Tichys Einblick
Grün gewinnt, SPD verliert

Kommunalwahl NRW: Die Botschaft für den Bund

Kommunalwahlen können kaum auf den Bund hochgerechnet werden. Doch klar ist: Der Genosse Trend ist grün, nicht mehr rot. Armin Laschet hat Rückenwind.

imago Images/Rüdiger Wölk

Kommunalwahlen kann man nicht mit einer Zahl messen. Zu unterschiedlich sind Bedeutung und Mehrheiten in Kommunen und Gemeinden, Persönlichkeiten und die Folgen des komplizierten, weil demokratischen Wahlrechts, das Kandidaten mehr Bedeutung verleiht als diesen Landeslisten, die in den Hinterzimmern von den jeweiligen Parteioberen ausgekaspert werden.

Trotzdem: das Ergebnis in Nordrhein-Westfalen spricht eine deutliche Sprache. Die SPD hat ihr Stammland verloren. Das Wort von Dortmund als der „Herzkammer“ ist verbraucht. Aber wenn der dortige Kandidat der SPD in die Stichwahl muss, dann ist das ein Stich ins Herz. Nichts ist mehr selbstverständlich. Zählt man landesweit die Stimmen, landet die SPD unter 25 % (die Prognosen zum Zeitpunkt des Artikels geben ihr sogar nur 23,5%. Aber das muss nicht bleiben – der Trend schon.)

Der Niedergang der SPD marschiert von oben nach unten. Zuerst mit Steinbrück, Steinmeier und Schulz auf Bundeseben; er wiederholte sich auf Landesebene und vollendet sich in den Städten und Gemeinden. Die SPD ist keine Volkspartei mehr.

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Ihr Vorbild ist Bayern; da holen die Genossen noch 7 Prozent. Die Ortsvereine verdampfen. Die Mitglieder verduften. Die Ideen fehlen. Nun waren die Wähler dieser Partei ja lange treu, viele empfinden es als schmerzhaften Verlust, nicht mehr SPD wählen zu können. Das Kreuz woanders zu machen, fällt vielen so schwer, wie dem Katholiken der Kirchenaustritt. Es ist ein Heimatverlust. Ist er vollbracht, folgt die Erleichterung und der Weg zurück ist nach dem Bruch unmöglich.

Die Kommunalwahl ist daher bei allen Einschränkungen, die oben genannt wurden, für die SPD eine Katastrophe. Der schnelle Schwund folgt erst noch. Aber die SPD hat keine Antworten auf die Fragen ihrer Wähler: wo sollen sie noch bleiben im Zug der großen Einwanderung, der ihre Städte so dramatisch verändert? Wo sollen Jobs herkommen, die jene ersetzen, die jetzt durch die Entindustrialisierungspolitik verloren gehen?

Essen hat sich noch vor 10 Jahren als „Energiehauptstadt“ Deutschlands verstanden. Aber die Energie kommt jetzt aus Frankreich und Tschechien. Das Sterben in den Dienstleistungsbereichen wie Gastronomie und im Handel im Zuge der Coronapolitik wird sichtbar – und spürbar. Wer darüber nachdenkt ist ein „Covidiot“, so Parteichefin Saskia Esken. So vertreibt man Wähler. Zwar stammt ihr Co-Vorsitzender aus NRW, Norbert Walter-Borjans. Er wirkt seltsam entrückt; wie ein Rentner, der aus dem Mittagsschlaf gerissen wurde. Hilflos, kraftlos, saftlos. Esken übt schon mal die Begründung von Wahlschlappen.

Was die SPD verliert, gewinnen die Grünen. Die urbanen Eliten sind längst bundesweit homogen. Sie haben sich aus der materiellen Enge befreit, es sind die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Da läßt sich gut fabulieren, wenn man erst für sich die materielle Fragestellung überwunden hat.

Längst stinkt es nicht mehr im Ruhrgebiet, keine Sirene heult mehr, keine Bergmannskapelle spielt noch auf. Man träumt vom grünen Stahl, der die letzten Hüttenwerke in Duisburg retten soll. Das wird er auch, wenn er mit dem fünffachen des globalen Stahlpreises subventioniert wird. Das ist der Kern der grünen Wirtschaftspolitik: Mit Hilfe frisch gedruckten Geldes eine Scheinwirtschaft erzeugen.

Kommunalwahlen
Auch in NRW geht die Verdrängung der SPD durch die Grünen weiter
Solche Träume finden Anhänger in den Bereichen, die sich ökonomischen Kategorien entzogen haben und sich als Macher einer grünen Staatswirtschaft verstehen. Wertschöpfung braucht kein Mensch, der Klima sagen kann und damit die Gefahr bannt, jemals tätig werden zu müssen und sich der Realität zu stellen.

Im Gegenteil, Arbeit schändet, denn damit werden Ressourcen verbraucht; der Unterhalt kommt vom Genderstern. Sie leben auch vom Charisma, das Sieger umgibt. Denn das ist eine der Botschaften, die nach NRW durch die Medien gereicht werden: Zusammen mit der CDU reicht es für eine große Koalition im Bund. Die ausgelaugte, verbrauchte SPD wird ersetzt durch grüne Allmachtphantasien, die für NRW allerdings keine Rezepte bieten. Aber man wählt Traum statt Realität.

Die CDU fühlt sich trotz leichter Stimmenverluste als Wahlsieger. Ja, sie ist stärkste Partei, und siehe oben, mit den Grünen hat sie ihren Traum-Koalitionspartner. Erfolg sieht anders aus.

Die Kandidatin der CDU in Köln, der größten Stadt des Landes,  muss voraussichtlich ebenfalls in die Stichwahl. Es ist jene unglückliche und glücklose Henriette Reker, die von Übergriffen bedrohten Frauen empfiehlt, „eine Armlänge Abstand zu halten“. Nicht alle Wähler haben ihr die berüchtigte Silvesternacht verziehen, ohnehin dümpelt Köln vor sich hin, ohne städtische Impulse, die die Stadt einst zum bunten und kraftvollen Zentrum von Kultur, Politik und Wirtschaft gemacht haben. Stagnation ist Programm, und die Müllabfuhr kommt später. Das größte Problem ist der Corona-bedrohte Karneval.

In Düsseldorf hängt sie Amtsinhaber Thomas Geisel (SPD) ab, der durch die Stadtpolitik irrlichterte. Weder Köln noch Düsseldorf hatten Glück mit ihren OBs; aber die CDU könnte damit zeigen, dass sie doch Großstädte für sich gewinnen kann. Die CDU bereitet sich sichtbar darauf vor, wenigstens noch mit den Grünen zusammen im Bund noch regieren zu können, auch wenn sie sich verdünnt.

Erstaunlich ist der Anstieg der AfD; wer ohne Wahlplakate kämpfen und wessen Kandidaten um Job und Gesundheit fürchten muss, für den ist eine Fast-Verdopplung auf knappe 6 Prozent ein ermutigendes Signal. Mit 12,9 % in Gelsenkirchen, 9,29 % Duisburg, 7,59 % Oberhausen, 7,18 % Mülheim ist sie stark in den früheren Industrierevieren, die langsam vor sich hin sterben und wo früher SPD gewählt wurde. Die FDP dagegen bleibt schwach, obwohl sie im Land mitregiert. Sie leidet unter ihrer Mutlosigkeit  und seltsamer Personalpolitik.

Und damit ist die Botschaft klar aus NRW: CDU bleibt ungeliebt, aber stärkste Partei; die SPD wird ihren Niedergang nicht mehr stoppen können. Sie verliert ihren Job als Kanzler-Macherin an die Grünen. Die AfD macht die Opposition. Dort wird sie auf die SPD treffen, die sich mit den Linken als weiteren Verlierer in den Armen liegen wird.

Armin Laschet geht gestärkt in den innerparteilichen Wahlkampf um den Parteivorsitz. Das gute Ergebnis wird als sein Verdienst gewertet: Norbert Röttgen und Friedrich Merz, beide aus NRW, haben dazu nichts beigetragen.

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