Katrin Göring-Eckardt ist der Gregor Meyle der Politik: Ewig lange im Geschäft, jeder hat den Namen schon mal gehört – aber die meisten tun sich schwer damit, ihr ein Werk zuzuordnen. Läuft sie dann mal im Radio, denkt man zuerst: grundsolide, möchte aber dann doch nach drei Minuten das Radiogerät aus dem Fenster werfen, weil der konturenlose Singsang einem massiv auf die Nerven fällt.
Göring-Eckardt ist „scheißliberal“. Bevor ihre Anwälte jetzt anfangen, diesen Text auszudrucken, sollten sie noch mal kurz durchatmen. Das ist ein Zitat. Es ist der taz entnommen und stammt laut der Zeitung von Göring-Eckardt selbst. Über sich. Eine Beleidigung lässt sich daraus also nur mit viel schlechtem Willen ableiten. Als „scheißliberal“ hat sich Göring-Eckardt 2014 anlässlich des Freiheitskongresses bezeichnet. Der Freiheitskongress ist für sie sowas wie ein Song von Gregor Meyle: Er ist massiv im Radio angefeaturet worden und trotzdem kaum einem in Erinnerung geblieben – und wenn, dann nicht positiv.
Die Rede Göring-Eckardts zum Freiheitskongress hat der Autor im Internet leider nicht mehr gefunden. Nur das von der taz überlieferte Zitat. Wobei es – so frei nach Gedächtnis zitiert – eine typische Göring-Eckardt-Rede war, von der danach keiner mehr weiß, ob sie fünf Minuten oder drei Stunden gedauert hat. Denn mit ihrem evangelischen Singsang, der Monotonie toter Worte und fehlender Betonung, schafft Göring-Eckardt es, selbst einen hyperaktiven Fünfjährigen mit Schilddrüsen-Überfunktion zum Einschlafen zu bringen. Wobei das eine Metapher ist. Der Namen eines solchen Fünfjährigen ist der Redaktion nicht bekannt. Bitte nicht verklagen: Eine Metapher ist ein sprachliches Bild.
Der evangelische Singsang ist im Übrigen kein Zufall. Von 2009 bis 2013 war Göring-Eckardt Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland. Pfarrerin ist sie aber nicht. Als Grüne hat sie ihr Theologie-Studium planmäßig abgebrochen. Im Internet kursiert ein Bild, auf dem sich Göring-Eckardt als „Küchenhilfe“ ausweist. Ob sie in diesem oder einem anderen nützlichen Beruf außerhalb der Politik gearbeitet hat, ist der Redaktion nicht bekannt. Wir reichen einen Erlebnisbericht von ihrer Zeit als Ärztin mit Zusatzausbildung als Atomphysikerin gerne nach. Das war jetzt eine ironische Zuspitzung, somit letztlich auch eine Metapher. Bitte nicht verklagen, die Welt der Metaphern ist halt divers.
Wir betonen das mit dem Verklagen, weil wir uns aktuell mit Katrin Göring-Eckardt in einer rechtlichen Auseinandersetzung befinden. Wir sollen ein satirisches „Interview“ zum Thema „Gutscheine für Küchenhilfen“ mit Katrin Göring-Eckardt nicht mehr veröffentlichen, sorry, nein: Haushaltshilfen. Wobei das „mehr“ in die Irre führt. Denn natürlich war das Satire. Also nicht der Vorschlag mit den Haushaltshilfen, den hat Göring-Eckardt tatsächlich und nachweislich gemacht. Sondern dass wir ein Interview mit ihr geführt hätten. Das war Satire.
Nun ist es manchmal schwer, Satire zu erkennen. Besonders dann, wenn die Satire so nah an der Wirklichkeit ist, dass einem schwindelig werden kann. Schreibt man halt noch drüber, dass es Satire ist. Doch auch das reicht nachweislich nicht, jedenfalls nicht für Katrin Göring-Eckardt. Denn wir haben einen Satire-Hinweis über das Interview geschrieben. Zweimal. Das reichte den Anwälten aber nicht. Auch der zusätzliche Hinweis, den wir in den Text eingeblendet haben, genügte nicht. Die Anwälte taten ihren Job, der ebenfalls sehr wichtig, wenn auch nicht immer so hilfreich wie der einer Küchenhilfe ist.
Die Anwälte werfen uns vor, inhaltlich sei die Satire nicht zu erkennen gewesen. Dazu sind zwei Dinge zu sagen. Erstens: doch. Zweitens: Es ist gar nicht so leicht, grüne Vorschläge als Satire erscheinen zu lassen, weil Absurdität bei Grünen keine Garantie dafür ist, dass etwas als Vorschlag nicht ernst gemeint ist. Bei uns aber schon.
Göring-Eckardt mag zwar – laut Selbstauskunft – „scheißliberal“ sein. Und Freiheitskongresse veranstalten. Aber so freiheitlich, dass sie einen Text als Satire anerkennt, bloß weil da Satire drüber steht – und auch darin –, so freiheitlich ist die verhinderte Theologin dann doch nicht. Wobei man ihr zugute halten muss: Ein echter Hit war der Freiheitskongress auch nicht. Der sollte die Grünen weg vom Image der Verbotspartei bringen, liberale Wähler der FDP an die Grünen binden und die Partei über zehn Prozent schießen. Geklappt hat es, nun ja, nur so bedingt.
Grüne und Freiheit oder Grüne und Selbstbestimmung geht einem so leicht von der Zunge wie Gregor Meyle und Welthit. Aber immerhin hat Göring-Eckardt die Grünen über zehn Prozent gebracht. Zweimal war sie Spitzenkandidatin und zweimal blieb die Partei unter zehn Prozent. Aber so wie Göring-Eckardt den Weg für andere frei machte, gingen die Grünen umfragetechnisch durch die Decke. Gregor Meyle kennt das. Es ist der Moment, wenn Mark Forster nach ihm auftritt.
Als andere dann ein entsprechend gutes Ergebnis für die Partei holten, wurde Göring-Eckardt mit dem Amt der Vizepräsidentin abgefunden. Davon hat der Bundestag gefühlt so um die 500. Aber alle leisten einen ähnlich wertvollen Job wie Göring-Eckardt. Das war jetzt natürlich auch Ironie. Das mit den 500 Vizepräsidenten. Und das mit dem wertvollen Job? Darüber sollen andere urteilen.