Tichys Einblick
Impfung konnte Virus nicht verdrängen

Klaus Stöhr: Geänderte Risikobewertung vom März 2020 beruhte nicht auf Daten

Nach dem Angriff von Lauterbach & Co. stellt sich der Ex-Pandemiebeauftragte der WHO, Klaus Stöhr, auf die Seite der kritischen Diskussion. Er fordert eine Aufarbeitung der Corona-Politik, damit dieselben Fehler nicht noch einmal gemacht werden.

Klaus Stöhr (Epidemiologe) am 29. Oktober 2020 bei Markus Lanz

IMAGO / teutopress

Der ehemalige Pandemiebeauftragte der WHO, Prof. Klaus Stöhr, sprach nun im Fernsehsender Welt von „vier weiteren Steinchen, die belegen, dass die Aufarbeitung unheimlich notwendig ist“, und das betreffe auch die Entscheidungs- und Leitungsstrukturen, die Koordination. Auch Stöhr geht wie Multipolar davon aus, dass die veränderte Risikobewertung kurz vor dem ersten Lockdown nicht auf Daten basierte. Daneben habe man „vollkommen außer Acht gelassen, was man wusste über FFP2-Masken“. Das aber seien nur „zwei kleine Bausteinchen“.

Auch die verhängten Ausgangssperren, die Grenzschließungen, das System von 2G und 3G hält Stöhr im Nachhinein nicht für evidenzbasiert. Die schädlichen Nebenwirkungen der Lockdowns habe man ignoriert, die Wirksamkeit der sogenannten Impfstoffe zu hoch angesetzt: „Die Impfstoffe konnten das Virus nicht verdrängen, dann wäre keine Pandemie mehr vorhanden gewesen.“ Alle diese Bausteine – die durch die nun veröffentlichten RKI-Protokolle bestätigt wurden – belegen laut Stöhr die Wichtigkeit der Aufarbeitung der gesamten Pandemiepolitik.

Und das ist ja eben der Grund, dass die beiden „Chef-Pandemiker“ aus SPD und grüner Partei nun so angestachelt reagieren und den groben Holzhammer „Russenpropaganda“ bzw. „Einflussnahme ausländischer Nachrichtendienste“ und „Einmischung fremder Regierungen“ auspacken. In Wahrheit kann von einer Einmischung des Kremls in dieser Frage wohl kaum die Rede sein. Vielmehr haben sich ganz verschiedene Medien wie Bild und die Berliner Zeitung, natürlich auch TE und sogar das ZDF mit den dank Multipolar öffentlich gewordenen Protokollen befasst und sind dabei zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Das sofortige Assoziieren ausländischer feindlicher Mächte mit jeder Art Regierungskritik wird langsam ohnehin zur paranoiden Nummer. Es zeigt nur, dass die Pandemiepolitiker sehen, wie ihnen die Felle wegschwimmen.

2G und 3G waren politischer Humbug

Stöhr erinnert daran, dass das RKI der direkten Weisungskompetenz des Bundesgesundheitsministeriums unterworfen ist, und ob das so gut sei, stellt er angesichts der möglichen Einflussnahme der Politik in Frage. Ein gewichtiges Wort von dem Mann, der sich „ein halbes Leben lang“ mit Pandemieplänen beschäftigt hat, die dann – als ihre Zeit angeblich gekommen war – zum größten Teil ignoriert wurden. Der wichtigste Punkt aus Stöhrs Sicht sind die Entscheidungs- und Kommunikationsstrukturen im Krisenfall, die im Hinblick auf kommende Krisen überarbeitet werden müssten. Vor allem die „Wissensbeschaffung“ der Politik sieht er kritisch: Die habe sich nämlich zu sehr auf einzelne Experten berufen.

Und noch einmal muss Stöhrs Kritik der „Impfstoffe“ hervorgehoben werden. An einem Schutz gegen schwere Verläufe will er nicht rütteln, auch wenn sogar der im Lichte der RKI-Protokolle plötzlich bezweifelbar erscheint. Aber mindestens der Fremdschutz durch die Gentherapeutika war laut Stöhr von vornherein ausgeschlossen, weil dazu keine Studien vorhanden waren.

Die Einführung von 2G und 3G auf Basis des Glaubens an die seligmachende Wirkung der mRNA- und sonstigen Stoffe war politischer Humbug, der selbst zur Spaltung der Gesellschaft führte. Es war der Versuch, das Virus durch Isolation zum Aussterben zu bringen. Das konnte nur misslingen. Wer isoliert und gespalten wurde, waren die Menschen, und das war ja vielleicht sogar beabsichtigt, wenn man sich den Nachdruck, den einige politische Akteure auf derlei Maßnahmen legten, heute noch einmal anschaut.

Auch interessant: Der Grünen-Politiker Janosch Dahmen tut nun so, als beruhten die Interpretationen der RKI-Protokolle durchweg auf einer „Unkenntnis von Krisenstabsarbeit“. Doch unbestreitbar ist eben ein breiter Konsens in der Diskussion der Fachrunde beispielsweise vom 5. März 2021, wo es um die Ablehnung von sogenannten „Impfzertifikaten“ geht. Die Frage wird geäußert: „Soll sich das RKI trotz Ablehnung der Zertifikate in die Diskussion zur Definition Genesener einbringen?“ Die Ablehnung kam damals auch von der WHO, unter anderem wegen „ethischer Gründe (Diskriminierung)“.

Die Bürger sollten in die Spritze getrieben werden

Weiter heißt es zu Genesenenzertifikaten deutlich ablehnend: „Hohe Dunkelziffer, es ist fachlich nicht begründbar und nicht sinnvoll, ein ‚opportunity sample‘ (die Getesteten, die eine Infektion nachweisen können) mit Privilegien denen gegenüber, die es nicht oder nicht mehr (abhängig von AK-Test und Zeitspanne, die vergangen ist) nachweisen können“. Wenige Monate später wurden 3G- und sogar 2G-Zonen eingeführt, durch die Nicht-Geimpfte und „Nicht-Genesene“ diskriminiert und ausgeschlossen wurden. Hier lässt sich eben – nach so breitem Konsens bei RKI und sogar der WHO – nur von politischer Weisung ausgehen, was ja auch damals schon durch unzählige Äußerungen evident war: Die Politik wollte die Bürger in die Spritze treiben, um sich das Ergebnis – die erhöhte „Impfquote“ – als Erfolg anzuheften. Und das betraf Habeck so gut wie Hans, Kretschmann ebenso wie Kretschmer.

Es war eine Vision absoluter Kontrolle, die keine Rücksicht auf weitere RKI-Erkenntnisse nahm. Etwa die Erkenntnis, dass durch einen Lockdown Vorsorgeuntersuchungen ausfallen müssen, inklusive „Lücken bei der Behandlung von Tuberkulose, Aussetzung von Routineimpfprogrammen“. Und dann sei eben eine „steigende Kindersterblichkeit zu erwarten“ (16. Dezember 2020).

Auch die Mahnung, dass in einer „normalen Influenzawelle … mehr Leute“ verstürben als noch im März 2021 (ein Jahr nach der Höherstufung des Pandemie-Risikos) sichtbar war, verhallte ziemlich ungehört. Die deutsche Pandemiepolitik tut bis heute so, als hätte sie tausende Leben gerettet, wofür es schlicht keinen Beleg gibt. Wohl aber ist die Übersterblichkeit vor allem jüngerer Menschen nach dem Auslaufen der Pandemie bemerkbar geworden – wenn auch nur für die, die es unbedingt wissen wollten.

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