Kann es sein, dass ein Bahnhofsneubau eine Stadt entzwei schlägt und in der Mitte eine Wunde entstehen lässt? Liest man aktuelle Berichte aus Stuttgart, dann erkennt man die Stadt kaum noch wieder. Sicher, die „Partyszene“ machte im Sommer 2020 Schlagzeilen. Nun erfährt man Genaueres zu ihr und ihrer Beharrlichkeit. Denn diese Szene hat sich inzwischen breitgemacht und aufgefächert. In der „guten Stube“ der Landeshauptstadt haben sich seit Jahr und Tag „multiethnische Gruppierungen“ eingenistet, und nun fragt man sich, wie man sie wieder los werden kann.
Nun war OB Frank Nopper (CDU) auf Stippvisite an Schloss- und Josef-Hirn-Platz und in den Klett-Passagen. Er fand eine Landeshauptstadt mit zu viel Abfall auf den Straßen vor, dafür ohne charmante Herrenausstatter wie früher. Im Schlossgarten zelten angeblich schon weniger Roma als noch vor kurzem. Schlossplatz und Bahnhofsgegend sind zu Schmuddelecken geworden – und daran wird nicht nur die Großbaustelle Hauptbahnhof schuld sein. Solch ein Projekt müsste man in einem Erste-Welt-Land außerdem mit Sauberkeit und Ordnung veranstalten können. Es muss nicht ein Stadtzentrum in dieser Weise beeinträchtigen.
Viel entscheidender dürfte sein, wer da in der Stadt herumläuft oder neudeutsch: chillt. Die größten Probleme hat die Polizei angeblich mit „jungen, meist beschäftigungslosen männlichen Einwanderern, die sich erst seit wenigen Wochen in Deutschland aufhalten“. Sie reisen oft aus umliegenden Landkreisen nach Stuttgart, da auch von einer Residenzpflicht nicht mehr die Rede sein kann.
Aber warum eigentlich Stuttgart? Um sich vom Landleben zu „erholen“? Zum „Chillen“? Oder geht es doch direkt schon um Kriminalität? Die Polizei sollte das eigentlich wissen und danach handeln. 40 Prozent der Straftäter aus „dieser Klientel“ wohnen in Flüchtlingsunterkünften im Umland. Die etablierte Abfolge scheint so zu sein: illegal einreisen, „Asyl“ sagen, sich ein 49-Euro-Ticket ausstellen lassen und nach neuen „Freunden“ suchen. Diese Abfolge könnte die Politik daran erinnern, was sie ändern muss. Aber was will man von den regierenden Grünen (mit verschiedenem Parteibuch) in dieser Frage schon erwarten?
LKA: Kein Bandenkrieg, es geht um Anerkennung in der Gruppe
Daneben gibt es, wie gesagt, ein beharrliches Problem in der Landeshauptstadt. Das betrifft vor allem den kleinen Josef-Hirn-Platz, an dem zufälligerweise auch die chronisch überlastete Ausländerbehörde der Stadt sitzt. An diesem etwas versteckten, zwischen Hochhäusern eingeklemmten Platz haben sich Ladengeschäfte der „Multiethnischen“ breitgemacht. Gemeint sind nicht Coca-Cola oder H&M, sondern einige Clubs und Shisha-Bars, die den buntgemischten Jugendgangs als Unterschlupf dienen.
Durch die miteinander verbundenen Keller und Garagen der Ladengeschäfte können sie sich auch der Polizei entziehen und die Beamten im wahrsten Sinne des Wortes in die Irre führen. Ein unterirdischer Dungeon zu Diensten der Gangs. Vielleicht läuft das sogar nach dem Motto „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich“. Denn normalerweise bekriegen sich die Gangs dort gegenseitig. Geeint sind die Gruppen allerdings in ihrer Verachtung, die sie der Polizei mit Buhrufen und Aufmärschen zeigen.
Das Landeskriminalamt wollte im Juni nicht von einem Bandenkrieg in der Stuttgarter Gegend sprechen. Es handele sich um „multiethnische Gruppierungen“, in denen auch viele Deutsche mit Migrationshintergrund vertreten seien. Laut FAZ sind sogar viele „waschechte Schwaben“ darunter. Ob es auch „waschechte Deutsche“ sind, weiß man aber nicht so genau.
Die „rivalisierenden, gewaltbereiten Gruppen junger Männer“ sind außerdem „nicht unmittelbar der Organisierten Kriminalität“ zuzuordnen, so das LKA. Clans sind es schon deshalb nicht, weil es keine Familienbanden sind. Es gehe zum Teil um „politische Rivalitäten“, ansonsten kann man die Motivationen nicht wirklich klar fassen. Angeblich ist die Gewaltbereitschaft nur ein Schrei von jungen Männern mit schlechter Sozialprognose nach Anerkennung und „Ehre“ in der Peergroup, so LKA-Chef Stenger. Politische Beobachter fragen sich allerdings, woher die Jugendlichen ihre Waffen beziehen und ob das nicht doch ein Hinweis auf Bandenkriminalität sein könnte.
Gewalt ist vorerst nicht zu stoppen
Auch die „multiethnischen“ Nicht-Banden, aber vielleicht doch Jugendgangs, sind meistens nicht im Stuttgarter Zentrum ansässig. Vielmehr rekrutiert sich eine Gruppe angeblich aus Zuffenhausen und Göppingen, eine andere scheint in Esslingen, Ludwigsburg und Plochingen zu Hause. Diese Gruppen hatten sich in den letzten Monaten schon gar nicht mehr so zivile Schlachten geliefert. Irgendwann landete eine gezündete Handgranate mitten in einer Trauerfeier. Das war im Juni in Altbach bei Esslingen. Die Handgranate warf wohl ein 23-Jähriger, begraben wurde da bereits ein 20-Jähriger. Dann gab es Schüsse vor diversen Friseurläden. Dann wieder finden sich auf einmal „150 Muskelmänner“ auf einem Platz in Ludwigsburg ein. Da lassen sich Feuerwerkskörper, Schlagstöcke und Messer eventuell noch vor ihrer Verwendung sicherstellen.
Das LKA verkündete, dass die Gewaltspirale wohl vorerst nicht zu stoppen sei. Der Josef-Hirn-Platz wird nun wegen seiner Clubs und Läden als „temporär gefährlicher Ort“ angesehen, und Polizei und Politik würden dieses Etikett gerne wieder abwaschen. Nur wie? Auch an dem Platz kam es im Frühjahr zu Schüssen. In der Folge rückten 250 Beamte an und stellten eine Maschinenpistole sicher. 31 Verdächtige wurden seitdem festgenommen.
Was tut die Polizei sonst noch? Sie hat sich eine App zugelegt, mit der sie das Licht auf dem Schlossplatz auf 100 Prozent hochfahren kann, um in gefährlichen Lagen sofort einen Überblick zu haben. Messerverbotszonen und anlassunabhängige Personenkontrollen sollen angeblich eine Wirkung erzielt haben. „Wir nehmen an, dass viele Stadtbesucher durch das Verbot animiert werden, ihre Messer zu Hause lassen, es also präventiv wirkt. Wir haben weniger schwere Messerdelikte“, sagt der Stuttgarter Polizeipräsident dazu. Ein Verbot animiert also zum Friedlichbleiben. Dann wären es ja doch nur Kindereien gewesen.
Man wird das Gefühl nicht los, dass hier einige die (Un-)Sicherheitslage im Land gewaltig unterschätzen und für die breitere Bevölkerung unterbelichten. Frisierte Messertaten-Statistiken tragen zu dem Eindruck bei. Nun fordert die Polizei von der Stadt, möglichst viele Ladenlokale am Josef-Hirn-Platz aufzukaufen, um zu kontrollieren, wer darin sitzt. OB Nopper findet das Gesehene „grausig, grausig“ und glaubt, einen „ungefilterten Eindruck“ von der Realität bekommen zu haben. Aber die Straftaten im Zehn-Minuten-Rhythmus in den heißen Sommernächten hat er an diesem kühlen Tag eben nicht erlebt.