Tichys Einblick
Antidiskriminierung, die neue Alchemie

Diskriminierung in einer diversen Gesellschaft oder: Wie man aus nichts etwas macht

Ein zum Dogma erhobener Glaube an die eigene Diskriminierung schadet – zuerst der betroffenen Person, dann der Gesellschaft insgesamt. Das zeigt ein psychologisches Experiment, neu erklärt vom britischen Kulturkritiker Konstantin Kisin. Derweil fürchtet Ferda Ataman sich vor Künstlicher Intelligenz und „rechtsradikalen Narrativen“.

IMAGO / photothek

Die Antidiskriminierungsstelle hat ihren Jahresbericht vorlegt – den ersten unter der Führung der Beauftragten Ferda Ataman. Danach sollen die Meldungen im vergangenen Jahr einen Höchststand von 8.800 erreicht haben: So viele Menschen wie nie zuvor stellten „Anfragen“ wegen angeblich von ihnen erfahrener Diskriminierung. Jede Anfrage ist sicher ernst zu nehmen – aber wohl nicht fraglos zu glauben. Ataman geht zudem von einer großen Dunkelziffer von Diskriminierungen aus, die nie gemeldet würden. In 43 Prozent der Meldungen soll es um Diskriminierung wegen Rassismus gegangen sei, also eine Diskriminierung, die sich für den mutmaßlich Betroffenen an äußerlichen Merkmalen festmachte, wie man annehmen darf.

27 Prozent der Melder wollen im Bereich der Arbeit diskriminiert worden sein, 20 Prozent bei alltäglichen Verrichtungen, wozu auch die Wohnungssuche, Restaurantbesuche oder das Einkaufen zählen.

Doch jene „Verankerung“ der vermeintlich erfahrenen Diskriminierung im eigenen Außenbild ist das zentrale Problem des Begriffs und damit auch der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Das stellte nun auf die denkbar einfachste Weise der russisch-britische Satiriker und Kulturkritiker Konstantin Kisin fest. Er erzählt dabei schlicht die Geschichte eines Experiments, das man mit jungen Frauen durchführte. Dabei ging es angeblich um die Auswirkungen eines verunstalteten Gesichts, und ob es in einem Vorstellungsgespräch zu Diskriminierungserfahrungen führe oder nicht.

Man brachte also künstliche Entstellungen im Gesicht der Frauen an, und die Frauen sahen ihre Narben im Spiegel. Aber kurz danach wurde ihnen gesagt, man werde noch einmal eine Kleinigkeit an der Narbenillusion nacharbeiten. Indem man das zu tun vorgab, wurde die Entstellung vollständig entfernt: „Die Frauen gingen in ein Vorstellungsgespräch in dem Glauben, sie trügen eine Narbe, aber sahen tatsächlich so wie immer aus.“

Wie Ideen die Realität beeinflussen

Wie nicht anders zu erwarten, stellten viele der Frauen aber dennoch Diskriminierungen durch ihr Gegenüber fest, und auch nicht wenige. Laut Kisin hatten die Frauen teils massive Diskriminierungserfahrungen gemacht! Manche behaupteten sogar, der Interviewer habe ihre Entstellungen direkt mit Kommentaren bedacht. Man stelle es sich vor: Etwas ist nicht da, wird aber von Menschen dennoch zum Anlass für die Erfahrung von Diskriminierung. Die innere Vorstellung wird zur Welterfahrung umgemodelt. Der Glaube an die eigene Diskriminiertheit, quasi das Diskriminierenswerte der eigenen Person, führt zu eindeutigen Wahrnehmungen.

Kisin leitet daraus – wie jeder vernünftige Mensch – ab, dass die gesamte Ideologie des Opferstatus gefährlich sei, weil man „den Menschen beständig predige, dass wir alle unterdrückt sind“, und das präge Menschen so, dass sie in der Folge ebendiese vermeintlichen von der Gesellschaft ausgehenden Unterdrückungen wahrnähmen.

Kisins Quelle ist vielleicht nicht wahnsinnig aktuell. Das Narbenexperiment (durchgeführt vom britischen Psychologen Robert Cleck) könnte er schon aus einem Artikel aus der New York Times vom 7. Februar 1991 bezogen haben. Dort äußerte sich auch der Psychologe Thomas F. Cash von der Old Dominion University in Norfolk (inzwischen Professor emeritus) zu seinem Forschungsfeld Körperbilder. Ein negatives Körperbild beeinflusse, einmal im Gehirn verankert, die Gefühle in unzähligen Situationen. Menschen, die sich eines bestimmten Aspekts ihres Aussehens bewusst sind, würden eine fahrlässige Bemerkung eher in diesem Sinne interpretieren. Es geht um den Fleck auf dem Hemd, der einem selbst am größten erscheint. In dem Narbenexperiment von 1991 hatten die Frauen gesagt, der Fremde habe ihnen auf die Narbe gestarrt und ihnen Unbehagen bereitet.

Genauso funktioniert auch Diskriminierung in vielen Fällen. Man spricht einen „fremd gelesenen“ Menschen auf sein abweichendes Verhalten an – er interpretiert es als Diskriminierung wegen seiner Hautfarbe oder Ethnizität. Da helfen dann auch Beteuerungen nichts mehr, dass man es mit einem weißen Deutschen ebenso halten würde.

Ataman gegen „rechtsradikale Narrative“ bei der CDU

Was Dr. Cash im Jahr 1991 noch wusste: „Die soziale Welt diskriminiert eindeutig, insbesondere gegenüber unattraktiven Menschen.“ Übrigens auch gegenüber Alten, wie auch Ferda Ataman, stets um eine Ausweitung ihrer Bundesstelle bemüht, dieser Tage hervorhebt.

Sich selbst – und wiederum ihre Stelle – sieht Ataman auch von Kritik bedroht, etwa am neuen Selbstbestimmungsgesetz, das viele auf die Barrikaden treibt, weil sie Strafverfolgung wegen eines falschen Worts oder Pronomens befürchten. Für Ataman bedient die Kritik an diesem und anderen Beschlüssen der Ampel natürlich „rechtsradikale Narrative“. Von einem „Kulturkampf“ gegen Ampelgesetze rät sie auch im Sinne der eigenen Machtbefestigung ab. Ihren eigenen Sprengel, die „Menschen mit Behinderung, Rassismuserfahrung, jüdischen Menschen“ bringt sie so gegen alles in Stellung, was ihr privat gegnerisch erscheint.

Daneben leben sie und ihre Stelle von dem psychologischen Experiment, das Kisin aufgriff. Die vermeintlich stigmatisierenden Bilder müssen möglichst viele und vielfältig sein, um die Zahl der Anfragen oder Meldungen wegen mutmaßlicher Diskriminierung aus dem Bundesgebiet zu erhöhen. Insofern ist es logisch und für sie selbst lukrativ, dass Ataman sich für die „Sichtbarkeit“ möglichst vieler Formen von Diskriminierung einsetzt. Auch Diskriminierung durch Künstliche Intelligenz (KI) befürchtet Ataman – vermutlich weil der vermeintlich diskriminierenswerte Mensch auch in dieselbe seine Diskriminierung hineinlesen kann.

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