Tichys Einblick
Mitgliederschwund

Kirchen in Deutschland: Massenflucht reißt große Finanzlöcher

Der katholischen Kirche und der EKD laufen die Mitglieder davon wie noch nie – und damit die Zahler. Gleichzeitig steigen die Pensionslasten gewaltig. Selbst reiche Bistümer rechnen für 2024 mit heftigen Defiziten. Ein Sprengel musste schon Priester-Pensionen kürzen.

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IMAGO / Funke Foto Services

Das Bistum Köln rechnet für 2024 erstmalig mit einem kräftigen Minus im Haushalt. Nach den Worten des Finanzdirektors Gordon Sobbeck gebe es in dem noch reichsten Bistum Deutschlands „mehr Alarmsignale als Hoffnungszeichen“; die Finanzkraft, so Sobbeck, werde „mit wachsender Geschwindigkeit erodieren“. Im Jahr 2023 konnte das Erzbistum noch einen Überschuss von gut 30 Millionen Euro verbuchen. Für 2024 plant es mit einem Defizit von derzeit 25 Millionen Euro.

So wie Köln geht es zurzeit etlichen Bistümern der katholischen und der evangelischen Kirche. Sie erleben etwas Ähnliches wie die Ampel-Koalition – eine Finanzmisere ohne Aussicht auf ein Ende, und einen massiven Vertrauensschwund. Beides hängt bei den Glaubensgemeinschaften eng zusammen. Denn mit denjenigen, die sich abwenden, verschwinden immer mehr Kirchensteuerzahler.

Im Jahr 2022 erlebte die katholische Kirche eine regelrechte Massenflucht – deutschlandweit erklärten 522.881 Gläubige ihren Austritt. Für das Jahr 2024 dürften die Zahlen nicht viel besser ausfallen. Die EKD verbuchte zwar 2022 einen nicht ganz so hohen Mitgliederverlust. Aber auch bei ihr übertrafen die Austritts- erstmals die Sterbezahlen. Gut 380.000 Menschen kehrten ihr den Rücken, bei etwa 365.000 endete die Mitgliedschaft mit dem Tod.

Die überwiegend selbstverschuldete Kirchenflucht und der damit verbundene finanzielle Verlust trifft auf Kirchen, die immer mehr Geld für Ruhestandsgehälter aufbringen müssen. Dazu kommen noch zusätzlich aufgeladene Lasten – etwa die Zahlungen der evangelischen Kirche für den Migrantentransfer über das Mittelmeer. Vielen Bistümern beider Kirchen bleibt nichts anderes übrig, als die Löcher mit Rücklagen zu stopfen. Das finanziell schon seit längerem marode Erzbistum Hamburg etwa kalkuliert schon für 2023 ein Minus von 50,7 Millionen Euro ein. Im Bistum Münster gehen die Verantwortlichen für 2024 in dem nordrhein-westfälischen Teil des Bistums von einer Finanzlücke in Höhe von 31,5 Millionen Euro aus.

Besonders hart trifft es das kleine Bistum Dresden-Meißen: Es sah sich gezwungen, die Ruhestandsbezüge für Priester zu senken. Die fallen allerdings immer noch üppig im Vergleich mit gesetzlichen Renten aus: Bisher erhielten Priester dort im Ruhestand 75 Prozent ihrer ehemaligen Bezüge. Das Bistum im Südosten muss einen harten Sparkurs verfolgen, um sein laufendes Haushaltsdefizit einzudämmen, das laut Planung ab 2026 bei 17,5 Millionen Euro jährlich liegen wird.

Die evangelischen Kirchen kommen noch etwas besser weg, allerdings tun sich auch hier Finanzlöcher auf, die nur durch das Ersparte gemildert werden können. Die Evangelische Landeskirche Baden-Württemberg etwa kalkuliert für 2024 mit einem Fehlbetrag von 3,255 Millionen Euro.

Insgesamt nahmen beide große Kirchen 2022 rund 13 Milliarden Euro an Kirchensteuern ein. In Baden-Württemberg und Bayern beträgt der Zuschlagssatz 8 Prozent, im Rest der Republik 9 Prozent. Seit 2009 wird auf gezahlte Abgeltungsteuer ebenfalls Kirchensteuer erhoben.

Durchschnittlich bezahlte 2022 ein Kirchenmitglied 320 Euro Kirchensteuer. Zur Kirchensteuer kommen noch die sogenannten Staatskirchenleistungen – umstrittene Zahlungen aus der Steuerkasse als Ausgleich für die linksrheinischen Kirchengüter, die 1803 durch die sogenannte napoleonische Flurbereinigung enteignet wurden. Diese Leistung, die von allen Steuerzahlern mitfinanziert wird, betrug 2022 insgesamt 622 Millionen Euro. Wenn es 2024 und in den kommenden Jahren zu dem angekündigten Arbeitsplatzabbau in der Industrie kommt, verlieren beide Kirchen in Zukunft nicht nur durch Austritt und Tod, sondern obendrein noch durch die politisch gewollte und von den Kirchenoberen unterstützten Transformation der Wirtschaft.

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