Tichys Einblick
Mea culpa

Klimawandel: US-Umweltschützer vollzieht Kehrtwende

2008 stand er auf der Liste der „Heroes of the Environment“, der „Umwelthelden“, die das Time-Magazine damals kürte. Nach jahrzehntelangem Einsatz für den Umweltschutz veröffentlicht Michael Shellenberger nun sein mea culpa.

imago Images/Zuma Press

Michael Shellenberger, Jahrgang 1971, vielbeachteter Autor von Büchern über den Umweltschutz, sorgt derzeit in den englischsprachigen Medien für Furore. Im Wissenschaftsmagazin Forbes erschien dieser Tage sein Bekenntnis, gemeinsam mit vielen seiner umweltaktivistischen Gefährten die ganze Welt in die Irre geführt zu haben. Shellenberger entschuldigt sich in seinem persönlichen Statement: „Im Namen von Umweltschützern überall auf der Welt möchte ich mich offiziell für die Klima-Panikmache entschuldigen, die wir in den vergangenen 30 Jahren erzeugt haben. Der Klimawandel findet statt. Aber er ist eben nicht das Ende der Welt. Er ist noch nicht einmal unser schlimmstes Umweltproblem. Vielleicht klingt es ja merkwürdig, wenn ich all das sage. Schließlich war ich 20 Jahre lang Klimaaktivist und 30 Jahre lang Umweltschützer“. Nun – da er vom amerikanischen Kongress als Energieexperte eingeladen wurde, „um eine objektive Expertenmeinung abzugeben“, fühle er sich jedoch verpflichtet, sich „dafür zu entschuldigen, wie stark wir Umweltschützer die Öffentlichkeit getäuscht haben“.

Weltuntergang fällt aus

Wir erinnern uns noch an die häufig kolportierte Aussage der demokratischen Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez, dass die Welt in zwölf Jahren untergehen werde, wenn wir nicht den Klimawandel angingen. Großbritanniens einflussreichste Umweltgruppe behauptete: „Der Klimawandel tötet Kinder“. Aufgrund dieser Panikmache hätten, so Shellenberger weiter, „die Hälfte der auf der ganzen Welt befragten Menschen im letzten Jahr gesagt, sie glaubten, dass der Klimawandel die Menschheit auslöschen werde. Und im Januar berichteten 20 % der britischen Kinder Meinungsforschern, dass sie Albträume über den Klimawandel hätten“.

Mitschuldig an der Panikmache

Doch nur wenige Menschen kennten wirklich die Fakten in Bezug auf den Klimawandel, wie etwa, dass die Menschen nicht ein Massenaussterben verursachten, oder dass der Kohlendioxidausstoß in den meisten reichen Nationen sinke, und in Großbritannien, Deutschland und Frankreich seit Mitte der Siebzigerjahre zurückgehe. Shellenberger, der mit seinem Engagement für den Regenwald mit 16 Jahren zum Umweltaktivisten wurde, habe es bis letztes Jahr meistens vermieden, sich gegen die „Klimahysterie“ auszusprechen. Einerseits deswegen, weil er beschämt war: „Immerhin bin ich wie jeder andere Umweltaktivist an der Panikmache mitschuldig. Jahrelang bezeichnete ich den Klimawandel als ‚existenzielle‘ Bedrohung für die menschliche Zivilisation und nannte ihn eine ‚Krise‘“. Doch meistens habe er Angst gehabt, sich nicht zu äußern: „Ich schwieg über die Desinformationskampagne in Bezug auf das Klima, weil ich Angst hatte, Freunde und finanzielle Förderungen zu verlieren. Die wenigen Male, da ich den Mut aufbrachte, die Klimawissenschaft vor jenen zu verteidigen, die sie falsch darstellen, litt ich unter drastischen Konsequenzen“.

Forbes zog den Artikel zurück

Nun bringt Shellenberger sein neues Buch mit dem Titel „Apocalypse Never – Why Environmental Alarmism Hurts Us All“ heraus – der weltweit größte Online-Versandbuchhändler listet es bereits auf dem ersten Platz der Sparte „Ökopolitik“. Der Bestseller stützt sich auf zwei Jahrzehnte der Forschung sowie drei Jahrzehnte seines Umweltaktivismus. Inhaltlich geht es um Klimawandel, Abholzung von Wäldern, Plastikmüll, Artensterben, Industrialisierung, Fleisch, Kern- und erneuerbare Energie. Shellenberger zufolge hätten wissenschaftliche Einrichtungen, darunter auch die Weltgesundheitsorganisation und das IPCC („Weltklimarat“), „durch die wiederholte Politisierung der Wissenschaft“ ihre Glaubwürdigkeit verloren. Dass Shellenberger nun vom Weltklimarat und dem amerikanischen Kongress eingeladen wird, sind Zeichen für eine zunehmende Offenheit gegenüber dem neuen Denken in Bezug auf den Klimawandel und die Umwelt.

Shellenbergers Bekenntnis erhält zusätzliche Brisanz, nachdem der Forbes seinen Artikel kurze Zeit nach der Veröffentlichung wieder zurückzog und auf Anfrage „redaktionelle Richtlinien“ dafür verantwortlich machte. Doch das Internet vergisst nicht. Der vollständige Text ist weiterhin im World Wide Web zu finden, unter anderem auch auf der australischen „Plattform für freies Denken“ Quillette.


Dieser Beitrag erschien zuerst bei Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur, der wir für die freundliche Genehmigung zur Übernahme danken.

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