Kamala Harris stolpert durch wohlwollendes CNN-Interview
David Boos
Nach über 40 Tagen als Präsidentschaftskandidatin hat Kamala Harris CNN nun erstmals ein Interview gegeben. Nicht nur, dass dieses nur gekürzt veröffentlicht wurde, sie wich allen Widersprüchlichkeiten ihrer politischen Karriere wiederholt aus. Trump nannte das Interview „langweilig!“
Lange hat es gedauert, bis Kamala Harris sich nach Bekanntgabe ihrer Nominierung als US-Präsidentschaftskandidatin endlich einem Interview stellte. Und obwohl dieses Interview von CNN wohl kaum wohlwollender geführt werden konnte, erfuhren die Zuseher sehr schnell, wieso es damit so lange dauert hat.
Das größte Entgegenkommen von CNN war dabei zweifelsohne, dass das offensichtlich 41-minütige Gespräch in einer verkürzten 18-minütigen Fassung veröffentlicht wurde – trotz der Einblendung „live“. Es darf wohl nicht als Verschwörungstheorie gelten, davon auszugehen, dass die geschnittenen Fragmente Harris nicht unbedingt in einem besseren Licht erscheinen ließen. Doch selbst die ausgestrahlten 18 Minuten von Harris boten genügend Angriffspunkte, denn die demokratische Kandidatin ließ zielsicher kein Fettnäpfchen aus.
One of the edited segments is reportedly about the Green New Deal and fracking.
Only one way for us to know: RELEASE the unedited video and the FULL TRANSCRIPT! pic.twitter.com/WdB37ELsCE
Angesprochen auf ihre ersten Schritte im Falle eines Wahlsiegs, bediente sich Harris – wie bereits im Wahlkampf – bei ihrem Kontrahenten Donald Trump und behauptete, die Mittelklasse stärken zu wollen. Dabei suggerierte sie wiederholt, dass die wirtschaftlich schwierige Lage der amerikanischen Mittelklasse die Schuld von Donald Trump sei und sprach, ohne Trump namentlich zu nennen, von „Präsidenten in den letzten 10 Jahren“, die verantwortlich wären. Aber nicht nur, dass vor 10 Jahren noch der demokratische Präsident Barack Obama im Amt war, die Tatsache, dass Kamala Harris selbst gemeinsam mit Joe Biden in den letzten dreieinhalb Jahren die Regierung bildete, widersprechen ihrem eigenen Argument.
Harris berichtete stolz von einer Senkung der Inflation auf 3 Prozent und vergaß dabei zu erwähnen, dass die Inflation am Ende der Ära Trump nur 1,4 Prozent betrug. In dieser Tonart ging es weiter. Harris forderte die Senkung der Kosten für Essen und Wohnen und argumentierte, als wäre sie die Herausforderin und nicht die amtierende Vizepräsidentin, die wenig später die großen Erfolge der sogenannten „Bidenomics“ („Biden-Ökonomie“) anpries.
Als es im Anschluss um die Energiepolitik ging, konkret um ein mögliches Fracking-Verbot, wurde Harris auf ihre Unterstützung des Green New Deal während ihrer Zeit im Kongress angesprochen, sowie auf ihren Sinneswandel, da sie sich noch 2019 für ein Fracking-Verbot ausgesprochen hatte, aber bereits 2020 versprach, Fracking doch nicht zu verbieten. Im Interview mit CNN betonte sie zwar, dass sie zu ihrem Versprechen stehen würde, gab aber auf Nachfrage zu, dass sich an ihren Werten nichts geändert habe. Anstatt Fracking verbieten zu wollen, wolle Harris weiterhin den Ausbau des erneuerbaren Energiesektors vorantreiben, sodass Fracking „nicht mehr nötig wäre“.
Kritik an einer Dekade, die mehrheitlich demokratisch geprägt war
Ein weiteres zentrales Thema war die Asylpolitik. Die Zahl der illegalen Grenzübertritte an der Südgrenze der USA war im Zuge der Biden-Legislatur auf ein Höchstmaß angestiegen und die Regierung verlautbarte erst kürzlich im Wahlkampf ein neues, verschärftes Asylrecht. Auf die Frage, warum es dreieinhalb Jahre gedauert habe, bis man sich zu diesem Eingriff durchringen konnte, antwortete Harris, dass ihre Arbeit als Vizepräsidentin auf diesem Gebiet „zu einer Reihe von Vorteilen“ geführt habe. Dazu zählen „Investitionen historischen Ausmaßes“ amerikanischer Firmen sowie die wenig überraschende Erkenntnis, dass die eingeführte Verschärfung tatsächlich zu einer Reduktion illegaler Grenzübertritte geführt habe. Wohlgemerkt nach dreieinhalb rekordverdächtigen Jahren.
Auch ein weiteres Zitat aus ihrer Vergangenheit holte Harris ein. In der Vergangenheit hatte sie sich für eine „Entkriminalisierung illegaler Grenzübertritte“ ausgesprochen, im Gespräch mit CNN formulierte sie vorsichtiger, dass es bei illegalen Grenzübertritten „Konsequenzen“ geben müsse und dass Gesetze durchgesetzt werden müssten. Offensichtlich ist Harris sich der im Land vorherrschenden Stimmung bewusst und versucht neben der Wohlstands- auch in der Migrationsfrage Themenbereiche von Donald Trump für sich zu nutzen. Als sie aber Kompetenz und Erfahrung in diesem Themenbereich durch einen Verweis auf ihre Erfahrung als „Attorney General“ (Justizberater einer Staatsregierung) von Kalifornien einforderte, vergaß sie bequemerweise wieder den Hinweis auf ihre dreieinhalbjährige Amtsperiode als Vizepräsidentin, deren Bilanz sich in Migrationsfragen verheerend liest.
Zwar nahm die Interviewerin Dana Bash Harris nicht wirklich in den Schwitzkasten, aber sie stellte immerhin eine Frage, die vielen Wählern auf den Lippen brennt: Wie könnten Wähler angesichts der unterschiedlichen Aussagen und Positionen von Harris in der Vergangenheit darauf vertrauen, dass sie ihre Wahlversprechen halten würde? Harris holte weit aus und wiederholte, dass sich ihre Werte hinsichtlich der Unterstützung des Green New Deal zwar nicht geändert haben, aber dass sie gelernt habe, Kompromisse zu schließen. Viel mehr Garantie würde es an diesem Abend von Harris nicht geben.
Und sogar Donald Trump kam im Interview vor. Bash bot Harris die Möglichkeit auf dessen Vorwurf, Harris sei im Zuge der Wahlkampagne erst kürzlich „schwarz“ geworden (Harris ist indisch-jamaikanischer Abstammung), zu antworten, aber Harris nannte dies nur „die selbe alte Strategie“ und antwortete mit „nächste Frage“. Immerhin wurde Harris in den 40 Tagen Vorbereitung auf dieses Gespräch deutlich eingeschult, dass es in manchen Fällen besser ist, lieber gar nichts zu sagen. Im Fall von Kamala Harris könnten es sogar mehr als nur manche Fälle sein.
Lügen über Bidens Gesundheitszustand: Kein Bedauern bei Kamala
Die Hilflosigkeiten von Harris wurden immer offensichtlicher. Zum Konflikt in Israel bekannte sich Harris zwar zur Unterstützung Israels, aber auf die Frage, wie sie gedenke, das zu schaffen, woran Joe Biden scheiterte, antwortete Harris mit einem wiederholten „wir müssen einen Deal schaffen“. Das war zwar nicht die Frage, aber in all den Jahren in der Politik hat Harris das nötige Rüstzeug erworben, Fragen nach dem „wie“ durch hohle und emotionalisierende Phrasen auszuweichen.
Bevor es unangenehm wurde, durfte auch der Vizepräsidentschaftskandidat Tim Walz einige Fragen beantworten und verschaffte Kamala Harris eine wohlverdiente Ruhepause. Dann allerdings folgte doch noch die Frage, ob Harris es bereue, den Gesundheitszustand von Joe Biden bis kurz vor dessen Abdankung fälschlich positiv dargestellt zu haben. Doch Reue kannte Harris nicht, stattdessen hob sie zu einem Loblied auf Joe Biden an, das in einer Beleidigung von Donald Trump mündete, der laut Harris nicht die Wesensart eines Präsidenten mitbringe, über die Biden verfüge. Die eigentliche Frage, nämlich Harris offensichtliche Lüge über die Eignung von Joe Biden für eine zweite Amtsperiode, beantwortete sie aber nicht, sondern erzählte nur, wie stolz sie sei, Vizepräsidentin unter Biden gewesen zu sein und nun mit Tim Walz gemeinsam kandidieren zu dürfen.
Noch einmal versteifte sich Harris darauf, dass die „letzten 10 Jahre“ eine bedauerliche Ära für die USA gewesen waren, sodass selbst CNN-Interviewerin Bash nicht umhin konnte nachzuhaken, dass die letzten dreieinhalb Jahre davon ihre eigene Regierungszeit umfassten. Darauf meinte sie, dass „vor ungefähr 10 Jahren“ eine Veränderung in der Wahrnehmung stattfand, was einen Anführer ausmache und dies das Wesen Amerikas verändert hatte. Zwar ist deutlich, dass sie damit nicht den damals amtierenden Barack Obama meinte, vor allem aber vergaß sie dabei auch darauf hinzuweisen, dass es eben ihr Parteigenosse Barack Obama war, der bei seiner ersten Kandidatur 2008 mit seiner „Change“-Kampagne das Bild des charismatischen Anführers, der das bestehende System verändert, popularisierte.
Zum Abschluss gab es noch ein paar Gefälligkeitsfragen über den Moment, als Joe Biden ihr seinen Rückzug mitgeteilt hatte, der Harris erlaubte, darüber zu sinnieren, dass sie damals im Kreise der Familie Pfannkuchen gegessen und Puzzles gelegt haben, und dass ihre Gedanken – selbstlos wie sie nunmal ist – in diesem Moment nicht um sich selbst, sondern um Joe Biden drehten. Um irgendwie die inhaltslosen Minuten zu füllen, durften beide Kandidaten noch ein paar Familiengeschichten über stolze Söhne und Nichten erzählen und die Wohlfühlrunde kam an ihr wohlverdientes Ende.
Enttäuschung durch alle Lager
Während andere Politiker mehrstündige Interviews geben, vollbringt Kamala Harris das Wunder, ein 18-minütiges Interview zu geben, das sich wie ein mehrstündiges Gespräch anfühlt. Die Reaktionen auf die nichtssagenden und ausweichenden Antworten von Harris waren nicht nur im konservativen Spektrum vernichtend, selbst die Analysten von CNN gaben im Nachgang zu, dass Harris „den Ball nicht wirklich vorangetrieben hat“ (eine Analogie aus dem American Football).
Ihre Sturheit, mit der sie auf alle ökonomischen Fragen nur mit Stolz auf Joe Bidens Ökonomiepolitik reagierte und sich „ohne Einsicht“ und „ohne Bedauern“ äußerte, führte selbst bei CNN dazu, dass man zugab, Trumps Kampagne könne dies mit Leichtigkeit für sich einsetzen.
Am anderen Ende des Spektrums rieben sich Republikaner die Hände. Der Kongressabgeordnete Byron Donalds verwies bei Fox News neben ihren offensichtlichen Widersprüchlichkeiten auch auf die Körpersprache von Harris, die beim Gespräch über ihre Nichte zwar entspannt wirkte, bei sachbezogenen Themen aber immer wieder verunsichert und ausweichend den Blick senkte, um sich zu erinnern, was sie eigentlich sagen wollte.
Noch deutlicher wurde Donald Trump selbst, der das Interview als „LANGWEILIG!“ bezeichnete und meinte, dass Harris „nicht wie eine Präsidentin aussah“. Trump sehe sie nicht „in Verhandlungen mit Leuten wie Xi in China“.
Im Lager von Kamala Harris wird man sich vor allem über eine Sache freuen: Dass dieses Interview vorbei ist. Und damit geht die Hoffnung einher, dass das nächste Gespräch möglichst lange auf sich warten lässt. Gerüchten zufolge rauchen im Weißen Haus bereits jetzt die Köpfe, wie man die unvermeidlichen Live-Debatten mit Donald Trump irgendwie vermeiden kann. Sollten sie nämlich wie geplant stattfinden, sind die Berater von Kamala Harris wahrlich nicht zu beneiden.
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