Tichys Einblick
Und Köln sorgt sich vor allem um sich selbst

Köln: Brutaler Angriff auf Kippaträger

„Ausgerechnet Köln“, lautet der Tenor nachdem einen Kippaträger am Samstag geschlagen und getreten wurde, mit Joch- und Nasenbeinbruch als Folge. Die Stadt am Rhein sorgt sich offenbar vor allem um ihr eigenes Image. Von Sandro Serafin.

Getty Images

Vor 1.700 Jahren erließ Kaiser Konstantin ein Edikt, in dem er Juden erlaubte, städtische Ämter in Köln zu bekleiden. Das Gesetz ist der früheste Nachweis über jüdisches Leben „in Deutschland“ und in diesem Jahr Anlass zu diversen Feierlichkeiten. Die Stadt am Rhein zeigt sich besonders stolz auf ihr Erbe, passt es doch gut ins Narrativ der viel beschworenen Kölner Offenheit und Toleranz. So fährt in Köln zur Zeit eine Straßenbahn mit der Aufschrift „Schalömchen Köln!“ durch die Gegend. Erst vor einer Woche wurde unter anderem am Domforum unter den Klängen von „Hava Nagila“ ein 100 Quadratmeter großes Porträtmosaik angebracht, auf dem die Aufschrift „Schalom + Frieden für alle“ zu lesen ist.

Für einen 18-jährigen Kippaträger ist es mit diesem Frieden seit dem Wochenende jedoch vorbei. Er wurde in der Nacht auf den Samstag Opfer eines offenbar äußerst brutalen Angriffs im Kölner Kaiser-Wilhelm-Park. Der Betroffene war zunächst nach ersten Polizeierkenntnissen antisemitisch beleidigt worden. Als er auf die Anwürfe reagierte, soll er gegen 23:30 Uhr aus einer Gruppe von etwa zehn Menschen heraus geschlagen und getreten worden sein. Zudem entwendete einer der Angreifer seine Kippa. Das Opfer kam schwerverletzt ins Krankenhaus. Diagnose: Joch- und Nasenbeinbruch. Inzwischen ist der Betroffene laut Medienberichten wieder aus der Klinik entlassen.

Mithilfe von Videoaufnahmen konnte die Polizei später „zwei Heranwachsende“ im Alter von 18 und 19 Jahren identifizieren und festnehmen. Inzwischen befinden sich die Tatverdächtigen allerdings wieder auf freiem Fuß. Gegenüber der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) sagte ein Sprecher, dass es sich bei ihnen „um einen Deutschen und einen Deutschtürken“ handle. Laut WDR vom Sonntag sucht die Polizei derzeit noch Zeugen und fahndet nach weiteren Tätern. Wegen der laufenden Ermittlungen legt sie sich bislang nicht fest, „aus welchen Gründen genau“ die Tat begangen wurde.

In Köln sorgt man sich derweil vor allem um das eigene Image der Toleranz und Weltoffenheit. Es ist bei weitem nicht der erste antisemitische Vorfall in der Stadt, die seit Anfang des Jahres sogar über eine eigene Meldestelle für antisemitische Vorfälle verfügt. Die parteilose Oberbürgermeisterin Henriette Reker erklärte am Sonntag, Angriffe wie dieser schmerzten „hier bei uns ganz besonders“ – als würde es für den Betroffenen einen Unterschied machen, ob er in Köln, Leverkusen oder Dortmund zusammengeschlagen wird. Vermutlich wurden Reker diese Zeilen von ihrem Sprecher Alexander Vogel diktiert, der auf Twitter ins gleiche Horn bläst: Es mache wütend und traurig, dass so ein Angriff „mitten im weltoffenen und toleranten Köln passiert“. Natürlich: Hätte die Tat in Leverkusen oder Dortmund stattgefunden, müssten zumindest die Kölner nun weniger leiden.

In ihrer Stellungnahme erklärte Reker weiter, in ihrer Stadt müsse „jeder und jede angstfrei leben können, egal welcher Religion man angehört, welche Weltanschauung man hat und wie man lebt und liebt“. Was das Judentum mit der Frage, „wie man liebt“, zu tun hat, bleibt ihr Geheimnis, wie auch das der Kölner SPD, die ebenfalls pflichtschuldig ausführt: „Niemand darf wegen seiner Religion, Herkunft, Hautfarbe, sexuellen Orientierung oder politischen Überzeugung angegriffen und gedemütigt werden.“

Absurd muten auch die Reaktionen an, die auf das diesjährige kölnisch-jüdische Jubiläum Bezug nehmen, als wären die 1700 Jahre seither nur von Toleranz geprägt gewesen und als hätte es etwa die Judenpogrome von 1096 im Kontext des Ersten Kreuzzuges nie gegeben. Integrationsstaatssekretärin Serap Güler verwies auf Twitter darauf, dass Köln die älteste jüdische Gemeinde nördlich der Alpen habe, und fügte an: „Dass gerade in dieser Stadt so ein niederträchtiger & brutaler Angriff passiert bestürzt mich umso mehr.“ Gülers Chef Armin Laschet, immer noch Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, hat sich derweil noch nicht geäußert. Die CDU Köln, bis auf Güler ebenfalls noch sprachlos, verbreitet online stattdessen einen Wahlspot, in dem der Kanzlerkandidat durch das Berliner Holocaust-Mahnmal schreitet, dazu die Worte: „Ich stelle mich Hass, Hetze und Gewalt entgegen.“

OB Reker forderte die Stadtgesellschaft nach der Tat auf, deutlich zu machen, „dass wir dies nicht dulden“. Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, präzisierte, harte Strafen seien jetzt „das Mindeste“. Dass Juden dies überhaupt als Forderung erheben müssen, spricht nicht für die deutsche Justiz. Sigmount Königsberg, Antisemitismusbeauftragter der jüdischen Gemeinde Berlin äußerte bei Twitter denn auch „große Zweifel, ob es für die Täter zu empfindlichen Konsequenzen kommt.“

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