Wie viel oder wie wenig auch die neuesten Umfrage-Ziffern wert sind, spielt keine Rolle. Aber mit dem von Emnid für Bild am Sonntag ermittelten und wirkungsvoll ins Bild gesetzten Doppelbotschaft „Erster Umfrage-Dämpfer für Schulz“ und 32:32 ist das bei Journalisten immer schon beliebte Kopf-an-Kopf-Rennen etabliert. Wenn ich mich richtig erinnere so früh vor einer Wahl wie noch nie.
Sofern die meisten Journalisten überhaupt noch über Inhalte von Politik schreiben werden, sind sie dem Kopf-an-Kopf-Rennen zu- und untergeordnet. Personalisierung ist angesagt, der Massenmedien liebstes Kind. Politik? Interessiert nicht. Jetzt gibt’s Unterhaltung: Entertainment first.
Wenn Politiker sagen, zuerst das Land, dann die Partei, glaubt ihnen das längst niemand mehr. Journalisten behaupten in der Regel nicht, dass es ihnen zuerst ums Land geht. Ihnen würde es ebenfalls kaum wer abnehmen.
Der Medienwissenschaftler Norbert Bolz spricht im verwandten Zusammenhang vom Umgang mit den Fakten in der neuen Mediensphäre Internet von „Schwanengesang der klassischen Leitmedien“. Gut möglich, dass wir Zeugen eines doppelten Schwanengesangs sind: der Parteien und Medien.
Entpolitisierung ist das Programm, das nun bis zum 24. September täglich als Endlosschleife der Massenmediendemokratie auf allen Kanälen läuft. Als wäre es das Ziel einer magischen unbekannten Macht, die Nachdenklichen unter den Wahlberechtigten ins Lager der stärksten Partei zu jagen, der „Partei der Nichtwähler“.
Der tatsächlichen Unterhaltung tut das die ganze Zeit schon gut. Leider misst niemand, jedenfalls nicht, das ich Zugang hätte, wie viele Zuschauer und Leser an den Politikteilen der Programme und Druckseiten vorbei zu Sport und Spielfilmen, Tierdokumentationen, Blödelstreifen, Comics und Zeichentrickfilmen direkt flüchten. Ich wette, noch nie war das Wegzappen bei denen, die absichtlich oder irrtümlich bei Nachrichtensendungen landen, so schnell und häufig.
Alte Sprichworte helfen erstaunlich oft weiter, hier passt. Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Ja , Herr Bolz, Schwanengesang ist ein gutes Bild für Parteien und Massenmedien in unseren Tagen.
Und Schulz oder Merkel? Ein kluger Leser hat dazu alles Nötige gesagt: Dass der Bürger von ihm allenfalls mehr vom gleichen erhalten kann als von ihr.