Neun Kliniken haben seit Mai Insolvenz angemeldet, berichtet die Welt. Die Nachricht kommt alles andere als überraschend. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft warnt seit Monaten davor, dass ihre Häuser unterfinanziert, deren Rücklagen aufgebraucht seien und sie folglich vor dem Aus stünden. Genau das passiert nun.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte im Dezember mit seiner Krankenhausreform eine „Revolution“ angekündigt, er werde das Gewinnstreben aus dem Bereich herausholen, versprach der Leverkusener. Nun zeigt sich: Lauterbachs Revolution verläuft wie „Der große Sprung“ in China: chaotisch und jene sterben dabei reihenweise weg, denen eine bessere Zukunft versprochen wurde.
Seit Jahren weisen die Krankenkassen darauf hin, dass wir ein teures Überangebot an medizinischer Versorgung in den Ballungszentren haben, aber die Menschen auf dem Land schlecht versorgt seien. Doch von der Insolvenzwelle sind ausgerechnet die Kliniken auf dem Land betroffen – wie die Beispiele der jüngsten Tage und Wochen zeigen.
So hat die Rotkreuzklinik in Lindenberg am Bodensee Insolvenz angemeldet, sie hat sich einem so genannten Schutzschirmverfahren unterzogen. Die Klinik mit knapp 200 Betten steht auf halbem Weg zwischen Lindau und der Landgrenze zu Österreich. Die Kanzlei Eckert begleitet die Insolvenz der Rotkreuzklinik – das tut sie auch für die Imland Kliniken (Schleswig-Holstein) und das Krankenhaus Spremberg (Brandenburg). Die Sanierung in Lindenberg soll bei laufendem Betrieb erfolgen. Das heißt: Die Löhne müssen gesichert sein. Ähnlich läuft es im saarländischen Merzig, über das TE bereits berichtet hat.
Die St.-Vincenz-Kliniken in Paderborn will die Gehälter während der Insolvenzzeit ebenfalls weiterzahlen. 3000 Mitarbeiter sind laut WDR betroffen. In Bützow (Mecklenburg-Vorpommern) sind es nur 150 Mitarbeiter. Die Klinikleitung sieht laut NDR in dem Insolvenzverfahren „die einmalige Chance, aus diesem Verfahren gestärkt hervor zu gehen und die fast umgesetzte Umstrukturierung zu Ende zu führen.“
Und tatsächlich: Dem Diako-Krankenhaus in Flensburg ist es gelungen, in der Insolvenz zu gesunden. Nun hat die Geschäftsleitung verkündet, das Haus sei schuldenfrei und könne in vollem Umfang weiterarbeiten. Allerdings hat das einen Preis. Auch wenn den jemand anders zahlen muss: die Gläubiger. Sie haben laut NDR auf 85 Prozent ihrer Außenstände verzichtet.
Der Umgang zwischen Lieferanten und Krankenhäuser wird folglich härter, wie ein Beispiel aus Mainz zeigt. Dort haben Lieferanten aufgehört, die Mainzer Universitätsmedizin mit Medikamenten zu versorgen, nachdem diese Rechnungen im Wert von 60 Millionen Euro offenstehen hat lassen. Darüber hat der SWR berichtet. Die Leitung begründete die Außenstände damit, dass die Buchhaltung unterbesetzt gewesen sei. Darüber hinaus berichtet der SWR von internen Vorwürfen, die Unimedizin würde sich gesund sparen wollen, was sich unter anderem an der nicht mehr zeitgemäßen Ausstattung zeige.
Selbst für den Kampf gegen den Hitzetod fehlt das Geld. Mit diesem Thema versucht sich Karl „Absolute Killervariante“ Lauterbach wieder positive Schlagzeilen zu verschaffen. Doch das von Minister und Medien stark gehypte Thema bleibe „bislang rein theoretisch“, wie es Professor Henriette Neumeyer erklärt. Sie ist stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft und sagt: „Die Krankenzimmer kühlen leider nicht durch Diskussionen und Absichtserklärungen ab.“ Stattdessen benötigten die Kliniken Investitionen, „um flächendeckend die oft sehr alte Gebäudesubstanz auf Hitze vorzubereiten“. In den Kliniken reiche es aber nur für die nötigsten Investitionen – häufig aus Eigenmitteln. Also aus dem Geld, das die Krankenkassen eigentlich für die Versorgung der Patienten bezahlen.