Das lässt nichts Gutes erahnen: Beamte im Bundeswirtschaftsministerium bastelten an einem Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende. Dem Bundestag liegt jetzt der Entwurf für ein „Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende“ vor. Das legt fest, wie intelligente Stromzähler und Mess-Systeme in Deutschland flächendeckend eingeführt werden sollen. Das ist übrigens – soviel sei zur Ehrenrettung des Bundeswirtschaftsministeriums gesagt – einer Vorgabe aus Brüssel geschuldet. Denn die EU will diese digitalen Mess-Systeme, damit Verbraucher und Wirtschaft angeblich Energie sparen oder Strom billiger bekommen können.
Wem bei dieser Nachricht sofort das Glühlampendesaster einfällt, liegt gar nicht so falsch: Hier kündigt sich ein noch größeres Desaster an. Dazu ist ein kleiner technischer Blick hinter die Kulissen hilfreich:
Sogenannte Smartmeter ersetzen die bisherigen Stromzähler und sollen zunächst in jedem Haushalt installiert sein, der mehr als 6.000 Kilowattstunden Strom verbraucht. Betroffen wird zu Anfang nur ein kleiner Teil sein. Doch die EU will grundsätzlich 80 Prozent aller Haushalte damit beglücken, und Grenzen lassen sich schnell senken.
Die Elektrizitätswirtschaft wiederum will das Ganze viel früher und die Grenze drastisch auf 3.000 Kilowattstunden senken, also wesentlich mehr Haushalte zwangsausrüsten.
Die Smartmeter gelten als Kernstück der Energieversorgung der Zukunft. Denn die Energielieferanten Sonne und Wind tun leider nicht den Gefallen, so zu produzieren, wie es eine moderne Industriegesellschaft benötigt: billig und gleichmäßig.
Genau das stark schwankende Angebot ist das bisher größte ungelöste Problem. Denn Strom kann nicht gespeichert werden, sondern muss in genau jenem Augenblick erzeugt werden, indem er auch verbraucht wird. Das führt dazu, dass allzu oft überflüssiger Strom in die Netze gepumpt wird.
Jetzt könnte man, so der Gedanke vor allem der Energiewender, den Stromverbrauch auch an das wechselnde Angebot anpassen. Waschen, Essen, Kochen, wenn die Sonne scheint und der Wind weht. Steinzeit-Feeling.
Das sollen jene „intelligenten“ Technologien tun. Dazu muss erst einmal der Bedarf möglichst aktuell gemessen werden. Das soll Aufgabe der digitalen Stromzähler sein. Die sollen messen, welche Verbrauche gerade im Haushalt eingeschaltet sind, wie viel Strom verbraucht wird und diese Werte dann dem Stromlieferanten übermitteln. Schön, wie diese rudimentären Fähigkeiten schon mit dem Terminus „intelligent“ belegt werden.
Danach sollen, so das gern zitierte Beispiel, Waschmaschine oder Trockner dann angeschaltet werden, wenn viel Strom vorhanden ist. Oder eben ausgeschaltet werden, wenn Wolken kommen und Flaute ist. Dann vergammelt die Wäsche im Spülwasser.
Auch ein technisch nicht besonders vorgebildeter Laie kann leicht formulieren, wie das Lastenheft eines solchen digitalen Zählers aussehen muss:
Einmal möglichst genau und in kurzen Intervallen messen, wann welche Geräte laufen und wie viel Strom sie verbrauchen. Diese Messwerte speichern und dorthin schicken, wo sie ausgewertet werden können. Das möglichst aktuell, so dass Stromerzeuger und Verteiler einen präzisen Überblick über den Verbrauch haben.
Diese Werte in einer Form schreiben, die alle Geräte lesen können. Befehle in einer Form zu Waschmaschine, Kühlschrank und Co schicken, die die auch verstehen. Protokoll nennt das der Techniker. Dazu müssen die Smartmeter wiederum Daten von irgendeiner Instanz bekommen, vom Übertragungsnetzbetreiber zum Beispiel, nach denen sie ihrerseits wiederum steuern können. Rückmeldung heißt das. Auch dieser Rückmeldevorgang sollte in möglichst kurzen Zeitabständen ablaufen. Denn nur so könnten die starken Schwankungen durch Ein- und Ausschalten von Verbrauchern im Netz ausgeglichen werden.
Leicht vorstellbar, wie ein ziemlich reger Datenverkehr zustande kommt – und nur zwischen einer Zentrale und einem einzelnen Smartmeter. Doch der Anspruch der Energiewender: Jetzt sollen alle Haushalte und Gewerbebetriebe verbunden werden. Spätestens an dieser Stelle kann der erfahrene Netzwerkingenieur erahnen, wie kompliziert die ganze Angelegenheit wird und wie hoch der Aufwand.
Da muss also ziemlich viel entwickelt werden, sogenannte Schnittstellen definiert, Hardware gebaut sowie Software geschrieben werden. Das dauert.
Ginge es nach dem Willen der Energiewender, wären die Wohnungen schon lange mit den „intelligenten“ Dingern zugepflastert. Die Hersteller witterten ein gutes Geschäft, standen bereits in den Startlöchern und haben Smartmeter produziert, wie sie in den ersten Planungen vorgesehen waren.
Doch diese Planungen erwiesen sich in ihrer gedanklichen Präzision und Tiefenschärfe als sehr bescheiden. Diese Smartmeter können kaum mehr als den Stromverbrauch etwas detaillierter messen als die bisherigen Zähler. Dafür sind sie wiederum ziemlich teuer. Geworben wird also mit Transparenz im Stromverbrauch. Doch nach zwei, drei Monaten dürfte dieser Aha-Effekt vorbei sein.
Die können nicht mal ein Gerät schalten; also nichts mit Ein- und Ausschalten der fürchterlichsten Stromfresser im Haushalt. All die wundersamen Dinge, die zentraler Baustein der Energiewende sein sollen – unmöglich mit den Smartmetern.
Eine Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums kommt zum Ergebnis, dass die Technik teurer als die Einsparung in einem kleinen Haushalt ist:
„Die von der EU angestrebte Rolloutquote von 80 % bis 2022 über eine allgemeine Einbauverpflichtung führt zu einem gesamtwirtschaftlichen negativen Netto-Kapitalwert, und ist zudem für den Großteil der Kundengruppen wirtschaftlich nicht zumutbar. Selbst bei sehr optimistischen Annahmen kann die Mehrheit der Endverbraucher die mit dem Einbau und der Nutzung intelligenter Meßsysteme für sie einhergehenden Kosten nicht durch Stromeinsparungen und Lastverlagerungen kompensieren.“
Für Netzbetreiber aber würden sie sich rechnen. Millionen neuer Geräte müssen einmal selbst permanent mit Strom versorgt werden. Zudem können die Netzbetreiber ihre Produktion etwas besser steuern und könnten sogar auch Verbrauchsdaten verkaufen. Ein Gericht hat in einem Urteil bisher abgelehnt, Wärmeverbrauchsdaten der Kunden als schützenwertes Gut einzustufen.
Die Smartmeter dürften in den meisten Fällen in den Kellern der Häuser montiert werden. Das bedeutet: Entweder neue Internetleitungen legen oder per Funk die Smartmeter an das Internet anbinden wie ein Mobiltelefon.
Doch unsere heutigen Funktelefone funktionieren in den meisten Kellern nicht besonders gut. Das taten die alten in den D2 Mobilfunknetzen. Und jetzt – oh Wunder – bemühen sich gerade die Elektrizitätsversorger um die Lizenzen für diese Funknetze.
Noch tun sie das im Hintergrund, denn sie wissen: Wenn diese Zähler kommen, müssen vollständig neue Netze aufgebaut werden. Das bedeutet wiederum ein fettes Geschäft.
Die wackeren Regulierer dagegen haben sich noch nicht einmal Gedanken darüber gemacht, wie die Smartmeter Daten von A nach B senden könnten. Gestandene Elektroingenieure sind verzweifelt: Eine solch schlampige Konzeption haben sie noch nie erlebt. Und das bei einem Projekt, das die Stromversorgung einer Industrienation auf den Kopf stellen und wenn möglich sicher Strom liefern soll.
Von den Kosten ganz zu schweigen. Gefährlich wird es nämlich für den Endverbraucher immer dann, wenn sich Planer der Energiewende jemanden ausgucken, der den Spaß bezahlen soll. Das ist er, der Verbraucher. Der kann sich kaum wehren, sondern muss sehen, wie er mit den horrenden Preisen für Energie klarkommen kann oder eben nicht mehr. Auf jeden Haushalt kommen Kosten von etwa 100 € pro Jahr zusätzlich zu den saftigen Preisen für die Kilowattstunde dazu.
Die Verbraucher sollen mit gutem grünen Gewissen gelockt werden, das die Mehrkosten leichter verschmerzen lässt. Und ein wenig Geld sparen soll man damit auch. Das Wirtschaftsministerium hat einmal ausgerechnet, dass ein üblicher Drei-Personen-Haushalt mit einem Verbrauch von 3.500 kWh Strom im Jahr 15 € sparen kann, wenn er seine Geräte mit Smartmetern steuern lässt. In Worten: fünfzehn. Dann bleibt nur das gute Gewissen. Und der Mehrkosten-Saldo: 85 €.
Noch keine Lösung des heftigsten Problems ist in Sicht: das der Datensicherheit. Denn diese digitalen Zähler müssen, wie wir gelernt haben, mit anderen Instanzen des Stromnetzes kommunizieren können. Und hier liegt für die Ingenieure nahe, die Netzwerktechnik des Internets zu verwenden. Die ist erprobt und nahezu überall verbreitet.
Jeder Stromzähler bekommt „Straße“ und „Hausnummer“, eine sogenannte IP-Adresse, wie sie auch jeder Computer im Internet oder jedes Smartphone hat. Damit können die Daten verschickt werden. Die Zählersysteme hängen also im Internet, auf sie kann weltweit wie auf jeden anderen Computer zugegriffen werden. Sie haben eine Adresse, sind damit auffindbar und ansprechbar. Von jedem Ort der Welt.
Das muss das Herz eines jeden gestandenen Hackers erfreuen. Kann er sich doch leicht einhacken und die Daten auslesen. Die Verbrauchskurven, also wann ein Verbraucher seine Waschmaschine einschaltet, allein auszulesen dürfte vermutlich nicht so spannend sein. Wertvoller werden solche Informationen dann für Diebe und Einbrecher, die daran erkennen könnten, wann die Hausbewohner zum Beispiel im Urlaub sind.
Man darf zudem nicht vergessen: Es geht bei der Smartmeter-Technologie um Geld, um viel Geld, das einmal der Verbraucher an den Energieversorger bezahlen muss, aber auch um das, das er möglicherweise als Rückvergütung für eingespeisten Strom bekommen könnte. Viel Spielraum für Manipulationsmöglichkeiten und um dem Geschäftserfolg auf die Sprünge zu helfen. Technische aufgeschlossene Bosse der „Organisierten Kriminalität“ dürften in Zukunft ein paar IT-Experten anheuern und an einer traumhaften Einnahmequelle sitzen.
Wie das vom Prinzip her funktioniert, hatten vor einiger Zeit Mitarbeiter des Energieversorgers auf Malta gezeigt. Die manipulierten Smartmeter gegen Cash so, dass sie weniger Stromverbrauch anzeigten. Damit der Schwindel nicht aufflog und der Gesamtverbrauch der Region wieder stimmte, drehten sie kurzerhand andere Smartmeter hoch. Vermutlich von denjenigen, die nicht zahlen wollten.
Noch anziehender dürfte ein solches Einfallstor in die sehr sensiblen Bereiche der Energieversorgung für potentielle Terroristen sein. Die könnten etwa die Smartmeter anweisen, die Daten zu fälschen und so die Energieversorgung lahm zulegen. Technisch ist das mit keinem allzu großen Aufwand möglich.
Die Smartmeter müssten also gesichert werden. Sie müssen ihre Daten so verschlüsseln, dass nur noch das zentrale System sie wieder entschlüsseln und lesen kann. Doch Datensicherheitsexperten winken ab: Ein solches riesiges Gebilde mit Millionen von Smartmetern und sensiblen Daten ist nicht sicher zu machen.
Einfache Smartmeter werden heute bereits in Südamerika und Italien eingesetzt. Sie sollen sicher sein, behaupten Behörden und Hersteller. Im Internet allerdings kursieren bereits Bauanleitungen fürs Hacking der Smartmeter. Vorerst noch auf Spanisch.
So haben bereits vor zwei Jahren IT-Experten die in Spanien eingesetzten Stromzähler versuchsweise gehackt, die Zähler manipuliert und eine Schadsoftware aufgespielt. Unbemerkt versteht sich. Neuer Volkssport: Mit dem Smartphone Zähler und damit die Stromrechnung zurückstellen.
Nur ein Stromzähler reicht dem gestandenen Hacker für den bequemen Eintritt in das gesamte Stromnetz. Dann kann er nach Herzenslust den Strom in Städten ausschalten und die Übetragungsnetze crashen lassen. Den Leitstellen kann es nicht gelingen, die gewaltigen Energiemengen in den Stromnetzen zu steuern.
Damit kommen wir dem im hervorragend recherchierten Roman „Blackout“ geschilderten Szenario eines mehrwöchigen Stromausfalles mit katastrophalen Folgen immer näher. Da manipulierten Hacker Smartmeter in Italien so, dass sie plötzlich keinen Stromverbrauch mehr an die Netzleitstelle meldeten. Nacheinander bricht das europäische Stromnetz zusammen.
Keine Fiktion, Ähnliches ist vor ein paar Jahren geschehen, als ein neues Kreuzfahrtschiff von Papenburg auf das Meer auslaufen wollte. Dazu musste vorher kurz eine Überlandleitung ausgeschaltet werden, die zu Nahe am Schiff lag. Dem Ingenieur in der Leitzentrale passierte ein kleines Mißgeschick, prompt brach das Stromnetz in halb Europa zusammen.
Damit steht fest: Der zentrale technische Baustein der Energiewende funktioniert nicht. Es gibt noch nicht einmal technische Parameter, wie die Dinger funktionieren sollen. Der flexible Ausgleich zwischen Energieangebot und Energieverbrauch klappt nicht. Das aber ist eine Voraussetzung für die „Energiewende“.
Den Anbietern läuft das Wasser im Munde zusammen: Studien sprechen von weltweit 800 Millionen neuen Smartmetern, die produziert und bezahlt werden müssen.
Erstaunlich: Je dümmer die Technik, umso mehr muss verbal aufgerüstet werden. Warum nur werden besonders häufig im Zusammenhang mit der Energiewende die Worte „klug“ und „intelligent“ verwendet? Da werden in blumig phantasierenden Zeitungsberichten „intelligente Stromzähler“ bald Pflicht, kommen „kluge Stromzähler“ in den Keller und „schlaue Waschmaschinen“ starten dann ihr Programm, wenn der Strom billig ist. Schönster Werbespruch: „Entdecke Deine Energie mit intelligenten Stromzählern“.
Und alles deswegen, damit unsere gute Erde nicht auseinanderfliegt. Woran die nicht denkt. Jedenfalls nicht unseretwegen.