Bis in die frühen Morgenstunden wurde in Berlin gefeilscht. Denn die Bundeskanzlerin verhängte am Abend eine vierstündige Pause. Ihr sei das alles zu „lasch“ hier. Dann geht sie in eine kleine Runde mit Söder, Scholz und Michael Müller. Zurück kommt man mit einem Vorschlag: Über Ostern soll über fünf Tage einfach alles schließen. Auf Intervention wohl von Jens Spahn wird das nochmal ein wenig abgemildert. Es bleibt ein Eingriff nie da gewesener Härte: Am Karsamstag soll der Lebensmitteleinzelhandel im engen Sinne geöffnet bleiben dürfen, am Gründonnerstag sollen aber sogar der Lebensmitteleinzelhandel und Supermärkte geschlossen werden. Dazu kommt für fünf Tage ein „Ansammlungsverbot“, bei dem grundsätzlich nur noch Personen aus zwei verschiedenen Haushalten zusammenkommen dürfen. Ostern mit der Familie fällt also genauso aus wie Demonstrationen und Gottesdienste. Man wolle auf die Religionsgemeinschaften zugehen mit einer „Bitte“ – wie freiwillig diese Bitte dann angenommen werden muss, bleibt offen. Dass Ostern und Pessach in Deutschland de facto vollständig abgesagt werden können – offenbar kein Eingriff in die Religionsfreiheit.
Massive kollektiv-pauschale Eingriffe in die Grundrechte von 82 Millionen Bürgern als „Ruhetage“ zu bezeichnen, ist ein neuer Gipfel des zynischen Framings.
Doch das ist immer noch nicht alles, auch Merkels ursprünglicher Traum von Ausgangssperren ist immer noch im Entwurf. Dort heißt es: „Deshalb werden in Landkreisen mit einer 7-Tage-Inzidenz von über 100 weitergehende Schritte umgesetzt. Dies kann insbesondere sein: […] Ausgangsbeschränkungen“
In der Pressekonferenz nach dem Gipfel dreht Merkel auf: „Wir haben eine neue Pandemie“, die Mutation habe dazu geführt, dass „der bisherige Erfolg“ aufgefressen sei. Welcher Erfolg eigentlich? „Es ist länger schwer, als wir dachten“, sagt die Kanzlerin. Ja, in der Tat. Es ist ja auch erst der fünfte Monat seit dem „Wellenbrecherlockdown“.
Es wirkt alles wie eine riesige Ablenkungskampagne. Während die Welt über Impfen, Testen, Öffnen spricht, philosophiert man in Deutschland darüber, ob ein Camping-Urlaub an der Ostsee erlaubt werden darf – und ob man nicht vielleicht einfach die Supermärkte schließen sollte. Eine Begründung scheint niemand zu brauchen: Dass das Infektionsrisiko in einem Supermarkt, in dem ohnehin Abstands- und Maskenregeln gelten, minimal ist und auf einem Campingplatz wohl gegen Null tendiert – ganz egal. Hauptsache brutal – und niemand von den Regierenden spricht mehr über das eigene Versagen.
Die wichtigsten Beschlüsse im Überblick:
- Über Ostern: 5 Tage Total-Lockdown, teilweise Schließung der Lebensmittelgeschäfte, Ansammlungsverbot, Außengastronomie dicht, „möglichst“ keine Präsenzgottesdienste
- Ab Inzidenz 100 mögliche regionale Verschärfungen u.a. Maskenpflicht im PKW, Ausgangssperren
- generelle Testpflicht vor dem Rückflug aus dem Auslandsurlaub
- kein innerdeutscher Urlaub
- Schließung der Außengastronomie bei Inzidenz über 100 (was in sehr vielen Kommunen bereits der Fall ist und wohl bald in der überwiegenden Mehrheit eintreten dürfte)
Lesen Sie hier das ganze Beschlussdokument.