Man könnte beinahe sagen, Nancy Faeser und Christian Lindner mauern gegen mehr Flüchtlinge. Aber wirklich nur beinahe. Denn „Mauern“ sähe (siehe Spanien, Polen, Litauen oder Griechenland) anders aus. Was die beiden Bundesminister aber sagen, ist dies: Die deutschen Städte, Landkreise und Gemeinden brauchen nicht noch mehr Mittel für die Aufnahme von Flüchtlingen oder Asylbewerbern. Was daraus gewissermaßen logisch folgt, ist: Die Kommunen brauchen auch nicht mehr Migranten.
Doch dieser Gefallen wird ihnen vom Bund nicht getan. Stattdessen ist nicht klar, ob beispielsweise Olaf Scholz Grenzzäune an den Ostgrenzen der EU unterstützt (beim französischen Präsidenten Macron ist sich der griechische Premier Mitsotakis hingegen sicher, dass er das tut). Ziemlich klar ist einem Bundespolizisten Heiko Teggatz dagegen, dass Nancy Faeser keine festen Kontrollen an deutschen Grenzen einführen wird, wo sie nicht schon vor ihr bestanden. Deutlich wird zudem, dass die gesamte Ampel plus CDU/CSU die sogenannte „private Seenotrettung“ im zentralen Mittelmeer – in Wahrheit ein staatlich und supranational (EU) finanzierter Pseudo-NGO-Schlepperdienst –, mit viel Geld direkt aus dem Bundeshaushalt päppelt.
Eine deutsche Kirchen-NGO erhält so ab sofort zwei Millionen Euro pro Jahr, um NGO-Schlepperschiffe im Mittelmeer seetüchtig zu halten und gegebenenfalls auch die Prozesskosten gegen den italienischen Staat zu bezahlen. Das war ein Geste, die man eigentlich nur als Kampfansage an Giorgia Meloni verstehen kann. Nun ist die Frage, ob sich die Italienerin der Berliner Ansage fügen wird. Die andere Frage ist, wann die deutsche Ampel es lernt, sinnvolle Prioritäten in ihrem Handeln zu setzen.
Während SPD und FDP sich durchaus widersprüchlich verhalten, dabei aber immerhin mit gewissem Erfolg den Eindruck erwecken, sie verstünden, dass staatliche Ressourcen endlich sind, sind die Grünen als dritter Partner im Bund hier eindeutig anderer Ansicht. Das zeigen sie nicht nur mit ihrer „Klima“- und Energiepolitik, sondern auch bei der Unterstützung der unbegrenzten illegalen Zuwanderung. Diese muss man folglich auch nach erfolgter Einreise mit allem, was nur geht, unterstützen.
SPD-Vertreter läuten den Alarm und rühren die Trommel
Im hessischen Main-Kinzig-Kreis wurde im März 2017 der Verwaltungswirt Thorsten Stolz (SPD) zum Landrat gewählt. Er steht einem Kreis vor, in dem viele Bürgermeister derselben Partei angehören. Die SPD Main-Kinzig beschäftigt sich aktuell mit dem Thema bezahlbares Wohnen, mit der Erweiterung von Schulen oder dem öffentlichen Nahverkehr in Hanau. Daneben setzt man seine Hoffnungen in den 10. Mai, das ist der Tag, an dem sich Olaf Scholz mit den Länderchefs treffen will, um endlich Boden in die verfahrene Migrationslage zu bringen.
Der Main-Kinzig-Kreis wartet aber nicht untätig, vielmehr haben der Kreis und die Bürgermeister ein 13-Punkte-Papier veröffentlicht. Danach fordern die Kreis- und Kommunalvertreter zum einen eine bessere Abstimmung der Flüchtlingspolitik auf EU-Ebene, die noch nicht direkt um die Ecke sein dürfte; andererseits wollen sie dem Bund „eine eigene operative Verantwortung bei der Aufnahme der nach Deutschland flüchtenden Menschen“ zuweisen. Und das scheint immerhin logisch, zumal die Bundesregierung ja auch nach außen hin „operative Verantwortung“ für das Hereinströmen der Migranten, Asylbewerber und (vielleicht auch noch ein paar) Flüchtlinge übernommen hat.
Mehr Verantwortung in Migrationsfragen für den Bund?
Tatsächlich schickte man das Papier nicht an die Brüsseler EU-Gouverneure, sondern nur an Olaf Scholz und Konsorten (das ist Nancy Faeser, beide SPD) sowie Ministerpräsident Boris Rhein und Konsorten (das ist der Staatsminister des Innern Peter Beuth, beide CDU). So weit ist es noch nicht, dass deutsche Landkreise Petitionen an die EU-Kommission verschicken. Das hätte sicher auch wenig Sinn, denn die Kommission ist nicht in der Lage, ihre Probleme mit einem schnellen Maßnahmenpaket zu lösen, wie es sich Stefan Erb (SPD), Sprecher der Bürgermeisterkreisversammlung des Kreises, vom Kanzlergipfel im Mai wünscht – wohl vor allem als Schritt hin zu mehr Geld für die Kreise und Kommunen und etwas Verantwortungs-Entwirrung zwischen Bund, Ländern, Kreisen und Gemeinden. In der EU, wo es ja nur um Absprachen in Sachen Migrations- und Asylregeln und mehr Außengrenzschutz gehen kann, wären deutlich dickere Bretter zu bohren. Und so wissen auch die deutschen Landräte und Bürgermeister, dass hier keine Sofortmaßnahmen zu fordern sind.
In ähnlicher Weise fordern auch andere Kommunalvertreter wie Gerd Landsberg (CDU), der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, einen „Kraftakt von Bund und Ländern, der die Kommunen bei Unterbringung, Integration und Finanzierung langfristig unterstützt“. Die Kommunen seien „an ihrer Belastungsgrenze bei Unterbringung und Integration“, zunehmend fehle „geeigneter Wohnraum, um die Menschen angemessen unterzubringen“. Man fragt sich allerdings, wie lange dieser Zustand, wo man quasi ständig „auf Messers Spitze“ agiert, noch andauern soll.
Auch in Hessen wünscht man sich eine „Landesobhut“ für abgelehnte Bewerber
1. „In die Bundesländer und vor allem in die Kreise und Kommunen sollen nur die Geflüchteten weiterverteilt werden, für die eine Bleibeperspektive festgestellt wurde.“ Das entspricht vollkommen dem Vorschlag brandenburgischer Landräte, https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/landraete-brandenburg-zuwanderung-forderung/ den der Landesinnenminister in Gestalt von „Landesobhuteinrichtungen“ umsetzen wollte, was allerdings nach einem Kompromiss der Potsdamer Kenia-Koalition (Rot-Schwarz-Grün) schon wieder vom Tisch ist.
2. Für eine bessere Integration“ fordern Kreis und Kommunen „Erleichterungen bei der beruflichen Integration sowie eine Kostenerstattung, nicht nur mit Blick auf die Unterbringung und Versorgung sondern auch für die folgenden Integrationsmaßnahmen“. Man will die, die laut Asylentscheidung bleiben können, auch wirklich in Arbeit integrieren. Ob „Kostenerstattungen“ vom Bund dabei helfen, bleibt offen.
3. Für die „vielen Familien“, denen der Main-Kinzig-Kreis inzwischen nach einer „sehr langen Zeit“ des Aufenthalts zur „Heimat“ geworden sei, brauche es „Raum, den wir schaffen müssen, aber das können der Kreis und die Kommunen nicht alleine“. Auf Deutsch: Die Neusiedler brauchen auch Wohnungen, bitte nicht vergessen.
4. „Die Schaffung von Wohnraum, Kitas und Schulplätzen soll daher durch eine Anpassung bei den Standards und einem finanziellen Ausgleich befördert werden.“
Die Bürgermeisterin von Maintal berichtet vom angespannten Immobilienmarkt in der Rhein-Main-Region, ein Problem, das auch durch Neubauten nicht lösbar sei, weil die Baupreise zu hoch liegen, schließt aber mit der Forderung, dass der Bund – oder besser der deutsche Steuerzahler – „die hohen, aber notwendigen Kosten“ tragen solle.
Der Bürgermeister von Soden-Salmünster ergänzt: „Wir (als Kommunen) schaffen Notunterkünfte, Gemeinschaftseinrichtungen und behelfsmäßigen Wohnraum. Damit gewinnen wir etwas Zeit, um dauerhafte Bauten fertigzustellen. Am wichtigsten ist bei alledem aber, die Menschen immer mitnehmen zu können und auch begründen zu können, was wir tun und wie sich die Situation darstellt.“ Faszinierend ist, wie noch das wackligste Gerüst des Verwaltungshandelns zum sicheren Podest erklärt wird. Was an Notbehelfen errichtet wird, das muss zugleich den Bürgern als repräsentatives, sinn- und verantwortungsvolles Handeln der Kommunen verkauft werden.
Kommunalvertreter will „Langfrist-Strategie“ wegen Klimawandels – Grüne fordert maximale Flexibilität vom Staat
Landsberg ist damit ganz nah bei der Linie der Grünen angekommen, die ganz ähnliches fordern. Etwa Filiz Polat, Geschäftsführerin der grünen Bundestagsfraktion, die in der Neuen Osnabrücker Zeitung ein „deutliches Signal“ von Olaf Scholz „zur angemessenen finanziellen Unterstützung der Kommunen durch den Bund“ verlangte. Dazu soll der Bund einfach auf die Krisenjahre 2015 und 2016 zurückschauen und seine Hilfen aus diesen Jahren wiederaufleben lassen – vermutlich mit nur einem Unterschied: Nun sollen die Hilfen auf Dauer fließen.
Außerdem solle die „Wohnverpflichtung in den Erstaufnahmen“ fallen, was als Forderung vielleicht auch damit zu tun hat, dass der Parteigenosse Kretschmann sich in Baden-Württemberg gerade schwertut, eine neue LEA (Landeserstaufnahmeeinrichtung) zu bauen. Polat möchte Asylbewerber ähnlich wie Ukraine-Flüchtlinge bei Verwandten unterkommen lassen. Sie fordert mehr Flexibilität vom deutschen Staat in diesen Fragen: „Gleiches gilt für die Arbeitsverbote oder den Zugang zu Sprach- und Integrationskursen.“ Wobei nicht ganz klar ist, was eigentlich an diesen Maßnahmen „gleich“ ist, gleichmacherisch, uneingedenk der Unterschiede, werden sie wohl allemal ausfallen.
Das beredte Berliner Schweigen zu den Nöten der Gemeinden
Zurück in den Main-Kinzig-Kreis sind auch die gelieferten Zahlen des Manifests durchaus interessant: Kamen im vergangenen Jahr 9.200 „Geflüchtete“ nach Main-Kinzig, so waren es in diesem Jahr schon über tausend, wobei man von einer Zunahme des „Fluchtgeschehens über den Sommer hinweg“ ausgeht. Mit diesen Zahlen kommt der Main-Kinzig-Kreis aber sogar noch gut weg. Gemessen an seiner Bevölkerungsgröße hätte er bei einer gleichmäßigen Verteilung von Ukrainern und Asylmigranten etwa 57.000 von ihnen im letzten Jahr aufnehmen müssen, dieses Jahr wären bereits 4.000 Menschen in den Kreis geströmt. Das wären jeweils fünf Prozent des Gesamtzuwachses von 1,14 Millionen „registrierten Schutzsuchenden“ (laut Destatis) bzw. 80.000 neuen Asylanträgen dieses Jahr. Übrigens war dem Kreis am Jahresbeginn 2022 etwas von 2.000 Asylbewerbern signalisiert worden. Das war alles, mit dem man damals planen konnte.
Skandalös ist allerdings etwas anderes: Die Vertreter des hessischen Landkreises und seiner Kommunen berichten, dass Anschreiben an das Land in dieser Frage „seit Monaten unbeantwortet“ geblieben sind. Das sieht genauso auch auf der Bundesebene aus. Auch BMI oder Kanzleramt sahen anscheinend nie einen Anlass sich mit protokollarisch Minderbemittelten wie den deutschen Landräten oder Bürgermeistern vertraulich auf eine Ebene zu begeben. Stattdessen zog man seine Politik durch, bei allenfalls zarten Anpassungen am Gewinde. Meist drehte man das Ventil damit aber noch weiter auf – wie durch den Koalitionsbeschluss zu den Mittelmeer-NGOs.
Natürlich dient auch eine Vielzahl der Gesetzentwürfe, die das Haus Faeser vorlegte, vor allem der Anziehung neuer illegaler Migranten, denen auch bei ablehnendem Asylbescheid nicht mehr jahrelange Duldung, sondern „Chancenaufenthalt“ mit Legalisierungsoption für Illegale versprochen wird und natürlich der rasche Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit. Daneben wollen gerade SPD und FDP auch Menschen nach Deutschland locken, die hier noch keine Arbeit haben – das nennt sich dann „Chancenkarte“ und kann, angesichts der Unfähigkeit deutscher Länder beim Abschieben, rasch zur Stempelkarte beim örtlichen Jobcenter werden.