Tichys Einblick
Maskenskandal geht weiter

Spahn versenkte Steuermilliarden für Corona-Masken – ausgerechnet Lauterbach will aufklären

Ausgerechnet Jens Spahns Amtsnachfolger Karl Lauterbach will sich als Anführer der Aufklärung des Maskenskandals in Szene setzen. Das ist absurd. Der Rechnungshof hatte in seinem Bericht festgehalten, dass das Gesundheitsministerium auch unter Lauterbachs Führung in der Maskenaffäre intransparent agiert hat.

IMAGO / Bernd Elmenthaler

„Wir werden einander wahrscheinlich viel verzeihen müssen“ – mit dieser Aussage meldete sich der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am 22. April 2020 mit Blick auf die Corona-Krise zu Wort. Auch milliardenfache Steuerverschwendung? Als Spahn seinen mittlerweile berühmten Satz sagte, wusste der Minister jedenfalls schon, dass die Beschaffung von Schutzmasken durch sein Ministerium gerade eskalierte – mit milliardenschweren Folgen.

Wie der Bundesrechnungshof im März 2024 feststellte, verursachte das Ministerium seinerzeit eine „massive Überbeschaffung“ von Masken „ohne effektive Mengensteuerung“. Konkret: Für insgesamt 5,9 Milliarden Euro wurden unter dem Strich 5,7 Milliarden Masken beschafft, von denen später nur 1,7 Milliarden in Deutschland verteilt (aber nicht unbedingt genutzt) wurden. 2,9 Milliarden Masken hingegen wurden – so der Rechnungshof im März – bereits vernichtet oder sind zur Vernichtung vorgesehen. 300 Millionen wurden ins Ausland verschenkt.

Bei der Beschaffung hatte das Ministerium unter anderem auf das sogenannte Open-House-Verfahren zurückgegriffen und allen potenziellen Lieferanten pauschal zugesichert, FFP2-Masken für 4,50 Euro das Stück abzunehmen. Als das BMG daraufhin von Hunderten Anbietern regelrecht überflutet wurde, versuchte es hastig, das Verfahren zu stoppen und von Abnahmezusagen zurückzutreten. Gleichzeitig traf es aber „immer weiter neue Beschaffungsentscheidungen für große Mengen an importierten Schutzmasken“, wie der Rechnungshof feststellte. Vor allem daraus sei die Überbeschaffung resultiert.

Erst die Maskenflut – dann die Klageflut

Auf die Masken- folgte eine Klageflut: Zahlreiche Unternehmen beschwerten sich vor Gericht über die versuchten Rückzieher des BMG. In mehreren Fällen hat das Ministerium bereits Vergleiche abgeschlossen, in anderen laufen die Verfahren weiter. Deren verbleibender Streitwert liegt bei 2,3 Milliarden Euro, die dem Steuerzahler in Rechnung gestellt werden könnten, dazu Verzugszinsen, Verfahrenskosten – „das sind pro Tag von Spahns Amtszeit 1,7 Millionen Euro schaden“, rechnete Linken-Frau Janine Wissler jüngst für die 2,3 Milliarden Euro vor. Einen kleinen Teil davon hat das Gesundheitsministerium bereits zurückgelegt.

Als wäre das nicht bereits Skandal genug, wurde nun auch noch bekannt, dass Spahn höchstpersönlich an der Preisfestsetzung im Open-House-Verfahren von 4,50 Euro pro FFP2-Maske beteiligt war – und zwar zum Negativen. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung am Dienstag berichtete, soll Spahn den Preis „gegen eine Empfehlung seiner eigenen Fachabteilung“ angehoben haben. Das gehe aus internen Mails des Ministeriums hervor.

Spahn ließ Preis anheben

Demnach habe der zuständige Abteilungsleiter ursprünglich 3,50 Euro netto je Maske vorgeschlagen. Einen Tag später habe sich Spahn auf 4,50 Euro festgelegt, was einer Steigerung von 50 Prozent entspricht, wie die FAZ korrekt vorrechnet. Zum Vergleich: Heute erhält man die Masken in großen Mengen bereits ab wenigen Cent. Zwar hinkt der Vergleich, weil seinerzeit eine Mangellage angenommen wurde. Die anschließende Maskenschwemme deutet aber daraufhin, dass Spahns Preis auch unter den damaligen Umständen viel zu hoch angesetzt war.

Jedenfalls bezog das Ministerium im Anschluss 262 Millionen „partikelfiltrierende Halbmasken“ wie FFP2-Masken, wofür es insgesamt 1,4 Milliarden Euro inklusive Mehrwertsteuer abfließen ließ. Wäre es nach dem Preis des Abteilungsleiters gegangen, wären es etwa 935 Millionen Euro gewesen, wie die FAZ anmerkt. Spahns Entscheidung kostete somit eben mal 467 Millionen Euro. Ein unglaublicher Wert, wobei die massive Überbeschaffung und die Frage, ob Masken überhaupt erforderlich waren, noch völlig ausgeblendet bleiben.

Ministerium verweigerte kritische Auseinandersetzung

Spahns Amtsnachfolger Karl Lauterbach will sich nun als Anführer der Aufklärung des Maskenskandals in Szene setzen. Er hat die SPD-Karrierebeamtin Margaretha Sudhof zur „Aufklärungsbeauftragten“ des Ministeriums ernannt. Im Interview mit der FAZ sagte der Sozialdemokrat vor einigen Tagen, er wolle die „harten Vorwürfe“ aufklären, wobei man „systematisch und schonungslos“ vorgehe. Und weiter: „Ich gelte nicht als zögerlich, wenn es darum geht, personelle Konsequenzen zu ziehen.“

Dass ausgerechnet Lauterbach versucht, sich an die Spitze der Bewegung zu setzen, ist einigermaßen absurd. Der Rechnungshof hatte in seinem Bericht ausdrücklich festgehalten, dass das BMG auch unter dessen Führung in der Maskenaffäre weiter intransparent agiert hat: Der Bundesrechnungshof vermisse eine angemessene kritische Auseinandersetzung des BMG mit den Vorgängen, hieß es in dem Bericht.

Offenbar hatte das Ministerium auf die Nachfragen des Rechnungshofs ziemlich pikiert reagiert: „Das BMG weise die von ihm als zum Teil persönlich und unsachlich empfundene Kritik an vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BMG-Geschäftsbereichs, die rund um die Uhr unmittelbar im akuten Krisengeschehen engagiert, verantwortungsvoll und erfolgreich an der Bewältigung der Pandemie mitgewirkt hätten, entschieden zurück“, gab der Rechnungshof die Haltung des Ministeriums wieder.

„Wir haben auch immer mitgestimmt“

Dazu muss man wissen, dass der für die Maskenbeschaffung unter Spahn zuständige Abteilungsleiter auch unter Lauterbach weiter im Amt ist. Auch den Pressesprecher, Hanno Kautz, hat Lauterbach von seinem Vorgänger übernommen. Kautz ist nicht gerade für seine transparente Kommunikation gegenüber der Öffentlichkeit bekannt.

Sowieso gilt: Die Maskenaffäre zeigt nur einen kleinen Ausschnitt aus der massiven Verschwendung öffentlicher Gelder, die mit der Corona-Pandemie verbunden war. Von den gesellschaftlichen und gesundheitlichen Auswirkungen der repressiven Corona-Politik ganz zu schweigen. In die aber sind fast alle Parteien mehr oder minder involviert gewesen. Sie alle haben im Verbund mit den Medien seinerzeit das Klima geschaffen, in denen Entscheidungen wie die Spahns zur Maskenbeschaffung möglich wurden. Sollte Spahn im Kontext der Maskenaffäre tatsächlich noch zur Verantwortung gezogen werden, wäre er also nur ein billiges Bauernopfer.

Bezeichnend war insofern eine Szene im Bundestag, als dieser Ende Juni über die Maskenthematik debattierte – und unter anderem auch die Grünen deutliche Kritik an Spahn übten. Als der im Gegenzug daran erinnerte, „dass eine große, breite Mehrheit der Gesellschaft unsere Pandemiepolitik mitgetragen hat“, reagierte die grüne Abgeordnete Irene Mihalic mit einem stolzen: „Ja, wir haben auch immer mitgestimmt!“ So ist es: Sie sind alle mitverantwortlich.

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