Wenn sie abgestiegen sind, werden Fußballer und Trainer plötzlich ehrlich. Die ganzen Beschönigungen nutzen dann nichts mehr, ab da wird offen geredet. Das machte auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) auf der Pressekonferenz, auf der Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und er die „Gaspreisbremse“ vorstellten. Lindner sagte dazu:
„Wir haben einen Abwehrschirm gegen diesen Energie-Krieg beschlossen, um die Folgen der Knappheiten für die Verbraucherinnen und Verbraucher und die Wirtschaft abzufedern, und um Zeit zu gewinnen, um uns vorzubereiten auf eine neue Normalität nach dieser Krise.“
Lässt man mal den Punkt außen vor, dass die deutschen Strompreise auch schon vor dem Ukraine-Krieg die höchsten der Welt waren, ist Lindner erstaunlich ehrlich: Wir kaufen Zeit. Das sagt der Finanzminister klipp und klar. Und: Wir bereiten uns „auf eine neue Normalität nach dieser Krise“ vor. Das ist poetisch für: Dieses Land wird verarmen. Doch der Reihe nach.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat mit der „Gaspreisbremse“ seine Vorstellung von Politik durchgesetzt: Demnach ist der Staat die Lösung aller Probleme. Die Preise für Energie sinken. Alle feiern fröhlich Weihnachten. Happy end. Abspann. Damit hat Scholz seine beiden Koalitionspartner ausgebremst und – ob gewollt oder nicht – auch gedemütigt. Sie stehen jetzt mit leeren Händen da.
Zum einen Christian Lindner. Die FDP hat den Ausstieg aus den Corona-Maßnahmen versprochen und hat jetzt „die strengsten Regeln in Europa“. Lindner hat solide Finanzen versprochen und drückt mit der Gaspreisbremse nun aufs Schuldengaspedal. Etwa 25 Milliarden Euro hat der Staat laut Statistischem Bundesamt im ersten Halbjahr an Schulden gemacht. Peanuts: 65 Milliarden Euro für das dritte „Entlastungspaket“ kommen noch, und nun 200 Milliarden Euro für die „Gaspreisbremse“ – in nur vier Wochen. Die finanziellen Hauruck-Aktionen des Bundes folgen nun immer schneller aufeinander und sie werden immer wuchtiger. Der Bundesrechnungshof hat Scholz und Lindner davor gewarnt, der Versuchung zu erliegen, sich von allen anstehenden Problemen mit neuen Schulden freikaufen zu wollen. Sie haben diese Warnung in den Wind geschlagen. Scholz hat sich durchgesetzt. Lindners FDP hat bisher nur das Tempolimit verhindert und steht mit einem Punkt auf einem Abstiegsplatz.
Auf den droht nun auch Robert Habeck abzurutschen. Der andere Verlierer des Tages. Posterboy deutscher Journalisten und vor allem Journalistinnen. Der hat eine Gas-Umlage eingeführt. Die ist noch nicht einmal in Kraft, stand von Anfang an in der Kritik, bald auch von ihrem Erfinder Habeck selbst, und ist nun nach wenigen Wochen von Scholz persönlich wieder eingestampft worden. Wie fasst man so ein Projekt zusammen? „Sie war ein wichtiges Instrument zur Versorgungssicherheit.“ Das ist so kläglich, dass sich allenfalls in ARD, ZDF und Süddeutscher Zeitung noch grüne Aktivisten finden werden, die diesen Kakao schlucken und als Sprachregelung verbreiten werden.
Der Wumms war ein leeres Versprechen. Die beiden stellten zwar dreistellige Milliardenbeträge in den Haushalt ein. Aber Scholz und Altmaier machten die Auflagen so hoch und die Verfahren so kompliziert, dass vieles von dem Geld nicht abgerufen werden konnte – und auch nicht abgerufen wurde. Doch während Unternehmer das 30. Formular ausfüllten und dafür zum 30. mal ihrem kompletten Datensatz angeben mussten, als sie im Papierkrieg und im Warten auf die Hilfen ihre Existenzen und ihren Lebensmut verloren, da waren die Scheinwerfer längst wieder abgebaut.
In der Corona-Krise haben 83 Millionen Deutsche erlebt, wie Scholz verspricht, allen zu helfen. Und nur wenige tausend Betroffene haben erfahren, wie wertlos diese Versprechen waren. In der Erinnerung der überwältigenden Mehrheit blieb der Finanzminister mit den Wumms-Versprechen. Das wird dieses Mal anders sein. Der Staat wird die versprochenen 200 Milliarden Euro zahlen müssen. Dieses Mal würden es alle mitbekommen, wenn sich das Versprechen als leer erweist und die Energiepreise trotz Bremse steigen.
Scholz hat sich Zeit gekauft. Von den privaten Haushalten ist erstmal der Druck genommen. Das wird dem befürchteten „Wutherbst“ die Wucht nehmen, die Demos von AfD und Linken werden weniger Zulauf erhalten. Aber die gekaufte Zeit hat auch einen Preis. Lindners „Schuldenbremse“ ist dabei noch das geringste Opfer. Der Finanzminister wird sich den Haushalt solange mit „Sondervermögen“ und Schattenhaushalten schönrechnen, bis formal die Kriterien der Schuldenbremse erfüllt sind.
Rohstoffe zur Energiegewinnung gibt es in der EU nur wenig. Beziehungsweise Länder wie Deutschland verzichten zugunsten grüner Ideologie darauf, sie abzurufen. Also müssen die EU-Länder Rohstoffe außerhalb der Euro-Zone einkaufen. Die einfache Rechnung lautet: Je schwächer der Euro, desto mehr davon müssen die EU-Länder zahlen. Der nächste Inflationstreiber. Die Kirsche auf diesem Kuchen ist dann noch, dass der Staat zwar jetzt den Energiepreis künstlich senkt – aber die Versorgung nur bedingt garantieren kann. Seine Vertreter laufen jetzt schon mit dem Waschlappen durch die Gegend, um zu vermitteln, dass warmes Duschen etwas für dekadente, reiche Länder ist.
Deutschland wird nicht mehr reich sein. Oder wie es Christian Lindner so poetisch ausdrückt: Wir bereiten uns „auf eine neue Normalität nach dieser Krise“ vor. Lindners Bilanz ist wirklich verheerend: Schulden, immer mehr Staats- statt privater Wirtschaft, eine drohende Verarmung der Deutschen, keine Versorgungssicherheit, Hineinregieren ins Privatleben im Sinne einer vermeintlichen Gesundheitsvorsorge… Seine Anhänger müssen jetzt rasend schnell über die Autobahn fahren, damit der einzige Punktgewinn der FDP nicht ganz so kläglich aussieht.