Vor fünf Jahren zu Silvester 2015/16 kam es zu den Massenübergriffen zwischen Kölner Dom und Hauptbahnhof – und in den Tagen darauf zu einer Glaubwürdigkeitsschmelze sehr, sehr vieler Medien, die tagelang warteten, bis sie überhaupt darüber schrieben oder sendeten. Dass Journalisten in der Stadt schon früh Bescheid wussten, führte damals der „Kölner Stadtanzeiger“ vor, der Online schon am 1. Januar über die Attacken schrieb. Der WDR, vor dessen Haustür sich in der Nacht mehr als eintausend Straftaten abspielten, hielt sich lange zurück. Das ZDF-Hauptprogramm wartete sogar bis zum 5. Januar bis zu einer Erwähnung im heute-Journal – um dann am 7. Januar seinen Zuschauern im Morgenmagazin eine Ablenkungsgeschichte mit spekulativen Vergewaltigungszahlen zum Oktoberfest zu servieren.
Auch eine ARD-Redakteurin beteiligte sich damals per Twitter an der rettenden Oktoberfest-Mär. Denn die bis dahin einigermaßen intakte politisch-mediale Willkommenskulisse, das war allen Beteiligten klar, stürzte in diesen Tagen ein, und ließ sich danach nur noch notdürftig restaurieren.
Nach fünf Jahren erinnern mehrere Medien an diesen Umschlagpunkt vor fünf Jahren. Die juristische Aufarbeitung ist heute abgeschlossen. Nach den 1210 Straftaten der Kölner Silvesternacht gab es ganze 36 verurteilte Täter. Manche Medienmacher verzichteten ganz auf eine Rückblende, etwa die Verantwortlichen des ZDF heute-journals. Aber auch diejenigen, die sich heute bemühen, demonstrieren dabei vor allem eines: sie haben seit 2015 kaum etwas gelernt. Wieder ersetzen sie den Bericht durch das so genannte Narrativ, sie framen, retuschieren und wiederholen damit nur leicht variiert ihre Bericht- beziehungsweise Nichtberichterstattung von damals. Bei der Rückschau auf Köln spielt übrigens eine staatlich finanzierte politisch-mediale Institution eine Rolle, die schon seit einiger Zeit daran arbeitet, die Kölner Geschichte von 2015/16 umzuschreiben. Dazu später.
Beginnen wir mit einem Rückblick-Text des dpa-Redakteurs Christoph Driessen, der in der Welt, auf Focus Online, in der Rheinischen Post und in der Saarbrücker Zeitung erschien:
Schon das ist bemerkenswert: Zum Jahrestag eines zentralen Ereignisses der letzten Jahren, zumal eines Vorgangs, in dem der größte Teil der deutschen Medien spektakulär versagten, fällt einer ganzen Reihe von Blättern nichts anderes ein als die Übernahme des gleichen dpa-Stücks. Das eigentliche Problem steckt allerdings in Driessens Text selbst: „Die körnigen, verschwommenen Handybilder“, heißt es dort, „gingen damals um die Welt: im Vordergrund junge, dunkelhaarige Männer, die Feuerwerkskörper in die Menge schießen, im Hintergrund die Portale, Fenster und Strebebögen der Kathedrale, die wie kaum ein anderes Bauwerk in Deutschland für das christliche Abendland steht. (…) Die Kölner Silvesternacht bezeichnet einen Wendepunkt in der Flüchtlingsdebatte. Viele sprachen vom Ende der Willkommenskultur, es folgte ein monatelanger Sicherheits- und Fremdheitsdiskurs.“
Für die mehr als 600 Opfer dieser Nacht folgte in der Regel mehr als ein „Sicherheits- und Fremdheitsdiskurs“. In Köln fand damals kein soziologisches Seminar statt. Genau so, als wäre das doch der Fall, liest sich die Umdeutungsprosa zum Jahreswechsel 2020/21.
Denn in dem, was nun folgt – und nicht nur in diesem dpa-Stück – kommt der Bielefelder Sozialpsychologen Andreas Zick umfangreich zu Wort:
„Nach Erkenntnissen des Sozialpsychologen Andreas Zick kam es dabei zu einer Überbetonung von Kriminalität durch Migranten, ‚die nicht übereinstimmte mit der Kriminalstatistik, insbesondere bei der Frage: Welche Gruppen sind anfällig für Straftaten?’“
Anfällig für Straftaten, ganz nebenbei, waren in dieser Silvesternacht vor fünf Jahren junge Frauen. Und: Welche angebliche Überbetonung stimmt hier mit welcher Kriminalstatistik nicht überein? Dazu später. Zunächst versucht sich der Autor des Beitrags ganz ohne Unterstützung von Zick in der War-alles-ganz-anders-Tonlage des Faktencheckers: „Die AfD und andere nutzten die Ereignisse, um die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) anzugreifen. Nach Angaben der Kölner Staatsanwaltschaft stammte jedoch der Großteil der Beschuldigten aus Algerien und Marokko – nicht etwa aus Syrien, dem Land, aus dem in den Monaten zuvor Hunderttausende Kriegsflüchtlinge in Deutschland Schutz gesucht hatten.“
„Jedoch“ – was soll diese Rahmensetzung den Lesern sagen? Wenn „der Großteil der Beschuldigten“ aus Algerien und Marokko stammte und „nicht etwa“ aus Syrien, dann beweise das, so suggeriert der dpa-Text, wie falsch damals alle lagen, die eine Verbindung mit Merkels Migrationsentscheidung vom Spätsommer 2015 zogen. Denn das tat ja nicht nur die AfD.
Ganz offensichtlich – und darum kreiste die Debatte, die viele Wohlmeinende offenbar als unangenehm empfanden – griffen in Köln junge Männer aus muslimisch geprägten Ländern zu. Insgesamt betrug 2015 laut Bundesinnenministerium der Männeranteil unter den Migranten gut 70 Prozent, 71 Prozent der Einwanderer waren unter 30, und 73 Prozent Muslime. Genau diese Kernfrage, das Frauenbild zugewanderter muslimischer Männer, behandelte auch das Buch „Der Schock von Köln“.
(Ganz nebenbei noch einmal zu den Migranten aus Nordafrika: nach Angaben der Bundesregierung erhielten 2015 zwei Algerier Asyl (bei insgesamt 2 240 Anträgen), niemand aus Marokko (1 747 Anträge), ebenfalls null aus Tunesien (923 Anträge). Neun Algerier und 22 Marokkaner bekamen 2015 Flüchtlingsschutz, sieben Algerier, 14 Marokkaner und ein Tunesier subsidiären Schutz, also die niedrigste Schutzkategorie.)
Der dpa-Artikel verschiebt mit Zicks Hilfe den Blick von den Opfern (die in dem Text nur ganz am Rand vorkommen) und den Tätern zum politischen Stimmungsbild:
„Umfragen hätten gezeigt, dass als Folge davon Polarisierungseffekte in der Bevölkerung eingetreten seien. So sei die Zustimmung zu dem Satz ‚Wir sollten stärker darauf achten, nicht von Migranten überrannt zu werden’ von 28 Prozent im Jahr 2014 auf 42 Prozent 2016 gestiegen, so Zick.“
Manchen Lesern von TE kommt das Narrativ möglicherweise bekannt vor: Alle oder fast alle Migranten von 2015 waren Kriegsflüchtlinge aus Syrien, schon deshalb können die Übergriffe von Köln nichts mit der Einwanderungswelle von 2015 zu tun haben, außerdem wisse man gar nicht so genau, was damals vor dem Dom eigentlich passiert sei, das Problem sei die AfD, die dies und das „ausnutzte“. Tatsächlich stand das alles schon einmal fast genau so in einer Broschüre – in „Demokratie in Gefahr“ der Amadeu-Antonio-Stiftung von 2019. Dort heißt es:
„Im Jahr 2015 erreichten fast 890.000 Menschen, die Schutz vor dem syrischen Bürgerkrieg suchten, die Bundesrepublik Deutschland. Die AfD nutzte die damit einhergehenden Herausforderungen zielgerichtet aus.“
Es handelt sich, siehe oben, um ein handfestes Beispiel einer mit Regierungsgeld finanzierten Falschbehauptung. In der AAS-Broschüre lautet die Erzählung zu Köln:
„Ein Wendepunkt war dabei auch die Silvesternacht 2015/16 in Köln. Damals kam es auf der Domplatte zu sexuellen Übergriffen gegen Frauen, mutmaßlich durch Migranten. Die juristische Aufarbeitung der Vorfälle lief und läuft bis heute schleppend. Hintergründe und Details der Taten blieben weitgehend ungeklärt. Rechtspopulist*innen und Rechtsradikale nutzten die Situation, um das Bild des angeblich zu ‘sexuellen Übergriffen neigenden’ Geflüchteten als Gefahr für ‘deutsche’ Frauen zu verbreiten und politisch zu verwerten.“
Hintergründe weitgehend ungeklärt – auch das stellt eine grobe Irreführung dar, die jetzt, zum fünften Jahrestag der Übergriffe gezielt in mediale Kanäle fließt. Übrigens unterhält die Amadeu-Antonio-Stiftung einen Stiftungsrat, der wiederum hat einen Stiftungsratsvorsitzenden: Professor Andreas Zick. Seit 2020 sitzt Zick auch in der „Fachkommission der Bundesregierung zu den Rahmenbedingungen der Integrationsfähigkeit“. Von beiden Gremientätigkeiten Zicks erfahren die Leser des dpa-Beitrags nichts. Dabei ist es keine Marginalie, dass mit Zick nicht einfach ein Bielefelder Sozialpsychologe die Ereignisse von Köln im Rückblick kommentiert, sondern das führende Mitglied einer Stiftung, die massiv daran arbeitet, die Vorgänge von damals umzudeuten.
Zick geht nicht zum ersten Mal an das Mikrofon, um den richtigen Dreh zu liefern, wenn sich unangenehme Dinge ereignen. Nach den gewalttätigen linksextremistischen Ausschreitungen zum G20-Gipfel 2017 in Hamburg bestätigte er der ARD gern, Ideologie hätte bei den Tätern „kaum noch eine Rolle“ gespielt.
Bekanntlich zimmerten der damalige SPD-Vize Ralf Stegner und andere dienstbare Geister seinerzeit das Narrativ, bei den Schwarzgekleideten, die ganze Straßenzüge verwüsteten, könne es sich unmöglich um Linke gehandelt haben.
Auch in einem Text des Tagesspiegel zu fünf Jahren Kölner Massenübergriffe– immerhin einem Eigenprodukt, nicht der dpa-Übernahme, kommentiert Zick ausführlich. Er streut wie auch bei anderen Gelegenheiten die Darstellung der AAS-Publikation, die Ereignisse von damals seien ja noch weitgehend ungeklärt.
„Die Lehren der berüchtigten Silvesternacht seien allerdings längst nicht so gezogen, wie das nötig wäre, sagt Zick. Bei der Polizei gehe der Prozess weiter, aber als Forscher sei er „frustriert“, dass sein Team und er die Arbeit, die damals begonnen wurde, nicht weitergeführt werde. Nicht nur die Schätze aus dem Abschlussbericht des Landtags seien nicht gehoben, es gebe auch ‚unglaubliches Videomaterial, etwa 7400 Stunden Videomaterial von Handykameras’.“
Die Leser erfahren nicht, was Zick oder andere daran gehindert hat, in fünf Jahren dieses Material zu untersuchen. Was sie ebenfalls nicht erfahren: Der Wiesbadener Kriminologe Rudolf Egg hatte schon für den Untersuchungsausschuss des Landtags von Nordrhein-Westfalen umfangreiche Unterlagen zu der Silvesternacht 2015/16 ausgewertet, und ein außerordentlich detailliertes Bild gezeichnet. Unter anderem belegte er, dass gut die Hälfte der Strafanzeigen der Opfer schon am 1. Januar 2016 gestellt wurde. Die Polizei und das Innenministerium von NRW wussten also schon früh ziemlich genau, was sich tatsächlich abgespielt hatte. In dem Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses lässt sich detailliert nachlesen, welche Tätergruppe in Köln aufgetreten war, wie sie vorging, und wie die Polizei versagte.
Auch, wenn es von Zick und anderen noch ungesichtetes Videomaterial gibt: Nichts spricht dafür, dass sich dadurch die grundlegenden Erkenntnisse zur Kölner Silvesternacht ändern könnten.
In dem dpa-Text zu fünf Jahren Köln tritt noch ein zweiter Kronzeuge auf, der Berliner Ethnologe Wolfgang Kaschuba.
„Der Berliner Migrationsforscher Wolfgang Kaschuba sieht es ähnlich“, heißt es dort: „Das Thema der sexuellen Gewalt habe durch die Silvesternacht ein Framing, eine Einbettung, bekommen – es sei nun in erster Linie mit Fremden verknüpft worden. ‚Es wurde suggeriert: Wenn wir die fremden jungen Männer fernhalten, dann halten wir uns damit auch dieses Problem vom Hals. Dabei wissen wir schon lange, dass über drei Viertel der sexuellen Übergriffe durch Freunde und Familie stattfinden. Die große Bedrohung kommt also nicht von außen, sondern von innen.’ Erst durch die MeToo-Bewegung sei das wieder zurechtgerückt worden.“
Auch Kaschuba bastelt hingebungsvoll seinen Strohmann. Dass sexuelle Gewalt in Deutschland ausschließlich von jungen eingewanderten Männern verübt würde – wer soll das behauptet haben? Und mit wem sollten die Übergriffe von Köln sonst „verknüpft“ werden, wenn nicht mit den Tätern, bei denen es sich tatsächlich um junge Migranten aus muslimischen Ländern gehandelt hatte?
Die Täter, framt Kaschuba drauflos, seien die eigentlichen Opfer:
„’Es gibt in deutschen Städten relativ viele junge Männer aus Nordafrika, die oft schon als Kinder unbegleitet hierhergekommen sind, also eine jahrelange Flüchtlingsbiografie hinter sich haben’, erläutert Kaschuba. ‚Sie haben nirgendwo Anschluss gefunden und sich deshalb auf Handtaschen- und Handydiebstahl verlegt. Und die landen eben an Silvester auf der Kölner Domplatte, weil sie keinen anderen Ort haben, an den sie gehen können. Das hat eher mit ihrer aktuellen sozialen Situation und weniger mit ihrer Herkunft zu tun.’“
Sie hatten „keinen anderen Ort“ als die Domplatte. Deshalb mussten sie belästigen und rauben. Ach. Wohnten sie dort? Falls nicht, dann mussten sie ja offenbar einen anderen Ort gehabt haben, an dem sie normalerweise lebten. Aus dem Untersuchungsbericht des Landtags geht übrigens hervor, dass die meisten jungen Männer, deren Daten damals festgestellt wurden, nicht in Köln gemeldet waren:
„Im Zuge der Datenauswertung wurden etwa 17.000 Personendaten erfasst, von denen etwa 3800 einen registrierten Wohnsitz oder anderweitigen Adressbezug zu Köln oder Leverkusen hatten. Bei diesen handelte es sich zum großen Teil um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.“
Auch Kaschuba gehört zu dem Kreis von Stichwortgebern, die sich nicht nur zu Köln gegenseitig die Bälle zuspielen. Mit Zick zusammen nahm er 2020 an einer Diskussionsrunde der Uni Bielefeld zur Notwendigkeit teil, die „Erinnerungskultur“ in Deutschland umzuprägen („Runter vom Sockel?“). Bei einer Gegen-Rechts-Tagung der Grünen in Karlsruhe 2017 gehörte er neben der AAS-Vorsitzenden Anetta Kahane zu den Referenten.
Bemerkenswert an dem dpa-Text, der seriell zu 5 Jahren Köln abgedruckt wurde, ist vor allem der Punkt, wer und was alles darin keine Rolle spielt. Das Versagen der Medien, die Oktoberfest-Ablenkungslüge: davon kein Wort. Das Frauenbild islamischer Männer, überhaupt Islam, mit dem sich beispielsweise Necla Kelek in „Der Schock von Köln“ beschäftigt hatte: kommt nicht vor. Stattdessen eben Männer, die „keinen Anschluss“ in der kalten deutschen Gesellschaft finden. Ein Soziologe und Frontmann der Antonio-Amadeu-Stiftung liefert die geschichtliche Deutung, assistiert von einem Ethnologen, der alles ganz ähnlich sieht wie der AAS-Stiftungsratsvorsitzende.
Und die eigentlichen Opfer? Ach ja, die gab es ja auch noch. In Driessens Text nehmen sie eine Statistenrolle ein. Ganz am Anfang und ganz zum Ende des Textes schildert er – nein, keine Frau, die betatscht und belästigt wurde, sondern eine, der in der Nacht jemand das Handy gestohlen hatte. Dabei gibt es eine bemerkenswerte Pointe:
„Übrigens schilderte die 20-jährige Frau aus Baden-Württemberg, der in der Silvesternacht von 2015 das Handy gestohlen worden war, vor Gericht noch eine andere Erfahrung. Ein Mann war ihr damals zu Hilfe gekommen und hatte ihr den Täter gezeigt, woraufhin sie ihn selbst verfolgte und sich das Handy zurückholte. Im Gerichtssaal traf die 20-Jährige nicht nur den Dieb wieder, sondern auch den unbekannten Helfer. Wie sich herausstellte, war es ein Baggerführer, der erst seit wenigen Jahren in Deutschland lebte. Er stammte aus Afghanistan. Ein Flüchtling.“
Hier zeigt sich noch einmal in schönster Blüte die Kardinaluntugend der gutmeinenden deutschen Presse, neben dem Framen und Narrativliefern: Analyse und Recherche werden, falls unangenehme Ergebnisse zu erwarten sind, durch die gefühlige Anekdote ersetzt. Immer wieder gern genommen: Der Flüchtling mit dem goldenen Herzen.
Irgendeine Selbstkritik in anderen Blättern, die über Köln in der Rückschau berichten? Nein, nirgends, dafür Spurenverwischung in eigener Sache. In dem Tagesspiegel-Text von Andrea Dernbach zum Rückblick heißt es:
„Der Presserat änderte seine Ethikrichtlinien und erlaubt seither, die Herkunft Verdächtiger oder von Tätern bei ‚berechtigtem öffentlichen Interesse’ zu nennen“ – so, als ob irgendwelche Ethikrichtlinien es damals geboten hätten, tagelang nichts zu berichten. Und auch hier darf der Einordner Zick wieder nicht fehlen: „2015 sei ‚ein Schlüsselereignis für Kriminialitätsberichterstattung’, sagt Zick. Es folgte eine ‚Überbetonung von Kriminalität, die nicht mit den statistischen Daten übereinstimmte, und Täter wurden homogenisiert, was auch nicht stimmte’.“ Was er mit homogenisierten Tätern meint, bleibt im Dunkel, ebenso, was er mit „Überbetonung“ meint. Dass junge Migranten vor allem bei Sexualstraftaten weit überrepräsentiert sind, gehört zu den mittlerweile statistisch gut erhärteten Daten.
Die Deutsche Welle geht in ihrem Rückschau-Beitrag ein ganz kleines bisschen auf die Rolle der Medien ein:
„Auch die Medien ziehen Konsequenzen. Denn ihnen wird ähnlich wie der Polizei vorgeworfen, zu zögerlich über die ausländische Staatsbürgerschaft der Tatverdächtigen informiert zu haben. Der Presserat ändert seine Leitlinien zur Herkunftsnennung von Tätern.“
Mit der Wendung „wird vorgeworfen“ fügt der Sender den Verneblungsversuchen von damals einen neuen hinzu. Es handelte sich ja nicht um Vorwürfe, sondern um Tatsachen. Und es ging nicht darum, dass Polizei und Medien „zu zögerlich“ über die „Staatsbürgerschaft der Tatverdächtigen“ berichtet hätten, sondern darum, dass sie erst einmal die Ereignisse in Gänze totschwiegen. Die Kölner Polizei log die Öffentlichkeit damals in ihrer Pressemitteilung vom 1. Januar 2016 frontal an. „Ausgelassene Stimmung – Feiern weitgehend friedlich“ hieß es damals über die Nacht mit über 1 200 Straftaten.
Damals, im frühen Januar 2015, hofften offenbar viele Journalisten, die hässlichen Bilder, um einmal das Wort Angela Merkels zu verwenden, irgendwie der Öffentlichkeit vorenthalten zu können. Als das nicht mehr ging, rumpelte eine ungeschickte, aber konzertierte Entlastungsoffensive los („Oktoberfest“). Und schon am 8. Januar 2016 meldete sich der „Deutsche Juristinnenbund“ und das feministische Aktionsbündnis „#ausnahmslos“, und prangerten die „rassifizierende Konzentration auf die Herkunft der Täter“ an.
Nach fünf Jahren hätten viele Medien ihre Chance gehabt, über ihre blinden Flecken nachzudenken. Stattdessen beteiligen sie sich reihenweise daran, das Ereignis endgültig umzuschreiben, und ihre Vertuschung von damals abermals zu vertuschen.
Köln 2015 war ein Desaster für die Glaubwürdigkeit vieler deutscher Blätter und Sender. Ihr Rückblick auf Köln fünf Jahre später wirkt eigentlich noch schlimmer als ihre vernebelte Sicht von damals.