Tichys Einblick
Aufruf zum „Klimafasten“

Kirchen rufen zum Besuch von Klimademos statt zur Nachfolge Christi auf

Die Erwartungshaltung an die Fähigkeit zur Verkündung des Glaubens deutscher Kirchen hat sich auf einem stabil niedrigen Niveau eingependelt. Doch in den letzten Jahren unterschreiten sie auch dieses deutlich – mit Aufrufen zum „Klimafasten“ und zur Teilnahme an Klimademos.

Teilnehmer des evangelischen Kirchentags demonstrieren für "Klimaschutz", Nürnberg, 9. Juni 2023

IMAGO / epd

Neben der Beichte und der sexuellen Enthaltsamkeit gehört das Fasten in der modernen Kirche bereits seit Jahren zum Triumvirat unliebsamer Lehren mit Imageproblemen. Vertreter der Geistlichkeit bemühten sich zwar lange das Fasten über Umwege der Generation der Ohnehin-nicht-mehr-Kirchgänger schmackhaft zu machen, aber die Erbärmlichkeit halbgarer Aufrufe zum mindestens halbstündigen Verzicht auf Social Media ließ wohl nur die Allerwenigsten das Christentum neu für sich entdecken.

Doch in den letzten Jahren hatte man in den deutschen Kirchen ein Einsehen. Anstatt auf niedrigschwelligen Verzicht setzt man nun auf eine volle Breitseite Schuldgefühle und bedient sich dafür – wie könnte es anders sein? – der Ursünde des 21. Jahrhunderts: des Klimas. „Klimafasten“ nennt sich der Aufruf unter dem Motto „So viel du brauchst…“, eine ökumenische Initiative 24 evangelischer Landeskirchen, Bistümer und Diözesanräte. „Alle Menschen“ würden dazu eingeladen, „den Klimaschutz in das Zentrum der Fastenzeit zu stellen“, die Aktion folge „der christlichen Tradition, in der Zeit vor Ostern des Leidens zu gedenken und bewusst Verzicht zu üben“.

Fasten? Was war das nochmal?

Aufmerksame Leser werden hier bereits stutzig: Fehlt da nicht ein entscheidendes Wörtchen? Welchem Leiden soll denn infolge der „christlichen Tradition“ gedacht werden? Ach ja, Christi Leiden. Der Sohn Gottes findet aber in der Pressemitteilung des Erzbistums – außer als Namensstifter der beteiligten Klubs – keine weitere Erwähnung. Wer nach einer genaueren Definition der angeführten „christlichen Tradition“ sucht, wird stattdessen eher in den Schriften des Kirchenvaters Basilius von Caesarea fündig, der in „Über das Fasten“ bereits vor 1600 Jahren folgende Überlegungen anstellte:

„Der Anfang aber von allem, was wir gesagt haben, ist unser Herr Selbst, Der das um unsertwillen angenommene Fleisch durch Fasten zur Festung machte und Sich danach in demselben den Herausforderungen des Teufels stellte (s. Mt 4,2), einerseits um uns zu lehren, uns mit Fasten zu wappnen und uns zu ertüchtigen zum Kampf gegen die Versuchungen, und andrerseits, um dem Widersacher durch die Entbehrung einen Angriffspunkt zu bieten.“

„Willst du daher den Geist stark machen, dann bezähme das Fleisch durch Fasten.“

„Das Fasten ist eine Waffe für den Kampf gegen die Dämonen, denn ‚diese Gattung fährt nicht aus, es sei denn durch Beten und Fasten‘ (Mk 9,29).“

„Begrenze mithin die Wohltat des Fastens nicht auf die Enthaltung von Speisen allein. Denn wahres Fasten bedeutet Zurückweisung des Unguten.“

Und so weiter. Doch die Gegenwartskirche könnte mit solchen Allgemeingültigkeiten womöglich noch Kirchenvolk gewinnen und politischen Zuspruch verlieren. Daher entschloss man sich, im Erzbistum Berlin stattdessen das Fasten „als Chance“ zu verstehen, „im Alltag Neues auszuprobieren und positive Veränderungen anzustoßen“. Konkret bedeutet das: „Hier reichen die Vorschläge von der Kompensation nicht vermeidbarer CO2-Emissionen bis zum Einsatz für eine ökologische und faire Beschaffung von Produkten in der eigenen Gemeinde.“

Wer braucht schon Christus, wenn man Klimasozialismus hat?

Die Einladung der Initiatoren zielt darauf ab, „zu erleben und zu erfahren, was für ein gutes Leben im Einklang mit der Schöpfung und die Verwirklichung von sozialer Gerechtigkeit notwendig ist“. Vorbei die Zeiten, in denen man dem Kaiser gab, was des Kaiser ist, und Gott, was Gottes ist – im Erzbistum Berlin lebt das Bild vom protomarxistischen Sandalenjesus im modernen Gewand fort. Oder genauer gesagt: Die Kirche lässt sich doch schon längst nicht mehr von der Lehre Christi davon abhalten, ihren eigenen sozialistischen Wunschträumen nachzueifern.

Einen genaueren Überblick über diese Träume findet man auf der dazugehörigen Webseite Klimafasten.de. Für jede der 7 Fastenwochen gibt es ein eigenes Thema und eine Anleitung, wie das Fasten auszusehen habe. Woche 5, zum Beispiel, hat das Thema „Finanzen und Politik“ und beginnt mit der Gewissenserforschung, ob „mein Geld in Kohle- und Atomkraft investiert“ wird, oder ob man „mit meinem Gesparten Windanlagen und Projekte, die Klimagerechtigkeit fördern“ unterstütze.

Ein Bibelzitat sucht man da vergeblich, stattdessen findet man einen Spruch von Eleanor Roosevelt. Und es gibt sogar eine Bullet-Point-Liste mit Handlungsaufforderungen, darunter Perlen – Wie …

Undeutlich bleibt dabei, worin hier der spezifische Fastencharakter liegt, denn wer sich wirklich um die Klimaapokalypse sorgt, der handelt doch das ganze Jahr nach solchen Prinzipien? Auch bei den anderen Wochenthemen, wie zum Beispiel „Energie-Bewusstsein“ oder „neue Mobilität“ zeichnet sich ein analoges Bild einer Kirche, die willentlich jeglichen Eigenanspruch auf gesellschaftliche Relevanz zugunsten politischer Trittbrettfahrerei aufgegeben hat.

Nach jahrzehntelanger Verwässerung des Fastens durch immer niedrigschwelligere Auslegungen kehrt die Kirche in den letzten Jahren zu einem Hardcore-Fastenaufruf zurück – nur eben nicht mehr, um sich körperlich und seelisch auf die Passion und Auferstehung Christi vorzubereiten, sondern um Buße für die Klimaschuld des Menschen zu tun. Es ist ein Rückfall in die naturreligiöse Verklärung der Erde, in der es keine wirkliche Hoffnung auf Erlösung geben kann, sondern höchstens Beschwichtigung einer rachsüchtigen Natur durch Opfergaben der Sünder. Gerüchten zufolge sind neuheidnische Bewegungen bereits beunruhigt ob der aufziehenden Konkurrenz auf dem Esoterikmarkt durch die ehemals christlichen Kirchen.

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