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Haltet den Dieb

Katharina Schulzes Mittelfinger: noch eine aufgehobene Immunität

Nach AfD-Fraktionschef Alexander Gauland und zwei Unionspolitikern ist nun auch die bayrische Fraktionschefin der Grünen dran. Wegen eines "Stinkefingers" gegen NPD-Anhänger wurde Katharina Schulzes Immunität aufgehoben.

imago/ZUMA Press

Die Medien haben mit Alexander Gauland, AfD-Co-Fraktionschef im Bundestag nicht nur der CDU-Hinterbänklerin Karin Strenz und ihrem Ex-Fraktionskollegen Eduard Lintner von der CSU die Show gestohlen, sondern auch der bayrischen Fraktionsschefin der Grünen, Katharina Schulze. Auch ihre parlamentarische Immunität wurde aufgehoben.

Der Verdacht, dass der AfD-Politiker womöglich einige Tausend Euro Steuern hinterzogen habe, war der 20-Uhr-Tagesschau vom Donnerstag eine prominente Meldung wert, während Strenz und Lintner dort unerwähnt blieben – und Schulze ebenso. Für Stenz und Lintner selbst dürfte das keinen großen Unterschied machen, ihre politischen Karrieren dürften erledigt sein. Aber für ihre Chefs in den Unionsparteien dürfte die große Medien-Aufmerksamkeit für den Fall Gauland eine höchst willkommene Ablenkung sein.

Denn politisch sind die Verdächtigungen gegen Strenz und Lintner eigentlich brisanter als der Verdacht auf persönliche Steuerhinterziehung gegen Gauland. Beide ließen sich offenbar durch das autoritäre Regime Aserbaidschans bestechen und sollen im Gegenzug Lobbyarbeit für dieses betrieben haben. Lintner war auch Mitglied in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) und wird beschuldigt, wie der Spiegel berichtet, „zwischen 2008 und 2016 über britische Briefkastenfirmen mit baltischen Konten aus Aserbaidschan stammende Gelder in Höhe von rund vier Millionen Euro erhalten zu haben“. Strenz „soll mindestens 22.000 Euro erhalten haben und sich in der PACE durch proaserbaidschanisches Verhalten hervorgetan haben“. Lintner hat gegenüber dem Spiegel den Vorwurf der Bestechlichkeit zurückgewiesen. Alles sei korrekt gelaufen, sagte der in einem Bericht des Europarats als „Schlüssel-Lobbyist“ Aserbaidschans bezeichnete Ex-CSU-Abgeordnete.

Während beispielsweise im Focus nun der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder von der Universität Kassel Politikwissenschaftler kommentiert, Gaulands Fall lasse „die AfD-Strategie noch fragwürdiger erscheinen, als sie es ohnehin schon ist – nämlich sich als bürgerlich zu inszenieren, mithin also auch staatlich gesetzte Spielregeln zu achten“, wurde diese Sorge im Bezug auf die allgemein als bürgerlich betrachteten Unionsparteien bislang noch nicht groß thematisiert. Bestechung und Bestechlichkeit durch ein zwielichtiges Regime dürfte nach allgemeinem Ermessen mindestens ebenso unbürgerlich einzuschätzen sein wie Steuerhinterziehung.

Noch weniger Imageschaden dürfte die Aufhebung der Immunität und – im Gegensatz zu vorgenannten Fällen – bereits erfolgte Schuldgeständnis Katharina Schulzes bedeuten. Der Merkur hatte herausgefunden, dass die bayrische Grünen-Fraktionschefin am 2. September 2018 auf dem Münchner Marienplatz mit 500 Gleichgesinnten gegen „knapp 10“ Anhänger der rechtsextremen NPD protestiert hatte. Auf einem Bild ist deutlich zu sehen, dass sie diesen den „Stinkefinger“ entgegen reckt. Und das ist eine justiziable Beleidigung, für die sie von NPD-Mitgliedern um die Münchner Kreisvorsitzende Renate Werlberger angezeigt wurde.

Da gab es offenbar nichts abzustreiten, wie das im Merkur veröffentlichte Foto offenbart. „Mit meiner beleidigenden Geste gegen eine NPD-lerin bin ich 2018 über das Ziel hinausgeschossen. Das tut mir leid und deswegen zahle ich nun 500 Euro an eine gemeinnützige Organisation – damit wird das Verfahren eingestellt“, sagte Schulze. „Das Mittel war falsch. Die Abgrenzung gegen Rechtsextremismus ist aber weiter richtig und wichtig.“

Von den „knapp 10“ NPD-Demonstranten wurden übrigens zwei wegen Zeigen des Hitler-Grußes abgeführt und verurteilt, wie der Merkur berichtet.

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