Es ist nun mehr als ein Jahr her, dass das EU-Parlament über das umstrittene neue Urheberrecht abgestimmt hat. Besonders Artikel 13 des Entwurfs hatte damals für viel Furore gesorgt. Er sieht vor, dass Internet-Plattformen dafür haftbar gemacht werden, wenn sie urheberrechtlich geschütztes Material auf ihren Seiten verbreiten, ohne hierfür eine Lizenz zu haben. Das erzwingt sogenannte Uploadfilter, die also automatisch potentiell rechtswidrige Inhalte löschen – sonst drohen den Internetkonzernen schließlich astronomische Strafen. Dass so ein Filter aber nicht in der Lage ist, rechtliche Grauzonen zu bewerten (Video-Zitate etc.) ist selbstredend. Die Zensur wäre also überdimensional und würde über das Sperren rechtswidriger Inhalte hinausgehen.
Zu Protesten gegen das geplante neue EU-Urheberrecht waren im Mai 2019 hunderttausende Menschen europaweit auf den Straßen. Quer durch die Gesellschaft, jung und alt, links und rechts – für alle war der Eingriff in das geliebte Internet ein Schritt zu weit. Vor allem Generation YouTube war empört. Sogar für Rezo ging der geplante Uploadfilter “so gar nicht klar”. Die Bundesregierung hatte sich den Protest zu Herzen genommen – sagte sie jedenfalls. Sie gab bekannt, dass sie sich richtig richtig doll anstrengen will, um den Gesetzesentwurf in Deutschland ohne Filterzwang durchzusetzen, weil sie das auch voll uncool findet.
Schaut man sich Statements zu Uploadfiltern zur Zeit der Proteste an, findet man eigentlich keine Befürworter. SPD und Union hatten sich schon im Koalitionsvertrag ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt. Wörtlich: „Eine Verpflichtung von Plattformen zum Einsatz von Uploadfiltern, um von Nutzern hochgeladene Inhalte nach urheberrechtsverletzenden Inhalten zu filtern, lehnen wir als unverhältnismäßig ab.“ Auch in einer Protokollerklärung hat die Bundesregierung bei der Abstimmung im EU-Rat vergangenen Jahres noch einmal bekräftigt, dass sie die Uploadfilter verhindern will. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hatte vergangenes Jahr noch gewarnt: „Dann laufen noch mehr Daten durch die Hände der großen amerikanischen Internetkonzerne, die dann noch mehr über alle Nutzer erfahren. Uploadfilter halten wir deshalb für falsch und gefährlich.“ Kurz gesagt: für alles was Rang und Namen hat, ging der Filterzwang ebenso gar nicht klar, wie für Rezo.
Es gibt auch für die größeren Plattformen einen Wege, Uploadfilter zu umgehen: Lizenzen erwerben. Alle anderen müssten einfach nur „bestmögliche Anstrengungen“ unternehmen – man könnte sich also ganz einfach frei kaufen. Allerdings ist es nahezu unmöglich, Nutzungsrechte für alle Inhalte zu kaufen. Es gibt zu viele unterschiedliche Rechteinhaber und Verwertungsinteressen – und alle wollen auch noch was vom Kuchen abhaben. Die Plattformen müssen Filter einsetzen, wenn sie nicht für Urheberrechtsverletzungen haften wollen. Also anders als das Justizministerium behauptet, ist der Uploadfilter nicht weg – er ist nur woanders.
Und während alle Kritiker sich bestätigt fühlen, und es aus allen Ecken Protest gibt, ist sich die Bundesregierung keiner Schuld bewusst. Sie hat ja ihr bestes gegeben und eine Zensur findet nicht statt.
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