die man heute in einzelnen westeuropäischen Staaten gar nicht mehr vertreten darf.“ Hier finden sich auch die eher säkularen Tschechen wieder, die Slowaken sowieso. Man hat aus der Kommunistenzeit jede, auch die progressive Propaganda satt – und das vereint die Visegrádler doch. Offene Anfeindungen aus Brüssel und Berlin oder deutscher Medien wie bei Anne Will schaffen den Rest.
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/kakanien-block-balkanroute-und-folgen/